Nachhaltige Geldanlagen: Es geht auch anders Kompetitive finanzielle Erträge und das damit verbundene Ziel einer nachhaltigen Lebensqualität müssen kein Widerspruch sein. Kann man beide Herausforderungen unter einen Hut bringen? Im Interview mit Antoinette Hunziker-Ebneter, die CEO und Gründungspartnerin von Forma Futura Invest AG, haben wir nach Antworten gefragt.
Kompetitive finanzielle Erträge und das damit verbundene Ziel einer nachhaltigen Lebensqualität müssen kein Widerspruch sein. Kann man beide Herausforderungen unter einen Hut bringen? Im Interview mit Antoinette Hunziker-Ebneter, die CEO und Gründungspartnerin von Forma Futura Invest AG, haben wir nach Antworten gefragt.
Schon auf der Homepage des Webauftritts Ihres Hauses kann man die beiden zentralen Begrifflichkeiten Ihrer Unternehmensphilosophie sofort erkennen. Es geht um Nachhaltigkeit und Vermögensverwaltung. Wie bringen Sie diese beiden Stichworte zusammen? Das Wort Nachhaltigkeit hat aber in den letzten Jahren an Klarheit verloren. Können Sie hier wieder mehr Schärfe reinbringen?
Für uns ist eine Unternehmung nachhaltig, wenn sie finanziell nachhaltig ist und mit ihren Produkten und Dienstleistungen zur nachhaltigen Lebensqualität beiträgt.
Das war jetzt der Satz zum Warmlaufen …
Nein, dahinter stehen klare und überprüfbare Kriterien. Es geht schlicht darum, ob die Produkte für die Kunden Sinn machen und wie die Unternehmung geführt wird. Wir haben da sehr klare Fragen: Welche Ziele setzen sich die Verantwortlichen, und wie gehen sie mit den Ressourcen um? Wie gehen sie mit den Themen Energie oder Wasser um? Nachhaltigkeit betrifft aber auch die Unternehmensphilosophie. Wie gut oder schlecht ist das Geschäftsklima? Führung und Förderung von Mitarbeitenden, der Innovationsgrad von Produkten und Strategien sowie der Umgang mit knappen Ressourcen stehen bei uns auf gleicher Augenhöhe. Wir investieren in Unternehmen, die eine nachhaltige Lebensqualität fördern.
Um diese Punkte abzuklären, brauchen Sie ein Team mit sehr unterschiedlichen Fähigkeiten?
Anlegen muss Sinn machen. Und Sie haben Recht, wir mussten zunächst ein Team zusammenstellen, das die Kompetenz hat, solche Fragen abzuklären. Bei uns gibt es Biologen, Ethnologen, eine Elektroingenieurin und Umwelttechnologen, Philosophen und natürlich auch Ökonomen an Bord.
Geld wollen Sie trotzdem verdienen?
Geld verdienen ist wichtig. Es fragt sich einfach, wie und ob es in welchem Rahmen steht. Umweltfreundliche Technologien können nur mit Geld weiterentwickelt werden. Auch für die Bezahlung von Löhnen braucht es Geld. Wir leben eine Sowohl-als-auch-Philosophie. Unsere Kundinnen und Kunden haben keinen Heiligenschein. Sie wollen auch eine marktgerechte Rendite erzielen. Ich bin von Haus aus Betriebsökonomin. Die Portfolios unserer Kunden ergeben mit Aktien und Obligationen von nachhaltigen Unternehmen mindestens gleich gute Renditen, wie andere Mitbewerber mit konventionellen Unternehmen erzielen. Das lässt sich auch statistisch beweisen.
Wo liegen die zentralen Gründe?
Wir analysieren die Firmen wesentlich genauer. Zum Beispiel ist das Risikomanagement der Firmen, die wir auswählen, besser aufgestellt, und dies hat einen Einfluss auf die Ertragsentwicklung.
Gibt es bei der Auswahl der Anlagen für Ihre Kunden Meilensteine, damit wir das Bild etwas praktischer zeichnen können?
Am Anfang steht eine externe Basisprüfung, die eine Analyse von 160 Nachhaltigkeitskriterien umfasst. In einem zweiten Schritt analysieren wir, ob die Unternehmen finanziell solide sind. Im dritten Schritt gibt es eine interne, vertiefte Nachhaltigkeitsanalyse. Zurzeit schaffen es von 5 000 Unternehmen weltweit rund 200 Unternehmen in unser Forma-Futura-Anlageuniversum. Dann kauft und verkauft der Portfoliomanager Aktien und Obligationen von Unternehmen aus dem Forma-Futura-Anlageuniversum, gemäss dem mit dem Kunden vereinbarten Anlageprofil.
Vonseiten des Kunden gedacht, bieten Sie individualisierte Vermögensverwaltungsmandate an?
Ja, der Kunde kann auch Wertebausteine setzen, die ihm besonders wichtig sind.
Eine persönliche Frage schliesst sich an. Sie waren eigentlich eine klassische Bankerin. Was hat den Umschwung ausgelöst?
Vor bald zehn Jahren, mit 45 Jahren, habe ich mich entschieden, dass ich meine persönlichen Werte noch viel konsequenter umsetzen will. Das umfasst das persönliche und berufliche Umfeld. Es geht mir dabei um Integrität und Respekt vor Mensch und Umwelt, Transparenz, auch im Preis, Verantwortung übernehmen und den Mut haben, auch Nein zu sagen. Der ganze Finanzsektor hat eine wichtige volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Aufgabe. Wenn wir wirklich die Verantwortung übernehmen, dann werden wir für diese Welt weniger Kosten und weniger Probleme verursachen. Es kann nicht mehr sein, dass es uns egal ist, in welche Unternehmen wir investieren, wie diese geführt werden und welche Emissionen diese verursachen. Ich habe vor zehn Jahren erlebt, wie sich Kunden in ihren Unternehmungen nachhaltige Gedanken machten, diese auch umsetzten und wir in der Finanzbranche diese Gelder irgendwie und irgendwo anlegten. Dies stimmte für mich nicht mehr. Auch Geldanlegen muss Sinn machen, nicht nur Gewinn.
Darf ich hier kritisch nachfragen?
Selbstverständlich …
Es gibt ja jetzt im Zeichen der Energiewende viele schnell wachsende Player auf dem Markt, bei denen aber auch das Potenzial des Absturzes besteht. Nehmen Sie nur die europäische Solarbranche. Zunächst gab es einen beeindruckenden Boom, dann wurde die Branche in den Schwitzkasten der chinesischen Wettbewerber genommen. Parallel schossen nachhaltige Anlagemöglichkeiten in die Höhe. Einige Geschäftsmodelle waren aber nicht seriös. Wie gehen Sie damit um?
Das alte Wissen des Portfoliomanagements darf nicht vergessen werden. Eine gute Diversifikation steht dabei an erster Stelle. Hier hat die Nachhaltigkeitsbranche grosse Fehler gemacht. Sie hat beispielsweise Themenfonds angeboten, und auch Kunden kamen mit dem Wunsch auf uns zu, doch bitte ihr ganzes Vermögen in erneuerbare Energien anzulegen. Das können wir aus Diversifikationsgründen nicht verantworten. Die Risikodiversifikation ist eines unserer wichtigsten Prinzipien.
Können Sie uns da ein Beispiel verraten?
Eine australische Firma hat Solarzellen entwickelt, die sogar an den Innenwänden der Häuser technologisch funktionieren. Als Nachhaltigkeitsfreundin bin ich zunächst begeistert. Man hat grosse Freude an solchen neuen Lösungen. Das nützt aber alles nichts, wenn es auf finanziell wackligem Boden steht. Die Produktion von einfachen Solarzellen ist ein reines Economy-of-Scale-Ertragsgeschäft. Spätestens als hoch subventionierte chinesische Player auf dem Markt aufgetaucht sind, hätten die Alarmglocken läuten müssen. Die chinesische Regierung hat klare Vorgaben gemacht. Wir rollen den Weltmarkt mit zirka 20 Unternehmen auf. Da mussten dann sogar einige chinesische Anbieter die Segel streichen. In solch einem Marktumfeld alles auf eine Karte zu setzen ist falsch. Jetzt haben wir viele Anleger auf dem Markt, die leider nach dem Motto handeln: «Ein gebranntes Kind scheut das Feuer.» Ich kann mich da nur wiederholen: Legen Sie nicht alle Eier in einen Korb. Sie dürfen keine Klumpenrisiken eingehen. Nur sehr vermögende Kunden können es sich leisten, in Neugründungen von Unternehmen zu investieren.
Sie drücken bei Innovationen und neuen Businessmöglichkeiten sehr auf die Bremse?
Nein, aber Banking ist grundsätzlich kein innovatives Geschäft. Es geht vor allem um Finanzieren und Anlegen. Bei uns gibt es Grundprinzipien, an die wir uns halten müssen. Wichtige Innovationen sind bei uns selten. Der Bancomat gehört dazu wie auch gute Aktienfonds und gute Mikrofinanzfonds. Die Grundprinzipien müssen auch bei der Transformation zur Digitalisierung mitberücksichtigt werden.
Sie werden aber bei jungen Kundinnen und Kunden nur überzeugen, wenn Sie beispielsweise Ihre Kommunikationslösungen einsetzen.
Richtig. Dies hat jedoch mit dem Inhalt der Anlage nichts zu tun.
Kommen wir nochmals zurück zum Wettbewerb in Ihrer Branche. Ihre strategischen Prüfverfahren kosten
mehr Zeit und mehr Geld. Zudem ächzt die Branche gerade unter neuen regulatorischen Auflagen. Eigentlich müssten die Angebote Ihres Hauses schlicht teurer sein. Ist das so, und wie drücken Sie diese zusätzlichen Kosten nieder?
Unsere Gebühren sind absolut kompetitiv. Ich habe mit meinen Geschäftspartnern von Anfang an entschieden, keine Boni zu bezahlen. Das betrifft auch uns selbst. Wir bezahlen nur gute, fixe und marktgerechte Saläre. Das hat zur Folge, dass wir Transaktionen nur vornehmen, wenn sie wirklich notwendig sind. Damit haben wir auch Interessenkonflikte ausgeschaltet. Das hilft sicher auch unserer Performance. Die Obligationen kaufen wir meistens auf Verfall. Man findet bei uns keinen Obligationenfonds. Aktien verkaufen wir bei Übertreibungen nach oben wie nach unten. Dadurch minimieren wir Gebühren. Im aktuellen Tiefzinsumfeld ist das auch eine zentrale Voraussetzung.
Es gibt aber auch Beispiele in der Schweiz, wo hohe Boni und nachhaltige Anlageprodukte, jedenfalls eine gewisse Zeit, unter einem Dach Platz haben. Die Bank Sarasin, heute J. Safra Sarasin, ist Pionierin bei nachhaltigen Anlagemöglichkeiten. Gleichzeitig ist man in einem Markt tätig, bei dem steueroptimierte Fonds mit verdammt hohen Renditemöglichkeiten angeboten werden, die haarscharf am geltenden Recht angesiedelt sind oder sogar darüber hinausschiessen. Was lief da aus Ihrer Sicht schief?
Wir müssen uns hier die Führungsqualitäten anschauen. Wenn Sie den Mitarbeitern sehr hohe Ziele vorgeben, in Kombination mit einem Bonussystem, mit sehr hohen Anreizen, dann fördern Sie eine ungesunde Kultur. Ich habe bereits im Banking gearbeitet, als es bei gutem Geschäftsgang nur eine Zusatzgratifikation, sprich ein 13. Monatsgehalt, gab. Dann kamen über die Optionen die Hebel auch im Bonibereich. Wir achten bei den Unternehmen sehr genau auf die Entlöhnung und analysieren auch das betreffende System. Das habe ich vorher vergessen zu erwähnen. Selbst wenn das Unternehmen einen noch so schönen Nachhaltigkeitsbericht auf Ökopapier mit schönen Fotos von Wäldern, aufgehenden Sonnen und Wasserfällen vorweisen kann, ist das für uns nur ein Punkt. Wenn die Lohnstruktur auf kurzfristiges Denken ausgelegt ist, investieren wir nicht. Das ist bei Sarasin in Teilen so gewesen. Auf der einen Seite war die Bank Sarasin eine der ersten Banken, die vor 20 Jahren ein ausgezeichnetes Nachhaltigkeitsteam aufgebaut hat. Auf der anderen Seite hatten sie Leute in ihrem Haus, die den Blick fest auf die Wahnsinnsboni gerichtet haben. Da besteht ein Risiko.
Ihre Branche steht aber nicht nur wegen Reputationsproblemen unter Druck. Es gibt Studien, die sehen in der Schweiz ein Bankensterben kommen. Gerade kleinere Akteure sollen in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden. Wie beurteilen Sie die Situation, und wo sehen Sie mittelfristig Ihr Haus aufgestellt?
Wir sind in der Schweiz schlicht overbanked. Der Kuchen ist verteilt. Sie müssen etwas Spezielles anbieten. Und das tun wir mit unserem Nachhaltigkeitsansatz. Das Geldgeschäft wird es weiterhin geben und auch finanziell solide Banken, welche auf professionelle und faire Weise Lösungen für Finanzieren, Zahlen und Anlegen anbieten. Die Kommunikationsmöglichkeiten nehmen zu. Neben virtuellen Lösungen werden die Kunden für gewisse Geschäfte auch weiterhin ein Beratungsgespräch brauchen.