Diese neuen Gesetze sollten KMU im Auge behalten Am 1. Januar 2022 sind zahlreiche gesetzliche Neuerungen in Kraft getreten. Wir zeigen die drei wichtigsten Änderungen, und wie auch kleine Unternehmen rechtzeitig an die nötigen rechtlichen Informationen gelangen.
Am 1. Januar 2022 sind zahlreiche gesetzliche Neuerungen in Kraft getreten. Wir zeigen die drei wichtigsten Änderungen, und wie auch kleine Unternehmen rechtzeitig an die nötigen rechtlichen Informationen gelangen.
Die Spannung war gross, als Ende November 2020 über die Konzernverantwortungsinitiative abgestimmt wurde. Sollten Schweizer Firmen Massnahmen zur Vermeidung von Menschenrechts- und Umweltverletzungen verbindlich in sämtliche Geschäftsabläufe einbauen und dafür haftbar gemacht werden? Das Resultat war denkbar knapp, die Abstimmung erreichte zwar ein Volksmehr, scheiterte aber am Ständemehr. Mit dem Nein zur Initiative war das Anliegen aber nicht ad acta gelegt. Leicht konnte vergessen gehen, dass damit der vom Parlament verabschiedete indirekte Gegenvorschlag zum Zug kam, der die Unternehmen ebenfalls in die Pflicht nimmt. Seit Anfang Januar 2022 ist dieser nun in Kraft.
Zum Jahresbeginn werden oftmals zahlreiche neue Gesetze rechtsverbindlich, die auch für KMU von Bedeutung sind. Darüber einen vollständigen Überblick zu bewahren, ist nicht immer einfach. Umso zentraler ist es, dass man 2022 diese drei Neuerungen kennt und weiss, wo man zukünftig weitere Informationen erhalten kann.
Konzernverantwortung: Einfuhr- und Bearbeitungsmenge ist entscheidend
Zu den wichtigsten Gesetzesänderungen per 1. Januar 2022 zählt der eingangs erwähnte Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Dieser sieht für Schweizer KMU eine jährliche Berichterstattungspflicht über nicht finanzielle Belange in unterschiedlichen Bereichen vor. «Während bei den Sorgfalts- und Berichtserstattungspflichten im Bereich Kinderarbeit eine KMU-Ausnahme gilt, werden die Pflichten im Bereich Mineralien und Metallen abhängig von der Einfuhr- und Bearbeitungsmenge, aber unabhängig der Unternehmensgrösse angewandt», erklärt Michael Tschudin, Rechtsanwalt und Partner bei Wenger Vieli. Im Fokus stehen Gesellschaften des öffentlichen Interesses wie Banken und Versicherungen, aber auch Publikumsgesellschaften mit 500 Vollzeitstellen sowie einer Bilanzsumme von mindestens 20 Millionen Franken und einem Umsatz von mindestens 40 Millionen Franken. Als Publikumsgesellschaften gelten börsenkotierte Unternehmen, Firmen mit ausstehenden Anleihen oder Betriebe, die mindestens 20 Prozent der Aktiven oder des Umsatzes zur Konzernrechnung einer der vorgenannten Gesellschaften beitragen. Eine Verletzung der Vorschriften betreffend die nichtfinanzielle Berichterstattung gilt als Offizialdelikt. Wer die Berichterstattung unterlässt, in den Berichten falsche Angaben macht oder der gesetzlichen Pflicht zur Aufbewahrung und Dokumentation nicht nachkommt, dem drohen Bussen von bis zu 100 000 Franken.
Relative Marktmacht reicht für Missbrauchskontrolle
Noch mehr KMU dürften von der zweiten wichtigen gesetzlichen Neuerung im laufenden Jahr betroffen sein: Der Einführung des Konzepts der relativen Marktmacht im Rahmen des Kartellgesetzes. Mit der Ausdehnung der Aufsicht auf relativ marktmächtige Unternehmen fallen viele Firmen zusätzlich unter die Missbrauchskontrolle. «Neu wird auch das Verhalten von relativ marktmächtigen Unternehmen kartellrechtliche kontrolliert», sagt Tschudin. Damit dürfe es zu keiner Diskriminierung von abhängigen Kunden und Lieferanten mehr kommen, auch wenn ein Unternehmen nicht marktbeherrschend sei, aber in Bezug auf einzelne Vertragspartner eine Abhängigkeit bestehe. «Dies bietet für KMU auf der anderen Seite auch Chancen: Grundsätzlich können Schweizer Firmen nun von relativ marktmächtigen Unternehmen verlangen, Waren und Dienstleistungen zu den im Ausland geltenden Preisen und Konditionen zu beziehen», so der Rechtsanwalt von Wenger Vieli.
Eine weitere, KMU-relevante Neuerung betrifft schliesslich das Versicherungsvertragsgesetz. Hier treten verschiedene Anpassungen sowie Verbesserungen für Kundinnen und Kunden in Kraft. «So wird beispielsweise neu für Versicherungsverträge ein Widerrufsrecht von 14 Tagen eingeführt, und auch Verträge mit langer Laufzeit können nach drei Jahren beendet werden», erklärt Michael Tschudin. Zudem werde das Gesetz an die heutigen Anforderungen des elektronischen Geschäftsverkehrs angepasst.
Von diesen drei Neuerungen, die seit 1. Januar 2022 rechtsgültig sind, dürften eine Vielzahl von KMU in der Schweiz in irgendeiner Form betroffen sein. Über weitere, spezifischere Gesetzesanpassungen, die nur für einzelne Betriebe von Bedeutung sind, können unter anderem die Branchenverbände den Betroffenen Auskünfte erteilen. In der Regel halten sie ihre Mitglieder über relevante Neuerungen auf dem Laufenden. Weitere Informationsquellen sind Newsletter oder persönliche Informationen von Beratern und Anwälten sowie die Tagespresse.
Compliance als Wettbewerbsvorteil – auch für KMU
Doch was geschieht, wenn ein Unternehmen eine relevante Änderung verpasst und seine Prozesse noch nicht den entsprechenden Regelungen angepasst hat? «Hier müsste man abklären, ob ein Compliance-Risiko besteht und mögliche Strafen anfallen», sagt Tschudin. Damit es schon gar nicht soweit kommt, empfiehlt er KMU deshalb, die Einhaltung von Rechtsbestimmungen (Compliance) strategisch zu handhaben. «Wir sehen in der Praxis häufig, wie vorbildlich die AHV-Abrechnung vorgenommen wird und gleichzeitig Risiken mit potenziell höheren finanziellen Folgen nicht erkannt werden», gibt er zu bedenken. Weiter müssten die Risiken aktiv verwaltet, also ein entsprechendes Risikomanagement eingeführt werden. Denn Gesetzesänderungen können durchaus auch positive Folgen haben. «Rechtliche Risiken können – wenn optimal angepackt – häufig in Chancen verwandelt werden», weiss der Rechtsanwalt von Wenger Vieli. Eine ausgereifte Compliance könne daher ein Wettbewerbsvorteil sein und Zutrittsschranken für die Konkurrenz bedeuten.
Die Relevanz einer solchen Compliance- und Risikomanagement-Funktion hängt von der Grösse der Firma und ihren geschäftlichen Aktivitäten ab. Dabei können einfache und kostengünstige Rechtsauskünfte für kleine Unternehmen oftmals bei Verbänden oder Anwaltskanzleien eingeholt werden. Ab wann professionelle Unterstützung in Rechtsfragen nötig ist, lässt sich dagegen nicht allgemein beantworten. Grundsätzlich gilt: «Jedes KMU sollte einen Ansprechpartner für juristische Themen haben», sagt Tschudin. Zum einen könne ein solcher Ansprechpartner mit breiter wirtschaftsrechtlicher Expertise relevante Rechtsentwicklungen früh auf den Tisch bringen. «Zum anderen hilft eine bestehende Beziehung zu einer Kanzlei mit einem breiten Expertenteam für den Fall, dass ein Rechtsverstoss festgestellt wird und dieser möglichst rasch und effizient aufgearbeitet werden kann.»