Wenn am Donnerstag schon Freitag ist: Wieso viele US-Firmen zur Viertagewoche wechseln 32 statt 40 Stunden arbeiten: Zahlreiche amerikanische Tech-Firmen führen zurzeit die Viertagewoche ein – bei gleichbleibendem Lohn. Damit einher gehen auch überraschende Probleme.
32 statt 40 Stunden arbeiten: Zahlreiche amerikanische Tech-Firmen führen zurzeit die Viertagewoche ein – bei gleichbleibendem Lohn. Damit einher gehen auch überraschende Probleme.
Die Idee aus dem kalifornischen Parlament sorgte jüngst für Schlagzeilen im ganzen Land: Angestellte in Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern sollten 32 statt 40 Stunden arbeiten müssen – bei gleichem Lohn. Wer auf Stundenbasis bezahlt werde, so der Gesetzesentwurf, solle künftig schon ab der 33. Stunde Überstunden abrechnen können, also den eineinhalbfachen Stundensatz.
Kalifornien ist die fünftgrösste Volkswirtschaft der Welt – und als solche müsse sie den Weg in die Zukunft weisen, findet die demokratische Abgeordnete Cristina Garcia, eine der Initiatoren der Vorlage. Die Pandemie und die derzeitigen Engpässe am Arbeitsmarkt zeigten, dass sich die Work-Life-Balance für Arbeitnehmer dringend verbessern müsse.
Tatsächlich herrscht ein Mangel an Arbeitswilligen im Land. Laut der Arbeitsmarktstatistik gaben im vergangenen Jahr mehr als 47 Millionen Amerikaner freiwillig ihre Stelle auf. Auch in Kalifornien hängen überall an Geschäften «Help wanted»-Poster. Die Viertagewoche, so die Überlegung, solle Arbeitnehmer zurück ins Berufsleben locken.
Von dem neuen kalifornischen Gesetz wären knapp 3,6 Millionen Arbeitskräfte und 2600 Firmen betroffen – Technologiekonzerne wie Salesforce und Apple ebenso wie die Tesla-Fabrik oder grosse Spitäler. Die kalifornische Handelskammer sprach von einem «job killer». Der Ökonom Nicholas Bloom von der Stanford University nennt die Vorlage «furchterregend».
Sollte Kalifornien tatsächlich das Gesetz verabschieden, würden Unternehmen keine neuen Mitarbeiter mehr einstellen, Arbeitnehmer entlassen und die nächsten fünf Jahre auf Lohnerhöhungen verzichten, sagte Bloom.
Zudem ist zu erwarten, dass zahlreiche Firmen wohl in die Nachbarstaaten Oregon und Nevada abwandern würden. Auch das Meinungsressort des «Wall Street Journal» spöttelte jüngst: «Glauben die Demokraten tatsächlich, dass Arbeiter bei Tesla ebenso viele Autos in 32 Stunden wie in 40 Stunden zusammenbauen können?»
«Nicht vier Tage, sondern fünf Tage sind verrückt»
So etwa das in San Francisco ansässige Software-Startup Bolt, das mit einer Bewertung von 11 Milliarden Dollar als «Einhorn» gilt. «Die Idee klingt nur verrückt gemessen an unseren gesellschaftlichen Normen», sagt der Gründer und CEO Ryan Breslow. Dabei sei die Viertagewoche völlig sinnvoll: «Ich finde fünf Tage verrückt.» Die Kritik kam bei den Abgeordneten an. Das kalifornische Parlament hat die Vorlage gerade bis auf weiteres aufgeschoben – doch die Idee der Viertagewoche ist nicht vom Tisch. Im Gegenteil: Zahlreiche Unternehmen schwenken derzeit freiwillig auf eine 32-Stunden-Woche um oder erwägen entsprechende Pilotversuche, immer bei gleichbleibendem Lohn für die Angestellten.
Bolt gab seinen Angestellten 2021 zunächst einzelne Freitage als «Wellness-Tage» frei, damit sie mit den Folgen der Pandemie besser klarkommen. Das kam bei der Belegschaft derart gut an, dass das Startup inzwischen ganz zu vier Tagen übergegangen ist. «Wir versuchen nicht, fünf Tage in vier zu pressen», sagt Jennifer Christie, die bei Bolt als «Chief People Officer» für Personalthemen zuständig ist. Es gehe vielmehr darum, grundsätzlich die Art des Arbeitens für die 600 Angestellten zu überdenken.
Die Mitarbeiter müssten «nicht gemütlich wie Kühe grasen», sagte der 27-jährige CEO Breslow jüngst in einem Interview, «sondern wie ein Löwe mit hoher Energie jagen». In dem Versuch, effizienter zu arbeiten, hätten viele Bolt-Angestellte mehr E-Mails verschickt und gemeinschaftlich an Dokumenten gearbeitet, statt Besprechungen abzuhalten. «Man wird klüger darin, wie man arbeitet und wie man Kontakte pflegt», sagt Breslow.
Auch die Software-Firma Buffer führte die verkürzte Arbeitswoche bei gleichem Lohn im Mai 2020 ein – zunächst nur für einen Monat, um den Mitarbeitern in der Pandemie etwas Gutes zu tun. Man habe mit einem spürbaren Rückgang an Produktivität gerechnet, heisst es auf dem Firmenblog. Doch das Gegenteil war der Fall: 84 Prozent der Mitarbeiter schafften es gemäss internen Umfragen, ihre Arbeit an vier Tagen zu erledigen, und mehr als 90 Prozent der Angestellten seien glücklicher und produktiver. Inzwischen ist die Viertagewoche auch bei Buffer die neue Normalität. Freitags gibt es keine Besprechungen und keine Kommunikation über E-Mail oder Firmenchats.
Die 40-Stunden-Woche gibt es seit 80 Jahren
Anderenorts wurde ebenfalls bereits mit der Viertagewoche experimentiert. Island etwa lancierte einen Pilotversuch, der international für Aufsehen sorgte. Auch in Spanien und Neuseeland testeten Firmen die verkürzte Arbeitswoche. Belgien deklarierte jüngst ein «right to disconnect» für seine Beamten und verkürzte die Arbeitswoche auf vier Tage.
Doch in den USA war das lange undenkbar. Der «Nine to five»-Job ist seit Jahrzehnten eine tragende Säule des hiesigen Arbeitslebens. Dabei wirkte selbst die 40-Stunden-Woche einst revolutionär: Im Zeitalter der Industrialisierung schufteten Amerikas Arbeiter oft 100 oder 120 Stunden pro Woche. Im Jahr 1869 führte der Präsident Ulysses S. Grant dann zunächst den 8-Stunden-Tag für Regierungsangestellte ein; der Unternehmer Henry Ford zog einige Jahre später in seinen Fabriken nach. Ford hatte festgestellt, dass ein längerer Arbeitstag nur zu geringfügig mehr Produktivität führte. Bis der Kongress die 40-Stunden-Woche landesweit festlegte, dauerte es aber noch bis 1940.