Überraschender Kurswechsel: Parmelin liebäugelt mit Staatsfonds zur Finanzierung von Jungfirmen Wirtschaftsminister Guy Parmelin will dem Bundesrat die Lancierung eines staatlichen Innovationsfonds zur Förderung von Jungunternehmen beantragen. Eines der Kernargumente dafür: Viele andere Länder täten das Gleiche.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin will dem Bundesrat die Lancierung eines staatlichen Innovationsfonds zur Förderung von Jungunternehmen beantragen. Eines der Kernargumente dafür: Viele andere Länder täten das Gleiche.
Die Wohlstandsinsel Schweiz ist kein Naturgesetz. Eine Hauptquelle des Wohlstands von morgen ist die Innovation von heute. Innovation und Jungfirmen zählen deshalb zu den positiv besetzten Begriffen auf der Bundesberner Politbühne. Was der Staat für die Innovationsförderung tun soll, ist aber umstritten.
Zur Diskussion steht seit längerem die Idee eines Staatsfonds zur Finanzierung innovativer Jungfirmen. Diverse andere europäische Länder haben einen solchen Fonds, und auf EU-Ebene spielt der Europäische Investitionsfonds eine wesentliche Rolle. Dieses Frühjahr hatten an einer Fachtagung diverse Exponenten der Jungunternehmer- und Risikokapitalszene die Schaffung eines schweizerischen Staatsfonds für Startup-Finanzierungen gefordert. Ein oft gehörtes Argument dafür: Innovative Jungfirmen auf Kapitalsuche fänden zwar heutzutage die erste Million relativ rasch, doch bei zehn oder zwanzig Millionen Franken für die spätere Ausbauphase werde es oft schwierig.
Der Bundesrat hatte in der Vergangenheit die Idee eines staatlichen Innovationsfonds abgelehnt – vor allem weil kein Versagen des Marktes für privates Risikokapital sichtbar sei. Im vergangenen Jahr hat die Regierung einen Bericht des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation diskutiert und dabei beschlossen, die Vor- und Nachteile eines staatlichen Innovationsfonds umfassend zu prüfen. Ein Richtungsentscheid des Bundesrats für oder gegen einen solchen Fonds ist für Ende Juni zu erwarten.
Kein Marktversagen geortet
Im Wirtschaftsdepartement gab es im Vergleich zu früheren Diskussionen ein Umdenken. Der Entwurf des geplanten Aussprachepapiers von Wirtschaftsminister Guy Parmelin zuhanden des Bundesrats diskutiert drei Varianten. Variante 1 ist der Verzicht auf einen Staatsfonds mangels Anzeichen für Finanzierungslücken von Jungfirmen. Parmelin will Variante 2 beantragen: die Schaffung eines branchenneutralen Innovationsfonds für die Finanzierung von Jungfirmen vor allem während der Ausbauphase. Variante 3 enthält die Schaffung eines Klimafonds, der sich auf die Finanzierung von Projekten zur Senkung des CO2-Ausstosses beschränkt.
Parmelins Antrag mag erstaunen. Eine vom Bund bestellte externe Analyse des Basler Instituts für Wirtschaftsstudien kam laut dem Papier des Wirtschaftsdepartements zum Schluss, «dass kein Marktversagen im Bereich der Startup-Finanzierung und damit aus ökonomischer Perspektive keine Notwendigkeit für einen Markteingriff besteht». Diese Analyse bestätigte damit frühere Befunde. Dennoch scheint das Wirtschaftsdepartement zu denken, dass es in der Schweiz «zu wenig» Risikokapital für Jungfirmen gibt und der Staat daran etwas ändern soll.
Schweiz im Mittelfeld
Die Schweiz ist keine Risikokapitalwüste. Gemäss dem neusten «Swiss Venture Capital Report» flossen 2021 gut 3 Milliarden Franken in innovative Jungfirmen; seit 2012 hat sich die Investitionssumme der erfassten Projekte etwa versiebenfacht. Im internationalen Vergleich liegt aber die Investitionssumme in der Schweiz gemessen an der Grösse der Gesamtwirtschaft nur im Mittelfeld; dies ist für ein kapitalstarkes Land, das einen wirtschaftlichen Spitzenplatz verteidigen will, eher bescheiden. Das Wirtschaftsdepartement nennt einen langfristigen Zielwert der Risikokapitalinvestitionen von jährlich 1 bis 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Von November 2020 bis Oktober 2021 waren es laut dem Bundespapier 0,4 Prozent; Spitzenreiter Israel brachte es auf über 2 Prozent.
Doch ist mehr zwingend besser? Und vor allem: Weshalb gibt es denn nicht mehr private Investitionen in hiesige Jungfirmen, wenn solche Projekte tatsächlich so vielversprechend sind und an den privaten Kapitalmärkten kein Marktversagen sichtbar ist? Sind die Privatinvestoren viel dümmer als der Staat? Eine schlüssige ökonomische Analyse zu solchen und ähnlichen Fragen ist im Papier des Wirtschaftsdepartements nicht ersichtlich. Gemäss dem Papier scheinen vor allem zwei Argumente für einen staatlichen Fonds zu sprechen. Erstens: Die Schweiz verliert wegen des befürchteten Ausschlusses aus europäischen Förderprogrammen und wegen der geplanten globalen Mindestbesteuerung für Grossfirmen Standortvorteile – deshalb braucht es eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Zweitens: Viele andere Länder und die EU haben auch einen staatlichen Innovationsfonds.
Parallele zum Doping-Problem
Das zweitgenannte Argument nach dem Motto «die anderen tun es auch» erinnert an das Doping-Problem im Rad-Spitzensport. Aus Sicht des Einzelsportlers sieht dieses etwa wie folgt aus: «Meine Konkurrenten nehmen Doping, also muss ich auch nehmen, da ich sonst keine Chance habe.» Inwieweit die Schweiz im internationalen Wettbewerb mit Subventions-Doping mitmachen will, ist die Frage. Eine Forschergruppe der US-Universitäten Harvard und Yale hat die Wirkungen staatlicher Innovationsfinanzierungen untersucht. Die Gruppe erfasste weltweit über 750 Programme von 1995 bis 2019. Die 2021 publizierte Studie lässt mutmassen, dass Staatsprogramme unter gewissen Umständen die Innovation steigern und auch zu höheren Privatinvestitionen beitragen können. Auch in der Schweiz hoffen Befürworter auf «Leuchtturm-Effekte» eines Staatsfonds, der Zusatzinvestitionen von privaten Fonds und Pensionskassen auslösen könne.
Wie ein solcher Fonds ausgestaltet wäre, ist noch unklar. Als mögliche Vorbilder ortete das Wirtschaftsdepartement die Staatsfonds in den Niederlanden und Belgien; dies namentlich in Sachen Dachfonds-Konzept (Investitionen in andere Risikokapitalfonds statt Direktanlagen) und Beschränkung auf Minderheitsbeteiligungen. Summen sind im Papier nicht genannt. Dem Vernehmen nach sollte ein Staatsfonds mittelfristig wohl eine Milliardengrösse erreichen, um eine gewisse Wirkung zu haben. Doch wie wäre dies zu finanzieren? Zu den genannten Stichworten zählen die Verwendung von Zusatzeinnahmen aus der kommenden Steuererhöhung für Grossfirmen und sogar die Idee einer «Sonderausschüttung» der Nationalbank. Das kann noch heiter werden.
Doch ob der Wirtschaftsminister am Ende mit seinem bevorzugten Antrag zugunsten eines Innovationsfonds in den Bundesrat geht und dieser Antrag dann auch mehrheitsfähig wäre, ist noch unklar. In der bundesinternen Konsultation hat das Aussprachepapier dem Vernehmen nach zum Teil erhebliche Zweifel ausgelöst.
Die andere Staatsfonds-Idee
Nicht zu verwechseln ist die erwähnte Diskussion mit einem parlamentarischen Vorstoss, der in der angelaufenen Juni-Session in den Ständerat kommt. Der Walliser Mitte-Ständerat Beat Rieder fordert in einer Motion die Schaffung eines Staatsfonds durch Auslagerung eines Teils der Währungsreserven der Nationalbank. Dabei geht es nicht um die Förderung von Schweizer Jungunternehmen, sondern um eine «bessere» Anlage von Staatsgeldern. Die hohen Fremdwährungsreserven der Nationalbank sind ein Ergebnis der Wechselkurspolitik: Die Notenbank kaufte Fremdwährungspapiere im grossen Stil, um den Kursanstieg des Frankens zu bremsen. Diese Gelder könnten also nicht in der Schweiz investiert werden, wenn sie nicht den Franken stärken und damit nicht die Wechselkurspolitik unterlaufen sollen. Der Bundesrat lehnt Rieders Vorstoss klar ab.