«Absolut cool»: Die Startup-Szene wünscht sich die Credit Suisse zurück Planted, Viu und viele andere Schweizer Jungunternehmen haben von der CS Kapital erhalten. Ihr Verschwinden reisst im Markt eine Lücke auf.

Planted, Viu und viele andere Schweizer Jungunternehmen haben von der CS Kapital erhalten. Ihr Verschwinden reisst im Markt eine Lücke auf.

 

Planted hat sich seine Fabrik mit Geld von der CS fremdfinanziert. Bild: Pascale Weber / Planted

Bussen, Fehlinvestitionen und Abschreiber in Milliardenhöhe – im internationalen Banking leistete sich die Credit Suisse Fehler um Fehler. In der Schweiz allerdings positionierte sie sich als grundsolide Bank für Unternehmer. Und wird als solche bereits schmerzlich vermisst.

Besonders in der Startup-Szene. Die Liste der Investments, welche die CS in Schweizer Jungunternehmen tätigte, ist lang. Viele dieser Firmen sind heute erfolgreich am Markt. Zum Beispiel der aus der ETH hervorgegangene Fleischersatz-Hersteller Planted.

Er baute im zürcherischen Kemptthal seine Fabrik mit Fremdkapital der Credit Suisse. «Die Zusammenarbeit haben wir als sehr positiv erlebt. Die CS war immer sehr engagiert und unkompliziert», sagt Christoph Jenny, Mitgründer und Geschäftsleitungsmitglied von Planted. Ganz unabhängig davon, was bei der CS auf globaler Ebene gelaufen sei, habe sie in der Schweiz ihr Versprechen, eine Unternehmerbank zu sein, eingelöst.

«Die CS hat nicht nur einzelne Unternehmen finanziert, sondern die Startup-Kultur in der Schweiz als Ganzes gefördert», sagt Michele Blasucci, Gründer der Plattform Startups.ch. Es seien teilweise Kleinbeträge gewesen – etwa in Form von günstigen Firmengründungen. Doch das habe viel bewirkt, sagt Blasucci. «Für die Startup-Szene in der Schweiz ist dieser Untergang ein herber Verlust.» Schweizweit sei die CS wohl die Nummer 1 in dem Bereich gewesen.

Auch im Silicon Valley

Die CS hatte verschiedene Instrumente, um aufstrebende Firmen zu fördern: Auf Startups zugeschnittene Bankkonti, Fonds und sonstige Beteiligungen. Sie hat unter anderem ein Format eingerichtet, bei dem Jungunternehmer ihre Idee vorstellen konnten – ähnlich der Fernsehsendung «Höhle der Löwen».

Sie hat aber auch strategisch investiert. Noch Mitte Februar beteiligte sich die Credit Suisse an Taurus, einer Genfer Firma mit Spezialisierung auf digitale Vermögenswerte. Der Deal erregte Aufsehen, weil er Taurus 65 Mio. Fr. einbrachte. Die CS führte die Finanzierungsrunde an und erhoffte sich dadurch eine führende Rolle im Bereich digitales Banking einzunehmen.

Mit ihrer Investmentfirma Credit Suisse Entrepreneur Capital AG stieg die einstige Grossbank vor drei Jahren beim Schweizer Optiker-Startup Viu ein. Dieses betreibt fast fünfzig Geschäfte in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Mit ihren investierten 3 Mio. Fr. war die CS zwar nur eine Kleinaktionärin. Aber: «Als Partner haben wir nur gute Erfahrungen mit ihnen gemacht. Sie haben sich immer gekümmert und waren absolut cool», sagt Kilian Wagner, Co-Gründer und CEO von Viu. Was jetzt mit dem Investment geschehe, wisse er nicht.

Den Ruf, eine Jungunternehmer-Bank zu sein, hat sich die Credit Suisse über Jahre aufgebaut. «Die CS war einer der Pioniere in der Unterstützung und Finanzierung der Schweizer Startup-Szene», sagt Thomas Knecht, ein Jungunternehmer-Doyen. Der Logistik-Unternehmer hat vor 25 Jahren den Startup-Wettbewerb Venture gegründet.

Die Credit Suisse war Partnerin der ersten Stunde und beteiligte sich 1999 mit 100 Mio. Fr. am Kapitalfonds Venture Incubator. «Sollten die CS-Aktivitäten völlig und ersatzlos entfallen, würde tatsächlich eine Lücke entstehen», sagt Knecht.

Und nicht nur in der Schweiz spielte die CS eine aktive Rolle bei der Startup-Finanzierung. Im Silicon Valley in Kalifornien schaute sich die Bank ebenfalls um. Gemäss der Datenbank Crunchbase hat die Bank in den letzten Jahren rund 3,4 Mrd. $ investiert. Vor allem in sogenannte Fintechs, also Techunternehmen mit Fokus auf die Finanzindustrie.

CS soll weiter existieren

Über mangelnde Unterstützung können sich Startups nicht beklagen. 2022 wurden sie in der Schweiz mit knapp 4 Mrd. Fr. unterstützt. Jedes Jahr erhalten sie mehr Geld.

«Im Gegensatz zu vor 25 Jahren hat sich in der Schweiz mittlerweile ein sehr aktives privates und teilweise auch öffentliches Ökosystem für Startups etabliert, mit verschiedenen Institutionen, Business Angels und weiteren Professionals», sagt der Förderer Thomas Knecht.

Dass die CS komplett verschwinden könnte, ist für die Jungunternehmer trotzdem eine schlechte Nachricht. Zwar haben sich auch andere Banken dem Grossziehen neuer, vielversprechender Firmen verschrieben. Im Raum Zürich ist die Zürcher Kantonalbank (ZKB) sehr aktiv. Und auch die UBS, welche die CS nun geschluckt hat, habe eine beachtliche Förderung aufgebaut, sagen Szenekenner. So war sie zum Beispiel Hauptansprechpartnerin in den frühen Jahren des Zürcher Sportartikel-Überfliegers On.

Mit der Aussicht, dass es mit der UBS nur noch eine grosse Bank im Land gibt, können sich die Jungunternehmer aber nicht anfreunden. «Aus Sicht der Szene wäre es aber wünschenswert, wenn zumindest das Schweizer Geschäft der Credit Suisse erhalten bliebe. Es ist für alle besser, wenn es zwei grosse Player gibt anstatt nur einen», sagt der Brillenunternehmer Kilian Wagner.

Das sieht auch Andri Silberschmidt, FDP-Nationalrat und selber Startup-Gründer, so. Die CS habe in der Szene einen hervorragenden Ruf. Sie sei vor allem für schnell wachsende, aufs Ausland fokussierte Unternehmen eine ideale Partnerin gewesen. Deshalb fände es auch Silberschmidt gut, wenn die CS Schweiz weiterexistieren würde. «Wir fordern, dass eine solche Abspaltung ernsthaft geprüft wird.»

Moritz Kaufmann, «NZZ am Sonntag»

Das könnte Sie auch interessieren: