Das nächste Schweizer Industriewunder Vor zwanzig Jahren am Rande der Pleite, nun ein Milliardenkonzern: Peter Spuhler und Barend Fruithof haben aus Aebi Schmidt ein Vorzeigeunternehmen gemacht. Nächster Schritt ist der Börsengang.
Vor zwanzig Jahren am Rande der Pleite, nun ein Milliardenkonzern: Peter Spuhler und Barend Fruithof haben aus Aebi Schmidt ein Vorzeigeunternehmen gemacht. Nächster Schritt ist der Börsengang.
Vor dem Haupteingang steht ein schwarzer Audi. Der Parkplatz ist mit einem Namensschild reserviert: Barend Fruithof. Einmal pro Woche verlässt er den Zürcher Konzernsitz und fährt in den Schwarzwald. An einem Flüsschen vor St. Blasien liegt das Werk von Aebi Schmidt. Fruithof, Chinos, On-Schuhe, wattiertes Gilet, kennt die Monteure, und sie kennen den Chef. Hier ein Händedruck, dort ein Gruss, man ist per Du. Wie geht’s? «Nicht so gut wie dir, aber okay», entgegnet ein bärtiger Arbeiter.
«Cool, nicht?», sagt Fruithof. An einer Produktionsstrasse montieren Arbeiter Tanks und Saugmotoren auf einen Renault-Lastwagen. Er wird bald die Landebahn eines Flughafens von Gummi und Dreck befreien. In der Abnahme wartet ein Truck, auf dem Anhänger eine riesige, schwenkbare Rolle. Sie wird Schnee und Eis vom Rollfeld des Flughafens Calgary putzen.
In einer zweiten Halle ist alles ein wenig kleiner. Am Anfang stehen verzinkte Stahlrahmen, am Schluss Strassenputzmaschinen mit Bürsten, Saugern und Schläuchen. Die grün-orange bemalten werden Mailand fegen. Bald soll jeden Tag eine Maschine die Produktion im Schwarzwald verlassen, vor kurzem waren es erst halb so viel.
«Cool, nicht?», fragt Fruithof nochmals. Die blauen Augen leuchten vor Stolz. Maschinenbau sei zwar nicht seine Domäne, dafür versteht er umso mehr von Zahlen und Prozessen. Fruithof ist der oberste Verkäufer. Mindestens eine Woche pro Monat ist er in den USA, wo Aebi Schmidt letztes Jahr den Truck- und Trailer-Ausrüster Monroe in Milwaukee übernahm. Dadurch hat sich der Umsatz mit 840 Mio. € fast verdoppelt. Die Aufträge überstiegen erstmals die Milliardengrenze. Das wird dieses Jahr auch bei den Verkäufen der Fall sein.
Bauer, Banker, Industrieller
Fruithof wuchs neben einem Bauernhof in Henggart im Zürcher Weinland auf. Jede freie Minute verbrachte er beim Nachbarn, er wollte selbst Bauer werden. Im ersten Lehrjahr mähte er die stotzigen Hügel bei Zimmerwald mit einem Aebi. Doch nach Abschluss der vierjährigen Lehre merkte er: Er kann sich noch so anstrengen, einen eigenen Hof wird er nie besitzen.
Deshalb ging er studieren und machte eine Managementausbildung. Als Finanzchef war Fruithof die rechte Hand von Pierin Vincenz bei der Raiffeisenbank, später leitete er das Firmenkundengeschäft der Credit Suisse, bei ihm liefen die Finanzströme der Schweizer Wirtschaft zusammen. Dann gab er noch ein Gastspiel bei Julius Bär, der Ausflug in die Hochfinanz war aber nur von kurzer Dauer.
2016 hatte Fruithof genug verdient, um einen eigenen Hof zu kaufen. Doch stattdessen wechselte er in die Industrie. Neun Monate nach seinem Aus bei Julius Bär heuerte ihn Peter Spuhler als Chef von Aebi Schmidt an.
Der Chef des Zugbauers Stadler Rail hatte elf Jahre zuvor den Burgdorfer Landmaschinenhersteller Aebi gekauft, mehr aus Mitleid als aus Kalkül, sagen Vertraute. Zudem habe es ihm als SVP-Politiker sicher nicht geschadet, Aebi vor der Pleite zu retten. Später übernahm er den deutschen Schneepflugbauer Schmidt.
Nur als Geldonkel, der Defizite deckt und auf bessere Zeiten hofft, wollte Spuhler aber nicht auftreten. Er skizzierte einen Wachstumsplan. Mit Aebi Schmidt wollte er das Bravourstück wiederholen, das er mit Stadler Rail hingelegt hatte: eine Firma ohne Geld und Zukunft zu einem Konzern aufbauen, der die Weltmärkte erobert. Bei Stadler Rail begann Spuhler 1989 mit 18 Mitarbeitern, beim Börsengang dreissig Jahre später hatte die Firma 8500 Mitarbeiter und einen Marktwert von 4,2 Mrd. Fr.
Gute Freunde, aber kein Kumpel-Management
Auch wenn die Dimensionen noch nicht dieselben sind: Aebi Schmidt soll das nächste Schweizer Industriewunder werden. Fruithof soll es realisieren. Er ist eine jüngere Version von Spuhler, die beiden sind nicht nur Brüder im Geiste, sondern auch im Auftritt und in ihren Vorlieben. Beide waren Sportler, Spuhler spielte Eishockey, Fruithof war Zehnkämpfer, beide haben unkonventionelle Biografien, beide sind Macher, risikofreudig und Genuss nicht abgeneigt. Dass sie sich auf einer Weinreise kennengelernt haben, sagt einiges.
«Natürlich sind wir Freunde», sagt Fruithof. «Aber Aebi Schmidt ist keine Kumpel-Firma und hat kein Kumpel-Management.» Spuhler ist zwar Präsident des Verwaltungsrates bei Aebi Schmidt und damit Fruithofs oberster Chef. Doch dem Gremium gehören zahlreiche unabhängige Mitglieder an. «Wir führen harte Diskussionen und ringen um die besten Lösungen, und die müssen nicht immer von mir kommen», sagt Fruithof.
Zehn Marken gehören heute zur Gruppe, alle treten unter dem gleichen Dach auf, sind aber trotzdem selbständig. Aebi Schmidt ist in 90 Ländern ein Spezialist für Putzen, Kehren, Schneiden, Fräsen, Fegen und Transportieren. In 14 Werken werden die Maschinen und Fahrzeuge zusammengebaut, ihr Einsatzbereich reicht vom Hochgebirge bis in die Metropolen. Die Schmidt Supra 4002 befreit derzeit die Gotthardpassstrasse vom Schnee, E-Swingo putzt Fuss- und Velowege in New York, Bauern mähen im steilen Gelände mit dem Aebi CC 150.
Mit dem Klimawandel schmilzt zwar ein Teil des Geschäfts weg, weil es weniger Schneepflüge und -fräsen braucht. Weil die Bedingungen aber immer extremer werden, steigen die Anforderungen an die Maschinen. Zudem verlangen die öffentlichen Auftraggeber – sie machen rund 60% aus – CO2-neutrale Lösungen. «Als Konzern können wir viel besser auf die Elektrifizierung reagieren», sagt Fruithof. Kleinen Firmen fehlten die Mittel für die Umstellung.
Jeden Morgen sieht Fruithof die Bestellungen und Verkäufe der europäischen Standorte auf dem Handy, am frühen Nachmittag erhält er die Zahlen aus den USA. Wenn es irgendwo harzt, eine Lieferung ausbleibt, sieht er das sofort. In St. Blasien braucht er dafür nicht einmal das Handy. Weil die Lieferung von Komponenten aus Italien stockt, können zehn Fahrzeuge nicht ausgeliefert werden. 16 Mio. Fr. Kapital stehen in den Hallen herum, sie müssten längst in den Büchern und Kassen sein. Das zehrt an der Liquidität und an Fruithofs Nerven. Sein ganzes Vermögen steckt in der Firma, er ist mit 6% beteiligt. Spuhler kontrolliert knapp zwei Drittel der Aktien.
Börsengang wäre die Krönung
Wie bei Stadler Rail wäre auch für Aebi Schmidt der Börsengang der Ritterschlag. Der Beweis, dass die Firma stark genug ist, um sich an den Finanzmärkten zu behaupten. «Der Börsengang ist zwar eine Option, aber wir sind noch lange nicht so weit», sagt Fruithof. Ein erster Test soll die Ausgabe einer Obligation sein.
Ex-Banker Fruithof ist der richtige Mann dafür, um Aebi Schmidt an die Börse zu bringen. Doch womöglich ist seine Vergangenheit auch ein Handicap. Der einstige Schweiz-Chef der Bank Bär wurde in einem internen Bericht der Bank genannt, der untersuchte, wer Informationen über Insiderdeals von Ex-Raiffeisen-Chef und Bär-Kunde Pierin Vincenz an einen Journalisten weitergeben hatte. Vincenz wurde in der Folge wegen Betrugs und weiterer Delikte erstinstanzlich verurteilt. Eine Strafuntersuchung wegen Bankgeheimnisverletzung ist noch im Gange.
Fruithof weist den Verdacht, daran beteiligt zu sein, entschieden zurück: «Ich habe keine Verletzung des Bankgeheimnisses begangen.» Von der Staatsanwaltschaft wurde er wie verschiedene weitere Personen als Auskunftsperson befragt. «Ich bin aber weder Beschuldigter, noch bin ich Teil des Verfahrens», sagt er. Zudem habe er ein gutes Verhältnis zum gefallenen Raiffeisen-Chef: «Vincenz war mein Förderer. Ich habe ihn zu meinem 50. Geburtstag eingeladen.»