Wie macht man aus einer kleinen Seilerei im Emmental eine Firma mit 50 Millionen Umsatz, Herr Jakob? Das Unternehmen Jakob Rope Systems verkauft seine Netze aus Stahlseilen für Bauprojekte in der ganzen Welt. Doch der Patron denkt bereits an die nächste Wachstumsgelegenheit: begrünte Fassaden und Innenstädte mit Pflanzendächern.
Das Unternehmen Jakob Rope Systems verkauft seine Netze aus Stahlseilen für Bauprojekte in der ganzen Welt. Doch der Patron denkt bereits an die nächste Wachstumsgelegenheit: begrünte Fassaden und Innenstädte mit Pflanzendächern.
Wer am Bahnhof von Trubschachen aus dem Zug steigt, steht fast schon auf dem Fabrikgelände von Kambly. Der Biskuit-Hersteller hat den Namen der Emmentaler Gemeinde bekannt gemacht. Doch ein paar hundert Meter die Dorfstrasse hinunter gibt es noch ein anderes Unternehmen, dessen Spezialitäten weltweit verkauft werden.
Zwar ist dessen Name, Jakob Rope Systems, hauptsächlich Architekten und Bauherren bekannt. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass hierzulande Konstruktionen aus Stahlseilen wie Geländer, Fassadeninstallationen oder Seilnetze, zum Beispiel im Zoo oder zur Suizidprävention an Brücken, von Jakob stammen, ist sehr hoch. Der Marktanteil liegt laut der Firma in der Schweiz bei über 80 Prozent.
Der mit einem Neubau erweiterte Firmensitz in Trubschachen zwischen dem Landgasthof Hirschen und alten Dorfhäusern zeugt von einem gesunden Selbstverständnis des Unternehmens, lässt gut laufende Geschäfte vermuten und ist gleichzeitig ein Bekenntnis zum Standort.
«Hier auf diesem Gelände hatte mein Grossvater eine Seilerei mit einem einzigen Angestellten», sagt Peter Jakob, der das Unternehmen in der dritten Generation führt. Sein Vater und sein Onkel wagten in den 1950er Jahren mit dem Kauf von Occasion-Maschinen, die heute noch in Betrieb sind, den Vorstoss in die Produktion von Stahlseilen. Daraus wurde ein KMU, wie es typisch ist für die Schweizer Firmenlandschaft: ein vom Inhaber geführter Hersteller von Nischenprodukten auch für den Export.
Niemandem Rechenschaft schuldig
Unterdessen erwirtschaftet die Firma mit weltweit 740 Angestellten einen Umsatz von 52 Millionen Franken. Wie macht man das? «Entscheidend ist: Ich muss niemandem gefallen. Es gibt keine Familienaktionäre oder Analytiker, die mitreden möchten», sagt Peter Jakob. Aber der Patron erhebt keinesfalls den Anspruch, immer alles schon gewusst oder richtig gemacht zu haben.
Der Vorstoss ins Geschäft mit den Architekturseilen, heute der mit Abstand wichtigste und margenstärkste Bereich, geht nicht auf einen Geistesblitz oder ein Schlüsselerlebnis des Chefs zurück. Es waren Kunden, die Ende der 1980er Jahre vermehrt solche Produkte nachgefragt haben, worauf man schrittweise in diesen Markt eingestiegen ist.
Heute zählen Jakob und der deutsche Konkurrent Carl Stahl, ein ehemaliger Kooperationspartner der Trubschachener, weltweit zu den wichtigsten Akteuren in dem Feld. Am Google-Hauptsitz in San Francisco sind ebenso Produkte von Jakob verbaut wie bei der weltgrössten Voliere im Mandai Bird Paradise in Singapur oder dem soeben neu eröffneten Vogelhaus im Zoo Basel.
Das ist Jakob wichtig: etwas richtig machen und sich nicht verzetteln. Andere Stahlseil-Anwendungen überlässt er den Mitbewerbern. Ausstattung für Seilbahnen, Aufzüge oder Netze gegen Steinschlag beispielsweise liefern in der Schweiz etwa die spezialisierten Tochterfirmen der Brugg Group.
Ausbau in Vietnam
Der grösste Teil der konfektionierten Seile, die Jakob anbietet, kauft das Unternehmen heute allerdings aus ausländischer Produktion von Drittfirmen zu, schneidet sie in Trubschachen zu und versieht sie mit Haken, Ösen und dergleichen. Beim Rundgang durch die Hallen trifft man auf Arbeiter, die auf langen Werkbänken Seile bündeln. Gerade wird eine Lieferung für ein Schweizer Bahnunternehmen bereitgestellt.
Die Netze werden an einem zweiten Standort in Vietnam zum Teil in Handarbeit gefertigt. Die Idee, gerade dort einen Ableger zu eröffnen, hatte Jakob bei einer Velotour in dem Land, wie er erzählt.
Dennoch legt der 67-Jährige Wert darauf, dass nach wie vor eine kleine Seilproduktion in der Schweiz bestehen bleibt, «obwohl sich das strikt betriebswirtschaftlich nicht rechnen würde», sagt der Firmenchef. Denn so bleiben die Seilerei-Fachkenntnisse erhalten, auch weil weiterhin Seiler ausgebildet werden. Und man ist flexibel für kleinere, kurzfristige inländische Aufträge oder für Pilotprojekte.
Ergänzung mit Habegger-Seilzügen
Eine Gelegenheit zur Erweiterung der Produktepalette hingegen bot die Übernahme der Traditionsfirma Habegger in Thun. Von dort stammt der Bereich Seilzüge von Jakob. Diese hand- oder auch motorbetriebenen Geräte, mit denen man zum Beispiel ein Zirkuszelt auf- oder eine Seilbahn abspannen kann oder die beim Baumfällen zum Einsatz kommen, werden jetzt in Trubschachen gefertigt.
Dass der Standort mitten in einer Bilderbuch-Schweiz auch Nachteile haben kann, zeigt sich bei Jakob mit dem Wandel des Geschäftsmodells. Statt «Tagesgeschäft», also Verkauf und Lieferung auf Bestellung, sind die meisten Architekturaufträge Projektarbeit. Bei Brücken ist das Unternehmen je nachdem als Berater, Planer, Lieferant oder als Generalunternehmer tätig. All dies verlangt nach mehr Fachleuten im Büro, und diese Ingenieure oder Marketingspezialisten sind schwieriger ins Emmental zu locken als das Personal für die Werkhallen.
Guerilla-Vorschlag in Solothurn
Aber Peter Jakob, der die Firmenführung in Zukunft der nächsten Generation übergeben wird, lässt sich dadurch nicht entmutigen. Er sieht schon ein weiteres neues Geschäftsfeld, nämlich die Begrünung von Fassaden und Pflanzendächer für Innenstädte oder öffentliche Plätze wie den MFO-Park in Zürich Oerlikon.
Fast schon guerillamässig hat das Unternehmen einen Projektvorschlag für ein begrüntes Schattendach über den Roten Platz in Solothurn lanciert – mit irritierten Reaktionen der Stadtbehörden und positiven aus der Bevölkerung. Möglich, dass der Name Jakob Rope Systems auch in der breiteren Öffentlichkeit an Bekanntheit gewinnt.
Dieter Bachmann, Trubschachen, «Neue Zürcher Zeitung»
SEF – die Schweizer Wirtschaftskonferenz
dba. Am Swiss Economic Forum, das am 8. und 9. Juni in Interlaken über die Bühne geht, wird Peter Jakob mit weiteren Unternehmern zum Thema «Hidden Champions: aktuelle Herausforderungen für Schweizer KMU» diskutieren. Die Schweizer Wirtschaftskonferenz findet heuer zum 25. Mal statt. Es werden rund 1000 Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik erwartet.