«Ein rascher Exit für viel Geld ist die falsche Motivation von Startup-Gründern» Als Samy Liechti 1999 für den Verkauf von Sockenabos aufs Internet setzte, war das ziemlich exotisch. Doch die Erfahrung hat den Gründer von Blacksocks vieles darüber gelehrt, worauf es bei Jungfirmen ankommt.
Als Samy Liechti 1999 für den Verkauf von Sockenabos aufs Internet setzte, war das ziemlich exotisch. Doch die Erfahrung hat den Gründer von Blacksocks vieles darüber gelehrt, worauf es bei Jungfirmen ankommt.
Nach 24 Jahren ist auch für Samy Liechti der Moment für den Ausstieg gekommen. Der 54-Jährige hat sein Unternehmen Blacksocks kürzlich an die Ostschweizer Sockenfirma Jacob Rohner verkauft.
Liechti hat schon früh auf das Internet gesetzt und so die Entwicklung des Online-Kanals in der Schweiz von der Nische zur Normalität eng mitverfolgt. Als er den Entscheid für die Firmengründung fasste, war die Suchmaschine Google noch nicht online. Und Netflix war noch ein Verleih von DVDs.
Basis für den von ihm und seinem Mitgründer Marcel Roth aufgebauten Web-Shop war die Idee, Socken im Abonnement zu verkaufen. Die Zielgruppe: Männer, die weder Zeit noch Lust hatten, sich mit dem Sockenkauf zu beschäftigen, aber dennoch ständig Nachschub benötigten. Wer ein Sockenabo kaufte, bekam drei Mal im Jahr drei neue Paare geschickt, die Blacksocks in Italien herstellen liess.
Noch niemand kaufte übers Internet ein
Als Blacksocks 1999 online ging, hatte hierzulande gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung bereits etwas über das Internet gekauft. Auch beschränkte sich der Online-Handel mehrheitlich auf Tickets, Software und Bücher.
Heute hat die Website 40’000 aktive Kunden, also solche, die innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens einmal etwas eingekauft haben, das heisst ein Abo abgeschlossen oder eine Einzelbestellung gemacht haben. 85 Prozent sind Männer. In den besten Jahren waren es auch schon einmal 60’000 aktive Kunden.
60 Prozent der Verkäufe entfallen auf die Schweiz, der Rest hauptsächlich auf Deutschland, Österreich, Frankreich und die USA. Zu den Socken sind auch Unterhosen und T-Shirts dazugekommen.
Was Liechti in den Anfängen am Verkaufen übers Internet faszinierte: Es funktioniert asynchron. Heute eine Selbstverständlichkeit – damals eine Revolution. Der Kunde konnte rund um die Uhr bestellen, ohne dass das Personal auf der Seite des Verkäufers ständig im Einsatz sein musste. «Ganz im Gegensatz zu meinem früheren Job als Berater, als meine Agenda durch die Kunden diktiert wurde», sagt Liechti. Der Seeländer hat einst Marketingkampagnen für McDonald’s gemacht oder 1998 den Swisscom-Börsengang betreut.
Als zur Jahrtausendwende der Hype um das Internet seinen Höhepunkt erreichte und an der Börse die Dotcom-Blase platzte, hatte das auf Blacksocks zunächst keinen Einfluss. Weil die Gründer von Anfang an ohne fremdes Kapital gearbeitet hatten, gab es auch keine nervösen Investoren oder Banken zu beruhigen. «Wir waren in dieser Hinsicht sehr konservativ», sagt er.
Das ist etwas, was Liechti an vielen heutigen Jungfirmen kritisiert: Die Unternehmer denken viel zu früh, noch bevor sie ein funktionierendes Produkt haben, schon an den Ausstieg und ans Reichwerden. «Ein rascher Exit für viel Geld ist die falsche Motivation von Startup-Gründern.» Er selber konnte nach ungefähr vier Jahren seinen Lebensunterhalt mit Erträgen aus dem Sockengeschäft bestreiten. Für wie viel Geld er die Firma nun verkauft hat, wurde nicht bekannt.
Die Folgen der Dotcom-Krise
Möglicherweise habe die Ernüchterung über den Wertzerfall von Internetfirmen in der Krise damals Blacksocks sogar indirekt ein wenig geholfen, vermutet Liechti. Und zwar deshalb, weil andere Händler beim Ausbau des Online-Geschäfts etwas zurückhaltender geworden seien.
Ebenfalls ausgezahlt hat sich, dass die Firma immer schlank aufgestellt war. Heute sind es acht Mitarbeiter, Liechti inklusive. Neben der Herstellung ist auch die Logistik in der Hand von Drittfirmen. Für die Verpackung und den Versand wurde ein Unternehmen eingespannt, das bis dahin für einen Autoimporteur Prospekte verschickt hatte.
Ein Vorteil des Abomodells für den Händler ist, dass der Kunde gleich zu Beginn sämtliche Socken zahlt, diese aber erst in der Folge über den Verlauf des Jahres ausgeliefert werden müssen. Zudem weiss der Verkäufer dadurch ziemlich genau, wann er wie viele Paare braucht, und kann die Bestellung beim Lieferanten danach ausrichten, ohne ein grosses Lager bewirtschaften zu müssen.
Als Pionier war Liechti in den vergangenen Jahrzehnten für viele Schweizer Online-Shops eine Inspiration und ein Ratgeber. Aber auch bei ihm hat nicht immer alles geklappt.
Der Versuch, neben den schwarzen Socken für Geschäftsleute einen Kundenstamm für weisse Socken unter Ärzten aufzubauen, war ein Flop. Auch der Verkauf von Hemden über die Website hat sich nicht wirklich ausgezahlt.
Schlaue Socken
Die Smart Socks, die «wohl schlauste Socke der Welt» (Eigenwerbung), liessen sich bereits 2012 mit einem RFID-Chip, einem Sockensortiergerät und einer App für das Smartphone nach dem Waschen einfacher sortieren. Doch der Entwicklungsaufwand war beträchtlich, und der Erfolg hielt sich in Grenzen. Vielleicht war die Zeit noch nicht reif dafür.
Vielleicht warnt Liechti wegen solcher Erfahrungen Jungfirmen davor, vor lauter Detailbesessenheit das grosse Ganze aus dem Blick zu verlieren. Er beobachte bei Startups oft, dass sie stark «von irgendeinem technischen Feature, einem Gadget getrieben sind», aber der eigentlichen Frage, wo sie hinwollten und warum, zu wenig Beachtung schenkten.
Im Gegensatz zu anderen Online-Händlern hat Blacksocks die Pandemie deutlich zu spüren bekommen, weil das Sortiment stark auf eine Business-Kundschaft ausgerichtet ist. Diese sass plötzlich im Home-Office und brauchte weniger schwarze Socken. Diesen Effekt konnte die Firma mit Sneaker- und Freizeitsocken nur teilweise ausgleichen. Für die Käuferin Rohner hingegen sei das Segment mit Socken für den Büroalltag eine gute Ergänzung, sagt Liechti.