Die Jungunternehmerin, die aus Algen Bioplastik macht Jessica Farda konnte ihre Geschäftsidee umsetzen, ohne über technisches Know-how zu verfügen. Sie hat sich ihr Produkt an einer Fachhochschule entwickeln lassen.
Jessica Farda konnte ihre Geschäftsidee umsetzen, ohne über technisches Know-how zu verfügen. Sie hat sich ihr Produkt an einer Fachhochschule entwickeln lassen.
Plastikmüll, der im Meer treibt: Das ist ein besonders augenfälliges und deprimierendes Beispiel für den Schaden, den wir Menschen der Natur zufügen. Jessica Farda, eine 25-jährige Unternehmerin aus dem Aargau, hat sich entschlossen, das Plastikproblem nicht einfach hinzunehmen.
Sie geht sozusagen den umgekehrten Weg: Sie gewinnt Plastik aus dem Meer. Das von ihr und ihrem Geschäftspartner Stefan Grieder gegründete Unternehmen Noriware bietet ein alternatives Plastik-Verpackungsmaterial auf Basis von Algen an. Es lässt sich zu Hause kompostieren. Algen wachsen rasch, beanspruchen keine Landwirtschaftsflächen und absorbieren auch noch viel CO2.
Nun erhält Noriware einen Förderbetrag von 1,4 Millionen Franken von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse. Und das Magazin «Forbes» hat Jessica Farda, die CEO, gerade auf seine Liste «30 Under 30» gesetzt: die weltweit bekannteste Auszeichnung für junge Talente.
Somit konnte Farda in nur zweieinhalb Jahren seit der Ideenfindung bereits 2,7 Millionen Franken Kapital für ihr Unternehmen einwerben: Zu den ersten Geldgebern gehörte der Serienunternehmer Ertan Wittwer (u. a. Bestsmile, Better View, Care).
Was Investoren an Noriwares Technologie besonders attraktiv finden, ist, dass der algenbasierte Rohstoff auf existierenden Verpackungsmaschinen verarbeitet werden kann. Das vermindert die Kosten bei potenziellen Kunden stark.
Dazu kommt, dass Firmen derzeit einen besonders grossen Anreiz haben, konkrete Schritte wie eine Umstellung auf Bioplastik zu unternehmen: Sie stehen unter dem dringenden Verdacht des Greenwashings – irreführende Behauptungen betreffend der eigenen Umweltbilanz –, und verschiedene Behörden haben in den letzten Monaten klargemacht, dass sie dies nicht länger hinnehmen werden.
Farda sagt, das Interesse sei gross, doch sie kann erst wenige Namen von Kunden nennen, da sie an Geheimhaltungsklauseln gebunden ist. Eine Firma, welche die algenbasierten Plastikfolien von Noriware bereits verwendet, ist das kleine Schweizer Modelabel Lamarel.
Das Gründungskapital hat es dem Startup erlaubt, in Lupfig AG ein Labor auf 450 Quadratmetern aufzubauen. Dort arbeitet ein rasch wachsendes Team an der Weiterentwicklung des Kunststoffs. «Wir haben nun die siebte Person angestellt», sagt Farda, die eben erst ihre Masterarbeit an der Universität St. Gallen abgegeben hat.
Obwohl es sich um ein Jungunternehmen mit entsprechend unsicheren Aussichten handelt, hat Noriware im Gegensatz zu anderen Firmen keine Probleme, geeignete Spezialisten zu finden. Die Geschäftsidee begeistert.
Und Jessica Farda ist ein doppeltes Vorbild: Einerseits, weil sie als junge Frau eine Industriefirma gegründet hat. Anderseits, weil sie demonstriert, dass es möglich ist, eine unternehmerische Idee in die Tat umzusetzen, ohne über eigenes technisches Know-how zu verfügen.
Farda ist bloss 22 Jahre alt, als sie an einem Karibikstrand in Mexiko eine Algenschwemme erlebt. Danach entwickelt sie eine Art Obsession für den übelriechenden Rohstoff. Sie experimentiert sogar in der Küche ihrer WG mit Algen. Sie liest wissenschaftliche Publikationen zum Thema. Aber sie ist keine Chemikerin, Farda studiert Internationale Beziehungen.
Doch wer hartnäckig und leidenschaftlich genug ist, so wie sie, kann sich in einem Land wie der Schweiz auch komplexe Technologie von Dritten entwickeln lassen. Institute wie das Forschungs- und Entwicklungszentrum CSEM und diverse Hochschulen helfen Startups, Innovationen umzusetzen.
Farda wird an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) fündig, deren Polymerwissenschafter ihr bei der Entwicklung des Bioplastiks helfen. Die Jungunternehmerin ist des Lobes voll über die aus ihrer Sicht «absolut reibungslose Zusammenarbeit» mit der FHNW: «Die Spezialisten dort waren immer bereit, die Extrameile für uns zu gehen.»