Bundesrat greift kantonale Mindestlöhne gegen seinen Willen an Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge sollen kantonalem Recht betreffend Mindestlöhne, 13. Monatslohn und Ferienanspruch vorgehen. Das fordert das Parlament. Der Bundesrat hat nun gegen seinen Willen eine Vernehmlassungsvorlage dazu erarbeitet.
Allgemeinverbindlich erklärte Gesamtarbeitsverträge sollen kantonalem Recht betreffend Mindestlöhne, 13. Monatslohn und Ferienanspruch vorgehen. Das fordert das Parlament. Der Bundesrat hat nun gegen seinen Willen eine Vernehmlassungsvorlage dazu erarbeitet.
Zur Umsetzung der von beiden Räten überwiesenen Motion von Ständerat Erich Ettlin (Mitte/OW) schlägt der Bundesrat eine Änderung des Gesetzes über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (Aveg) vor, wie er am Mittwoch mitteilte. Demnach sollen Bestimmungen über Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen (GAV) allgemeinverbindlich erklärt werden können, auch wenn sie zwingendem kantonalem Recht widersprechen.
Wird die Vorlage umgesetzt, werden vom Volk bestätigte kantonale Mindestlohn-Bestimmungen – etwa in den Kantonen Genf, Neuenburg und Jura – nichtig, sofern der Bundesrat in entsprechenden Branchen den GAV als allgemeinverbindlich erklärt hat. Es gälten dann die GAV-Bestimmungen. Heute darf ein GAV dem zwingenden Recht des Bundes und der Kantone nicht widersprechen.
Ettlin begründete seine Motion damit, die Sozialpartnerschaft vor „umstrittenen Eingriffen“ zu schützen. Die Befürworter des Vorstosses argumentierten im Parlament, dass die Sozialpartnerschaft seit über hundert Jahren den Arbeitsfrieden in der Schweiz sichere. Heute bestehe der Missstand, dass von den Sozialpartnern vereinbarte GAV zwar vom Bundesrat für die ganze Schweiz für allgemeinverbindlich erklärt werden, aber durch kantonale Bestimmungen wieder ausgehebelt werden könnten.
Gewerkschaften kündigen Widerstand an
Der Bundesrat fordert das Parlament jedoch auf, die Vorlage nicht anzunehmen, da sie ihrer Meinung nach gegen mehrere Grundprinzipien der Schweizer Rechtsordnung verstösst – beispielsweise der Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen und dem Legalitätsprinzip, wie es in einer Mitteilung hiess. Ein allgemeinverbindlich erklärter GAV geniesse nicht dieselbe demokratische Legitimation wie ein kantonales Gesetz.
Bereits im Parlament war die Idee umstritten. Im Nationalrat hatte Ettlins Motion im Dezember 2022 die Hürde nur hauchdünn geschafft. In beiden Räten setzte sich schliesslich eine bürgerliche Mehrheit durch.
Die Linke machte geltend, dass demokratisch getroffene Entscheide nicht umgangen werden sollten. Es handle sich hier um einen Frontalangriff gegen die kantonale Souveränität. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) kündigte bereits vor Jahresfrist an, dass er die Vorlage „mit allen nötigen Mitteln bekämpfen und die kantonalen Mindestlöhne verteidigen“ werde.
Transparenz bei paritätischen Kommissionen
Mit der Vorlage will der Bundesrat eine weitere vom Parlament überwiesene Motion umsetzen. Konkret sollen allen Arbeitgebern und Arbeitnehmenden, die einem allgemeinverbindlichen GAV unterstellt sind und Beiträge an die Vollzugskosten für diesen GAV bezahlen, ein Recht auf kostenlose Einsicht in die Jahresrechnung der paritätischen Kommissionen gewährt werden.
Die Vernehmlassung dauert bis zum 1. Mai.