Wenn keiner sparen will, muss der Bund über höhere Steuern diskutieren – ein kühner Blick auf das Menu mit schlechten und weniger schlechten Steuererhöhungen Der Bund müsste nach geltendem Kurs mittelfristig über 3 Milliarden Franken pro Jahr einsparen. Stattdessen stehen weitere hohe Mehrausgaben zur Diskussion. Steuererhöhungen könnten bald aufs Tapet kommen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht käme es auf die Art der Steuererhöhung an.
Der Bund müsste nach geltendem Kurs mittelfristig über 3 Milliarden Franken pro Jahr einsparen. Stattdessen stehen weitere hohe Mehrausgaben zur Diskussion. Steuererhöhungen könnten bald aufs Tapet kommen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht käme es auf die Art der Steuererhöhung an.
Wofür soll der Staat Geld ausgeben, und wie soll er diese Ausgaben finanzieren? Das sind zwei ewige Kernfragen der Politik. Die Bundeskasse ist derzeit besonders stark unter Druck. Gemäss den neuen Finanzplandaten hat der Bund ab 2027 für einen ausgeglichenen Haushalt einen Korrekturbedarf von über 3 Milliarden Franken pro Jahr – dies vor allem wegen des massiven Anstiegs der Ausgaben für die AHV und die Armee.
Zudem stehen weitere hohe Zusatzausgaben durch Volksinitiativen oder Behördenprojekte zur Diskussion: AHV, Verbilligung von Krankenkassenprämien, Klimasubventionen, Kita-Subventionen, Zahlungen für arme EU-Regionen und Ukraine-Hilfe.
80 Milliarden pro Jahr
Der Bund gab letztes Jahr rund 80 Milliarden Franken aus. Etwa zwei Drittel der Bundesausgaben sind stark gebunden – bei diesen Posten sind Einsparungen nicht kurzfristig im Rahmen der jährlichen Budgetdebatte möglich, sondern es braucht zum Beispiel eine Gesetzesänderung. Zudem ist bei jeder Einsparung der Aufschrei der Betroffenen gross. Ob Einsparungen von über 3 Milliarden Franken mehrheitsfähig sein werden, ist zweifelhaft.
Der finanziell bequemste Weg wäre die Aushebelung der Schuldenbremse: Man erhöht die Schulden und überlässt das Problem damit kommenden Generationen. Notwendig dafür wäre eine Änderung der Bundesverfassung. Eine Alternative wäre die Ignorierung der Bundesverfassung durch exzessive Einstufung von Budgetposten als «ausserordentliche» Ausgaben – für welche im Prinzip ein Defizit zulässig ist. Buchhalter-Tricks in diese Richtung hat es schon gegeben, Ausdehnungen sind denkbar. Das Bundesgericht kann einen Verfassungsbruch durch den Bund nicht stoppen, und die Polizei kann keinen Politiker für Verfassungsbrüche verhaften.
Die derzeitige Verschuldung des Bundes von gut 120 Milliarden Franken ist gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung mit einer Quote von rund 16 Prozent relativ tief – im Vergleich zu früher und im Vergleich zum Ausland. Eine moderate Schuldenerhöhung würde die Bonität des Bundes kaum stark verschlechtern. Ob eine Schuldenerhöhung zulasten der künftigen Generationen wünschbar wäre, ist aber eine andere Frage. Die Steuerzahler von übermorgen dürften dies anders beurteilen als die Steuerzahler von heute. Wäre eine Defizitpraxis einmal eingeführt, wirkte diese zudem wie eine Droge: Man brächte sie kaum mehr ohne grossen Aufschrei weg.
Möglichst wenig Fehlanreize
Gibt es keinen Sparwillen, ist eine Mehrbelastung der heutigen Steuerzahler der redlichere Weg. Die Idee von Steuererhöhungen zur Finanzierung der massiv gestiegenen Ansprüche dürfte früher oder später aufs Tapet kommen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht sind die meisten Steuern schädlich, weil sie die Entscheide der Wirtschaftsakteure verzerren – zum Beispiel durch Dämpfung der Arbeits- und Investitionsanreize.
Die optimale Steuerbelastung liegt dennoch weit über null, weil der gesellschaftliche Nutzen von Staatsausgaben den wirtschaftlichen Schaden von Steuern oft (aber längst nicht immer) überwiegt. Die Gesamtsteuerbelastung in der Schweiz belief sich 2022 gemessen an der Fiskalquote auf 27 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. Diese Quote hat sich in den letzten zwanzig Jahren wenig verändert. Wo das Optimum liegt, kann keiner sagen.
Aus ökonomischer Sicht gibt es schlechte Steuern und weniger schlechte Steuern. Weniger schlecht sind aus dieser Sicht Steuern mit relativ geringen Fehlanreizen. Doch wie überall gibt es auch in der Steuerpolitik Zielkonflikte – besonders zwischen Effizienz und Verteilungsanliegen. Auch der Verwaltungsaufwand spielt eine Rolle. Die Suche nach dem optimalen Besteuerungsmix ist seit langem Gegenstand einer breiten internationalen Forschungstätigkeit. Zu den vielzitierten Grundlagenanalysen gehört etwa der umfangreiche «Mirrlees Review» einer britischen Expertengruppe von 2011. Auch Schweizer Papiere haben schon Analysen geliefert.
Manche internationalen Arbeiten enthalten Übersichten über den Forschungsstand zu den wirtschaftlichen Folgen einzelner Steuerarten wie etwa der Einkommenssteuer, der Vermögenssteuer, der Erbschaftssteuer und der Mehrwertsteuer. Gewisse Tendenzen lassen sich herausschälen. Auf dieser Basis sei hier eine Rangliste der Steuerarten gewagt, gemessen an ihrer volkswirtschaftlichen Effizienz (möglichst geringe Fehlanreize). Diese Rangliste ist nicht in Stein gemeisselt, sondern nur als grobe Tendenzaussage zu sehen.
1. Lenkungsabgaben
Die CO2-Abgabe und andere Lenkungsabgaben sind eine Ausnahme unter den Steuern: Sie korrigieren Fehlanreize durch Einbezug gesellschaftlicher Kosten in die Preise und haben damit einen volkswirtschaftlichen Nutzen. Aber: Wenn unterschiedliche Länder stark unterschiedliche CO2-Abgaben haben, drohen Verlagerungen von CO2-intensiven Tätigkeiten in «Billigländer». Dies lässt sich im Prinzip durch einen CO2-Importzoll à la EU korrigieren, doch praktisch ist dies wohl nur mit erheblicher Bürokratie umsetzbar.
Auch aus fiskalischer Sicht haben Lenkungsabgaben einen Schönheitsfehler: Führt die CO2-Abgabe wie gewünscht zu einer starken Reduktion des CO2-Ausstosses, kann der Staat nicht mit stabilen Steuereinnahmen rechnen. Bei Lenkungsabgaben geht es denn auch zumindest theoretisch nicht um einen Fiskalzweck.
2. Mehrwertabgabe
Eine weitere «gute» Steuer ist die Mehrwertabgabe bei Umzonungsgewinnen auf Land. Wird zum Beispiel Landwirtschaftsland in Bauland umgezont, kann dies dem Besitzer über Nacht ohne Leistung hohen Gewinn bringen. Der Bund schreibt den Kantonen eine Abschöpfung von mindestens 20 Prozent der Umzonungsgewinne vor. Dies könnte man ohne wesentliche volkswirtschaftliche Schäden gut auf 50 Prozent oder noch mehr erhöhen. Der Bund hätte allerdings nichts davon, da die Zusatzerträge lokal anfallen.
3. Landsteuer
Losgelöst von den Mehrwertabgaben zählen Steuern auf dem Landwert zu den Lieblingssteuern von Ökonomen. Die Menge an Land ist weitgehend fix, weshalb Landwertsteuern nicht im Verdacht starker Verzerrungen stehen. Die Einführung (oder Erhöhung) der Landwertsteuer würde in dieser Lesart einen einmaligen Preisrückgang zulasten der Eigentümer bewirken, aber sonst nichts Wesentliches ändern. Ein Zielkonflikt zwischen Effizienz und Verteilung dürfte hier zudem kaum existieren, da die Landwertsteuer vor allem begüterte Steuerpflichtige trifft.
4. Erbschaftssteuer
Die Schweizer Jungsozialisten wollen es wieder einmal wissen. Sie haben diesen Monat die Unterschriften zu ihrer Initiative für eine nationale Erbschafts- und Schenkungssteuer von 50 Prozent eingereicht. Diese soll ab einem Freibetrag ab 50 Millionen Franken gelten. Die Initianten wollen die Erträge auch gleich wieder verteilen, zugunsten einer «sozial gerechten Bekämpfung der Klimakrise sowie für den dafür notwendigen Umbau der Gesamtwirtschaft». Das ist ein weites Feld.
Losgelöst vom Problem der Zweckbindung enthalten Erbschaftssteuern Fehlanreize vor allem für reiche potenzielle Erblasser. Ein Klassiker sind Wohnsitzänderungen. Die Forschungsliteratur deutet auch auf gewisse negative Effekte auf die Vermögensbildung von künftigen Erblassern. Doch insgesamt gilt die Erbschaftssteuer mindestens bei moderaten Sätzen (weit unter 50 Prozent) als relativ wenig schädliche Steuer, namentlich im Vergleich zur Vermögenssteuer, zur Einkommenssteuer und zur Firmengewinnsteuer, denn die Fehlanreize sind tendenziell geringer. Das gilt nicht nur für die potenziellen Erblasser, sondern noch mehr für die Erben. Bei den Erben liefert die Forschung sogar Hinweise auf positive Arbeitsanreize der Erbschaftssteuer. Grund: Wer viel erbt, muss weniger arbeiten – eine Reduktion des Erbes durch eine Steuer senkt diese Fehlanreize.
Das von Kritikern oft genannte Problem der Weitergabe von Familienunternehmen lässt sich derweil durch einen moderaten Steuersatz und durch grosszügige Zahlungsfristen weitgehend lösen. Gewisse Analysen lassen überdies mutmassen, dass die Weitergabe von Unternehmen innerhalb der Familie nicht immer das Beste für diese Firmen bewirkt, da die Fähigkeiten von Nachkommen der Familie zuweilen Wünsche offenlassen.
5. Mehrwertsteuer
Viele Ökonomen geben der Mehrwertsteuer weniger schlechte Noten als der Einkommenssteuer. Die Fehlanreize fallen laut verbreiteter Sichtweise beim Konsum weniger stark ins Gewicht als bei der Arbeit, obwohl der Endzweck des Arbeitseinkommens typischerweise ebenfalls der Konsum ist. Die internationale Forschungsliteratur lässt mutmassen, dass in der Praxis die Einkommenssteuer die wirtschaftliche Entwicklung stärker bremst als die Mehrwertsteuer.
Der wohl effizienteste Weg für die Erhöhung der Mehrwertsteuer wäre die Abschaffung aller oder der meisten günstigen Sondersätze. Dies würde Fehlanreize beseitigen, administrative Kosten sparen und das politische Lobbying von Branchen für eine Bevorzugung eindämmen.
Die Abwägung zwischen Mehrwertsteuer und Einkommenssteuer bringt allerdings einen klassischen Zielkonflikt: Effizienz contra Umverteilung von oben nach unten. Die Einkommenssteuer ist progressiv, die Mehrwertsteuer ohne Sondersätze wäre angesichts der höheren Sparquote der Gutverdiener eher degressiv (Reichere zahlen zwar absolut mehr, aber prozentual weniger). Deshalb ist das Zusammenspiel bedeutend: Man muss die Mehrwertsteuer nicht für ineffiziente Sozialpolitik missbrauchen und kann den Grad der gewünschten Umverteilung von oben nach unten durch die Progression der Einkommenssteuer erreichen.
6. Einkommenssteuer
Die Einkommenssteuer dämpft die Arbeitsanreize. Viele Studien haben versucht, das Ausmass dieser Dämpfung zu schätzen. Die Bandbreite der Schätzungen geht allerdings weit auseinander, wie diverse Überblicksarbeiten zeigen. Eine Tendenz ist deutlich: Bei Ehepaaren reagieren die Frauen (traditionell meist «Zweiteinkommen») stärker auf Steueranreize als die Männer (meist «Ersteinkommen»).
Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat für ihre Rechnungen aufgrund der internationalen Forschungsliteratur folgende Reaktionsmuster unterstellt: Sinkt der Nettolohn nach Steuern um 10 Prozent, sinkt die Erwerbstätigkeit bei Ersteinkommen um 0 bis 3 Prozent, bei Zweiteinkommen um 2 bis 9 Prozent und bei Alleinstehenden um 1 bis 4 Prozent. Tendenziell stärker sind die Reaktionsmuster bei der Besteuerung von Kapitaleinkommen.
7. Vermögenssteuer
Aus Effizienzsicht sind Ökonomen oft keine Fans der allgemeinen Vermögenssteuer, weil damit zuvor besteuerte Einkommen nochmals besteuert werden. Das kann die Fehlanreize noch verstärken. Doch auch hier ist die Bandbreite der Schätzungen über die Verzerrungen gross, wie ein Forschungsüberblick von 2021 zeigte. Demnach reduziert eine Vermögenssteuer von einem Prozent die versteuerten Vermögen um weniger als ein Prozent bis über 30 Prozent.
8. Firmengewinnsteuer
Die Reaktionen der Firmen auf höhere Gewinnsteuern sind in der Tendenz stärker als die Reaktionen von Privatpersonen auf höhere Einkommenssteuern. Die volkswirtschaftlichen Verluste sind damit eher höher. Doch auch bei der Gewinnsteuer ist die Bandbreite der Schätzungen gross.
Hansueli Schöchli, «Neue Zürcher Zeitung»