Die Generation Z: Zu faul, um wahr zu sein Ich bin 26 Jahre alt. Und das allein ist ein Politikum.

Ich bin 26 Jahre alt. Und das allein ist ein Politikum.

(Bild: Hans-Jörg Walter / NZZ)

Von Zeit zu Zeit schafft es ein Tiktok-Video in die Medien. Zum Beispiel das der Musikerin Dana Rosa. Sie beschwert sich darin über die Jobsuche, sie weint, sie klagt, sie fragt: «Wann wachen wir endlich alle auf und checken, dass wir einfach nicht mehr arbeiten sollen?»

Das Video wurde bisher 1,7 Millionen Mal angeschaut. Das ist für Tiktok nicht einmal eine so hohe Zahl. Dennoch war Dana Rosa in zahlreichen Medienberichten plötzlich die Stellvertreterin einer Generation, die zu faul, zu demotiviert, zu sensibel ist, um zu arbeiten. Im Feuilleton-Podcast «Die sogenannte Gegenwart» der «Zeit» sagten die Journalisten: «Das steht super für diesen Diskurs.»

Welcher Diskurs eigentlich?

Zur Generation Z gehört laut Studien, wer zwischen 1995 und 2012 geboren wurde. Ich bin 26 Jahre alt und zähle dazu. Fragt man Google, wie die Generation Z tickt, erscheinen Zeitungsartikel, Studien von Beratungsunternehmen, Ratgeberbücher.

Die «Süddeutsche Zeitung» hat ein Lexikon mit Begriffen veröffentlicht, die «Zoomer» im Alltag angeblich sagen. Statt zu schimpfen, würden sie «ranten», steht da. In einem Text heisst es, die Generation Z habe «keine Ahnung von IT», an einer Stelle werden junge Menschen als «Mogelpackung» bezeichnet, weil sie gleichzeitig an Klimastreiks teilnehmen und Designerkleidung kaufen. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bezeichnen die «Zoomer» in Interviews als faul, sensibel oder unzuverlässig, sagen, sie hätten zu hohe Ansprüche.

Die «NZZ» schrieb jüngst, junge Menschen würden im Schnitt 9 Stunden und 28 Minuten schlafen. I wish!

Der Soziologe Karl Mannheim hat vor hundert Jahren den Begriff der Generation in seiner Arbeit «Das Problem der Generationen» beschrieben. Laut Mannheim lassen sich Jahrgänge zusammenfassen, die in der Jugend prägende Erlebnisse wie etwa den Ersten Weltkrieg teilen. Heute sehen Soziologinnen und Soziologen das kritisch, da diese Konzepte wichtige Erfahrungen vernachlässigen: soziale Klasse, Geschlecht, Herkunft.

Der deutsche Sozialforscher Martin Schröder hat in einer empirischen Langzeitstudie 80 000 Personen, die seit 1980 geboren sind, befragt. Er kommt zum Schluss, dass junge Menschen immer anders denken als alte. Und dass wir als Gesellschaft anders denken als früher. Mit Jahrgängen habe das wenig zu tun.

Die Sache mit dem Internet

In der medialen Öffentlichkeit ist der Diskurs über die Generationen allerdings omnipräsent. Und er ist laut. Das hat einen banalen, wirtschaftlichen Grund: Personen, die mit ihren Jahrgängen per Definition «Zoomer» sind, treten gerade in den Arbeitsmarkt ein. Und zwar in einen, in dem in vielen Bereichen Fachkräftemangel herrscht. Dass sich die Gesellschaft Gedanken macht, wie diese jungen Menschen ticken, ist normal.

Und es ist normal, dass es Unbehagen auslöst, wenn junge Menschen Veränderung fordern. Zum Beispiel Home-Office, weil sie in der Pandemie gesehen haben, dass dies möglich ist. Oder flexible Arbeitszeiten, weil sie versuchen, den Beruf mit der Familie zu vereinbaren.

Doch manchmal habe ich den Eindruck, dass die Debatte weit weg von mir stattfindet. Am Stammtisch in der Bar, in Sitzungszimmern von Umfrageinstituten oder auf den Chefetagen grosser Unternehmen. Dort wird diese Generation Z erforscht wie eine fremde Spezies. Und in den Medien steht das Tiktok-Video von Dana Rosa, die keine Lust auf einen Vollzeitjob hat, plötzlich als anekdotische Evidenz dafür, wie junge Menschen so sind.

Ich zähle zur ersten Generation, die schon das ganze Leben vom Internet umgeben ist, ja im Internet lebt.

Ich hatte Facebook mit 13, Instagram mit 14, Twitter mit 15. Meine Eltern hielt ich halbbatzig auf dem Laufenden, was ich da trieb. Sie brauchten eine Weile, um es zu verstehen. Während ich heimlich Bilder aus den Familienferien teilte.

Social Media ist ein Ort, wo ich Inspiration finde. Wo alle sich mitteilen können. Doch Social Media ist auch eine Blase, eine Parallelwelt, in der andere Spielregeln gelten. Und wer Inhalte auf Social Media diskutiert, muss diese Spielregeln kennen. Facebook, Twitter oder Instagram wurden für den Austausch entworfen. Tiktok ist einseitig. Die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer geben sich der App und dem kontinuierlichen Strom von Videos einfach hin. Der Algorithmus entscheidet, was man sieht. Und viral geht, was emotionsgeladen, frech, reisserisch ist.

Zehntausende Menschen haben das Tiktok-Video von Dana Rosa, die nicht arbeiten will, gelikt. Viele wohl aus einer Laune heraus, nach einem strengen Tag im Büro. Oder weil sie es einfach witzig, absurd, überraschend fanden. Mit Zustimmung hat dies wenig zu tun. Und doch fliessen genau solche Videos in die Debatte über die Generation Z ein.

 

Social Media weckt den Eindruck eines modernen Museums von Gedanken, Wünschen, Ideen junger Menschen, wirkt wie ein Raum, der vermeintlich alles über uns verrät. Dabei sind es wenige, die posten. Und sehr wenige, die gehört werden. Alle anderen schauen zu.

Bin ich faul?

Ich, Schweizerin, Mittelstand, Masterabschluss, wurde in eine andere Welt geboren als meine Eltern oder meine Grosseltern. Mein Grossvater, Jahrgang 1937, sagte mir einmal, sein Leben habe in einer schwierigen Lage begonnen und sei immer besser geworden. Bei mir werde es andersrum sein. Ich sei im Überfluss geboren und werde viel davon verlieren, sagte er.

Meine Eltern sind «Babyboomer». Sie arbeiten viel und hart. Ich beobachte, sorge mich um sie, nehme mir vor, es anders zu machen. Ich will arbeiten. Aber auch Grenzen setzen. Pause machen. Zeit für Freundinnen und Familie haben. Bin ich deshalb faul?

Die Gesellschaft verändert sich. Erziehung, Karriere, Statussymbole werden immerzu neu verhandelt. Meine Grosseltern und meine Eltern erlebten dasselbe, als sie jung waren.

Der Diskurs Jung gegen Alt funktioniert, weil er Zugehörigkeit bietet, Gemeinschaft: «Wir gegen sie» heisst, man darf alles schlecht finden, was die anderen fordern. Heisst, man muss nicht zuhören, verhandeln, Neues wagen. Daran sind auch die Jungen schuld. Statt sich den Vorurteilen zu stellen, sie zu widerlegen, zu diskutieren, lästert man manchmal eben lieber über diese «Boomer». Weil es lustig ist und bequem. Und ja: Auf Social Media funktioniert das besonders gut.

Elena Oberholzer, «Neue Zürcher Zeitung»

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