Arbeitszeit-Studie abgelehnt: Zürichs Kantonsrat gegen 35-Stunden-Woche Die Grünen wollten im Kantonsparlament eine Studie über die Kürzung der Arbeitszeit veranlassen. Doch während die Stadt Zürich die 35-Stunden-Woche testet, will man beim Kanton nicht einmal theoretisch darüber nachdenken.
Die Grünen wollten im Kantonsparlament eine Studie über die Kürzung der Arbeitszeit veranlassen. Doch während die Stadt Zürich die 35-Stunden-Woche testet, will man beim Kanton nicht einmal theoretisch darüber nachdenken.
Es ist, rein akademisch betrachtet, eine höchst interessante Überlegung: Was würde eigentlich passieren, wenn eine potente Volkswirtschaft wie der Kanton Zürich die Wochenarbeitszeit generell auf 35 Stunden beschränkte? Und was wäre, wenn die Löhne dabei gleich hoch blieben? Diese Frage, so forderten es die Grünen am Montag im Zürcher Kantonsparlament, sollte die Regierung im Rahmen einer Studie abklären lassen.
Doch der Kantonsrat ist kein volkswirtschaftliches Seminar, und den Grünen ging es nicht um eine ergebnisoffene makroökonomische Simulation. Stattdessen hatten sie ziemlich genaue Vorstellungen davon, welche Aspekte vertieft geprüft werden sollten.
Sie wollten etwa wissen, was die Auswirkungen der 35-Stunden-Woche auf das Klima und die Umwelt wären, auf die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer, auf die Verteilung der Hausarbeit und auf das gemeinnützige Engagement der Menschen.
Sie wollten also, zugespitzt formuliert, ein staatlich finanziertes PR-Gutachten für die Reduktion der Arbeitszeit erstellen lassen, das negative Aspekte, zum Beispiel die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen oder die Auswirkungen auf einen ausgetrockneten Arbeitsmarkt, ausblendete. So jedenfalls las sich der schriftliche Antrag der Grünen.
Und das kam weder bei der Kantonsregierung noch bei der Parlamentsmehrheit gut an.
SVP: «Sie fahren die Wirtschaft an die Wand»
Der Regierungsrat lehnte den Antrag nur schon deswegen ab, weil es zu den Auswirkungen einer Arbeitszeitreduktion bereits eine Vielzahl von Studien im In- und Ausland gebe. Ausserdem werde die Stadt Zürich ein Pilotprojekt mit der 35-Stunden-Woche durchführen. Der Mehrwert einer weiteren Studie auf Kantonsebene sei gering, schrieb die Regierung in ihrer schriftlichen Stellungnahme.
In der Ratsdebatte selbst sprachen die Grünen zumindest ansatzweise davon, dass auch die Folgen für die Wirtschaft untersucht werden müssten. «Es soll geprüft werden, was es braucht, damit ein KMU nicht Schiffbruch erleidet», sagte Jeannette Büsser (Horgen).
Wer in der Schweiz Vollzeit arbeitet, arbeitet viel
Doch die Bürgerlichen überzeugen konnte sie damit nicht. «Seien Sie doch ehrlich, und sagen Sie einfach, dass alle bei 35 Stunden den vollen Lohn erhalten sollen», meinte Paul Mayer (SVP, Marthalen), der selbst Inhaber eines Metallbaubetriebs ist. «Dann fahren Sie aber die Zürcher Wirtschaft an die Wand.» Die «grünen Träumer» meinten, sie könnten vom Nichtstun Geld verdienen.
Mayers Vorwurf war etwas hart, denn die Grünen hatten in ihrem Antrag neben einem Modell mit unverändertem Gehalt sehr wohl auch eine Untersuchung darüber angeregt, was bei einer Lohnreduktion passieren würde.
Doch Mayers weitere Argumente dürften aus unternehmerischer Sicht einleuchtend gewesen sein. Er sagte unter anderem, dass schon heute viele Angestellte aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr Vollzeit arbeiteten. Ausserdem müssten Ferien, Lohnnebenkosten, Pensionskasse und AHV von weniger produktiven Stunden bezahlt werden.
Auch die ökologischen Nachteile von kürzeren Arbeitszeiten seien offensichtlich, sagte der Unternehmer aus dem Weinland. Etwa, dass es für die gleiche Arbeit mehr Autofahrten brauche und dass die Infrastruktur von weniger Leuten genutzt werde.
Doris Meier (FDP, Bassersdorf) fragte sich ebenfalls, ob die positiven ökologischen Effekte wirklich so gross sein würden. Denn zusätzliche Freizeit gäbe auch mehr Zeit für Ausflüge mit dem eigenen Auto. Über die Arbeitszeit zu sprechen, ist aus ihrer Sicht zwar kein Tabu. Diese Frage aber, sagte sie, «sollte wie schon seit Jahrzehnten von den Sozialpartnern ausgehandelt werden».
Spätestens ab diesem Zeitpunkt ging es in der Ratsdebatte gar nicht mehr um den ursprünglichen Antrag der Grünen, also um eine Studie, sondern um die Folgen einer Arbeitszeitverkürzung an sich.
«Auch das Rüebli würde teurer»
Hannah Pfalzgraf (SP, Mettmenstetten) sagte, «die Schweiz ist noch bei keiner Arbeitszeitverkürzung den Bach runtergegangen». Wer weniger arbeite, sei seltener krank und habe mehr Zeit für die Familie. «Immer, wenn es darum geht, die Arbeitsbedingungen auch nur ein My zu verbessern, werden Sie dagegen sein», sagte sie den Bürgerlichen.
Die GLP sah das ganz anders. «Wie kommt man nur auf die Idee, in Zeiten des Fachkräftemangels die Arbeitszeit um fast einen Tag zu reduzieren?», fragte Sonja Gehrig (Urdorf). Für die Unternehmen wäre dies eine enorme Belastung, «aber das ist den Grünen offenbar egal».
Donato Scognamiglio (EVP, Freienstein-Teufen) war konzilianter. Als Sohn eines Gewerkschafters hege er Sympathien für das Anliegen. Man müsse sich aber bewusst sein, dass die Kosten einer Arbeitszeitreduktion überwälzt werden müssten. Aus ihrer Marge könnten nur die wenigsten Unternehmen einen solchen grossen Schritt finanzieren. «Letztlich würden auch die Rüebli bei der Migros teurer», sagte er.
Was genau kürzere Arbeitszeiten für das Gemüse im Supermarkt und für alle weiteren Facetten der Zürcher Volkswirtschaft bedeuten würden, wird aber nicht im Detail abgeklärt werden. Der Kantonsrat hat die Forderung der Grünen mit 57 Ja zu 111 Nein klar abgelehnt.