Die Crux mit den fitten Senioren: Sie fühlen sich immer jünger – doch wollen sie auch länger arbeiten? Auf dem Papier ist der Fall klar: Eine klare Mehrheit ist offen, auch nach dem 65. Geburtstag im Job zu bleiben. Doch in der Realität scheitern die hehren Vorsätze.

Auf dem Papier ist der Fall klar: Eine klare Mehrheit ist offen, auch nach dem 65. Geburtstag im Job zu bleiben. Doch in der Realität scheitern die hehren Vorsätze.

Viel Wissen und Erfahrung geht verloren: Nach 65 scheiden die allermeisten aus dem Berufsleben aus. (Bild: KBO Bike auf Unsplash)

«Mehr Menschen als je zuvor wollen im Rentenalter aus Freude weiterarbeiten.» Zu diesem Ergebnis kommt der neue Ruhestandsmonitor von Axa Investment Managers. Gemäss jenem können sich zwei Drittel der Befragten heute vorstellen, länger als bis zum gesetzlichen Rentenalter zu arbeiten. Im Jahr 2016 lag dieser Anteil laut der repräsentativen Befragung erst bei 41 Prozent.

Der Befund passt zu einer Studie, die der Bund zusammen mit der Universität von Neuenburg ebenfalls diese Woche publiziert hat. «Seniorinnen und Senioren werden älter und fühlen sich jünger», lautet deren Botschaft. Der subjektiv gefühlte Beginn des «Altseins» habe sich in jüngster Zeit massiv erhöht. Lag diese Grenze in den 1990er Jahren noch bei 69 Jahren, so bezeichnen sich die heutigen Senioren erst mit 80 Jahren als «alt».

Der Trend scheint offensichtlich: Viele der heutigen Pensionierten sprühen vor Energie und Schaffensdrang. Gemäss einer Analyse des Berner Generationenhauses stufen sich 75-jährige Personen in der eigenen Wahrnehmung durchschnittlich wie 64 ein – ganze 11 Jahre jünger also. Womit die naheliegende Frage lautet: Was unternehmen die jung gebliebenen Senioren in ihrem aufgewerteten dritten Lebensalter ab 65?

Enkel betreuen macht Freude

Laut der Studie des Bundes engagieren sich 40 Prozent der 65- bis 74-Jährigen in der freiwilligen Betreuung, sei es für andere Ältere oder auch für ihre Enkel. Zudem ist knapp ein Viertel in einem Verein aktiv. Hingegen geht nur eine kleine Minderheit einer Berufstätigkeit nach – das gilt insbesondere für Personen in einem Angestelltenverhältnis. Gehören mit 65 Jahren gerade noch 15 Prozent zu den Gehaltsempfängern, so sinkt dieser Anteil bis 74 gar auf 4 Prozent. Besser sieht es bei den Selbständigen aus: Nimmt man diese Gruppe dazu, so sind im Alter 74 immerhin noch 11 Prozent beruflich aktiv.

Der Widerspruch ist augenfällig: Die Menschen fühlen sich deutlich länger fit als früher. Zudem zeigt sich eine Mehrheit bereit, über das Pensionierungsalter hinaus zu arbeiten. Bei Menschen, die angestellt sind, gilt die Altersguillotine 65 allerdings immer noch. Warum gelingt es nicht, die Erwerbstätigen länger im Arbeitsprozess zu halten? Ein Fortschritt wäre dringend nötig, denn die Pensionierungswelle der Babyboomer verschärft sowohl die Geldnot in der Vorsorge wie auch den Mangel an Fachkräften.

Die Axa-Umfrage gibt Hinweise, warum die hehren Absichtsbekundungen in der Praxis nicht funktionieren: Denn nur 34 Prozent der Befragten halten es für realistisch, dass sie nach der Pensionierung weiterhin eine bezahlte Arbeit haben können. Dies deutet darauf hin, dass die Firmen noch immer viel zu wenig tun, um ihre Beschäftigten im Seniorenalter zu halten.

Das Pensum soll frei wählbar sein

Weiter zeigt die Analyse, dass die Erwerbstätigen erhebliche Ansprüche an den Arbeitgeber stellen: Acht von zehn Personen sagen, dass eine Weiterarbeit nach 65 für sie nur infrage komme, wenn sie ihre wöchentliche Arbeitszeit nach Belieben reduzieren können. Und es kommt noch dicker: Ihr Wunsch-Pensionierungsalter setzt die aktive Bevölkerung bei tiefen 63 Jahren an. Für alle jene, die es sich finanziell leisten können, bleibt der Ruhestand somit die attraktivere Wahl.

Damit bestätigt die Untersuchung, dass eine generelle Erhöhung des Rentenalters im Volk auf wenig Sympathie stösst. Sechs von zehn Befragten stellen sich gegen eine solche Massnahme, um tiefere Renten auszugleichen. Allerdings sagen 62 Prozent ebenso, dass sie höhere Lohnabzüge ablehnen. Gar 68 Prozent sind kritisch gegenüber einer höheren Mehrwertsteuer. Vor diesem Hintergrund dürfte es für den Bund schwierig werden, eine Finanzierungsquelle für die 13. AHV-Rente zu finden.

Letztlich, so lässt sich aus den Zahlen herauslesen, führt die bessere Gesundheit der Senioren nicht dazu, dass sie effektiv länger arbeiten. Der gute Wille, im Job zu bleiben, mag durchaus vorhanden sein: Jedoch sollte dieser Spass machen und Zufriedenheit bieten, heisst es im Ruhestandsmonitor der Axa. Sprich: Der ultimative Test bleibt der Leidensdruck. Wer die Wahl hat, findet sein Glück im dritten Lebensalter auch ohne Arbeit.

Albert Steck, «Neue Zürcher Zeitung»

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