Jegliche Haftung ausgeschlossen – Punkt Aktenzeichen KMU_today_005: Die Kolumne von André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich, gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.

Aktenzeichen KMU_today_005: Die Kolumne von André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich, gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.

André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich. (Foto: PD)

Haftungsbeschränkungen sind oft der Zankapfel bei Vertragsverhandlungen. Der Dienstleistungserbringer will seine Haftung möglichst beschränken – die Gegenpartei nicht.

Jede Haftung kann ausgeschlossen werden, …

Ausgehend vom Grundsatz der Vertragsfreiheit, sind die Parteien weitgehend frei, sich über die vertragliche Haftung zu verständigen. Das Schweizer Recht sieht nur wenige Schranken vor, die indes zwingend sind.

… ausser für grobe Fahrlässigkeit und Absicht

Unzulässig ist ein Haftungsausschluss für Körperverletzungen und Tod. Im Konsumentenbereich kann der Produkthersteller seine (Produkte-)Haftung sodann nur sehr beschränkt begrenzen. Auch eine Haftung für absichtliches (Fehl-)Verhalten oder grobfahrlässiges Verhalten lässt sich nicht beschränken.

Wann ein solches absichtliches Verhalten vorliegt, also Vorsatz, ist (meist) klar: Vorsatz ist der Wille, gegen das Recht zu verstossen oder dies zumindest wissentlich in Kauf zu nehmen. Solche Fälle sind in der Praxis selten.

Oftmals stellt sich hingegen die schwierige Frage, ob ein Verhalten bereits grobfahrlässig oder «nur» (leicht beziehungsweise mittel) fahrlässig ist. Das Bundesgericht bejaht grobe Fahrlässigkeit, wenn eine Partei fundamentale (Sorgfalts-)Pflichten missachtet, welche jede vernünftig und gewissenhaft handelnde Person in gleicher Situation beachtet hätte. Grobfahrlässigkeit liegt dann vor, wenn ausser Acht gelassen wird, was jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen hätte einleuchten müssen. Gemeinhin wird zu fragen sein: Wie konnte man nur?

Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist einzelfallabhängig und wird anhand der jeweils geltenden Sorgfaltsstandards beurteilt: Ein Buchhalter, der offensichtliche Falschbuchungen veranlasst oder ein Bauunternehmer, der elementarste Sicherheitsvorschriften beim Bau missachtet, beispielsweise ein Gerüst nicht sichert, handeln beide wohl grundsätzlich grobfahrlässig. Damit grobe Fahrlässigkeit vorliegt, braucht es also viel.

Der Nachweis des grobfahrlässigen Verhaltens obliegt der Partei, welche sich gegen die Haftungsbegrenzung wehrt, also der geschädigten Partei. Sie muss den Richter im Streitfall von der Grobfahrlässigkeit überzeugen. Oftmals wird dies eine Frage für technische Experten sein. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die geschädigte Partei, die den Beweis erbringen muss, typischerweise in einer Informations- und Beweisnotlage befindet. Sie muss sich überlegen, ob und wie sie zu den relevanten Informationen kommt, um das grobfahrlässige Verhalten der Gegenpartei zu beweisen. Wichtig ist deshalb, sich weitgehende vertragliche Informationsrechte auszuverhandeln.

Ausschluss für Folgeschäden

Im Rahmen der eingangs genannten Grenzen kann die Haftung frei beschränkt oder ausgeschlossen werden. Oft werden betragsmässige Limiten festgelegt – zum Beispiel in Abhängigkeit zum wirtschaftlichen Interesse (20 Prozent des Werkpreises) – oder bestimmte Arten von Schäden ganz ausgeschlossen.

Üblich ist ein Ausschluss von «mittelbaren und Folgeschäden» (auf Englisch: «indirect and/or consequential damages»). Weil es sich dabei aber nicht um klar definierte Rechtsbegriffe handelt, müssen diese im Streitfall ausgelegt werden (siehe dazu Aktenzeichen KMU_today_002). Um Missverständnisse zu vermeiden, empfiehlt es sich, auch bei der Haftungsbegrenzung klare Verhältnisse zu schaffen. Es sollte konkret geschrieben werden, welche Schäden ausgeschlossen sind («entgangener Gewinn», «Reputationsschaden» etc.) oder – umgekehrt – für welche Schäden man ausschliesslich haftet.

Aber liegt überhaupt eine haftungsauslösende Vertragsverletzung vor?

Bei der Diskussion um Haftungsbegrenzungen geht gerne vergessen, dass nur die Verletzung vertraglicher Pflichten eine Haftung begründet. Ob dies vorliegt, hängt davon ab, wozu sich eine Partei verpflichtet hat. Deshalb sollten die Pflichten (sprich das Tun oder Unterlassen) klar umschrieben und die jeweiligen Verantwortlichkeiten klar abgegrenzt sein.

Genau zu prüfen ist sodann auch, ob ein Vertrag besondere Mitteilungspflichten und dazu (kurze) Fristen vorsieht bei Vertragsverletzungen wie: «Vertragsverletzungen müssen innerhalb von sieben Tagen schriftlich angezeigt werden.» Eine Missachtung solcher formellen Voraussetzungen kann nämlich zu einer Verwirkung des Anspruchs führen, noch bevor sich überhaupt die Fragen nach der Haftungsbegrenzung stellt.

Lalive

Rechtsanwalt André Brunschweiler ist spezialisiert auf die Beratung und Vertretung von Klienten in (meist strittigen) wirtschaftsrechtlichen Angelegenheiten mit einem Fokus auf Vertrags- und Gesellschaftsrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht sowie Arbeitsrecht. Er ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Lalive, die von den Standorten in Zürich, Genf und London aus Unternehmen, Behörden sowie Privatpersonen in komplexen, vorwiegend internationalen Sachverhalten und vor allem Streitigkeiten berät.

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