«Garantie» beim Kauf- und Werkvertrag: Stolpersteine und Spielräume im B2B-Geschäft Aktenzeichen KMU_today_006: Die Kolumne von André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich, gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.

Aktenzeichen KMU_today_006: Die Kolumne von André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich, gibt Antworten auf juristische Fragen, die Schweizer KMU beschäftigen können beziehungsweise beschäftigen sollten.

André Brunschweiler, Partner der Anwaltskanzlei Lalive in Zürich. (Foto: PD)

Die Gewährleistung – umgangssprachlich «Garantie» – ist sowohl beim Kaufvertrag als auch beim Werkvertrag zentral. Trotzdem führt es oft zu Streit: Wann liegt ein Mangel vor? Welche Pflichten und Rechte ergeben sich daraus? Wann haftet der Verkäufer oder Unternehmer?

Kaufvertrag und Werkvertrag – Unterschiede mit Folgen

Die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werkvertrag ist wichtig, weil die Folgen eines Mangels bei Kauf- und Werkverträgen gesetzlich unterschiedlich geregelt sind.

Beim Kaufvertrag übergibt der Verkäufer dem Käufer eine fertige (bewegliche oder unbewegliche) Sache zu Eigentum. Der Käufer bezahlt dem Verkäufer dafür einen Kaufpreis. Beim Werkvertrag hingegen schuldet der Unternehmer dem Besteller eine individuelle Leistung (Werk, Erfolg, Resultat) gegen Vergütung. Die Leistung kann materiell sein (z.B. die Anfertigung eines Spezialbauteils, der Bau eines Hauses oder einer Industrieanlage) oder immateriell (z.B. Erstellen einer Software, eines Quellcodes oder Design eines Logos).

Die Rechtsfolgen bei einem Mangel sind gesetzlich unterschiedlich ausgestaltet: Während der Käufer beim Kaufvertrag primär den Rücktritt vom Vertrag (sogenannte Wandelung) oder eine Minderung des Kaufpreises verlangen kann, hat der Besteller beim Werkvertrag zusätzlich das Recht auf Nachbesserung (Reparatur). Beim Kaufvertrag hingegen sieht das Gesetz keine Nachbesserung vor – dies wird jedoch oft vertraglich vereinbart.

Die Gewährleistungsfrist beträgt grundsätzlich zwei Jahre; fünf Jahre sind es bei Immobilien oder soweit bewegliche Gegenstände, die in Unbewegliche integriert werden (z.B. Einbauküche). Diese Fristen sind im B2B-Bereich nicht zwingend, sondern können verlängert oder verkürzt werden.

Die Realität: Streit um die Mängel

«Mangel» ist im Kaufvertrag gleich definiert wie im Werkvertrag: Es ist die Abweichung des «Ist» vom «Soll». Das tönt einfach, ist in der Praxis aber komplex. Das «Soll» ergibt sich primär aus der vertraglichen Abmachung. Zum Beispiel: «Das verkaufte Auto ist unfallfrei» oder «Die Getränkeabfüllanlage leistet einen Output von 1000 Flaschen pro Stunde». Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels liegt beim Käufer beziehungsweise Besteller.

Schwierigkeiten ergeben sich in der Praxis, ob überhaupt ein Mangel im rechtlichen Sinne vorliegt. Ist die Ware nur «nicht perfekt» oder tatsächlich mangelhaft? Insbesondere im B2B-Bereich, mit teilweise komplexen Verträgen, entsteht oft Streit um die Auslegung: Wurde eine bestimmte Eigenschaft tatsächlich zugesichert? Wurde die Kaufsache oder das Werk falsch genutzt, und liegt deshalb kein Mangel, sondern nur ein Bedienfehler vor? Wer ist dafür verantwortlich? Oftmals lassen sich diese Fragen nur mittels eines technischen Gutachtens beantworten.

Prüf- und Rügepflichten als Stolperstein

Weitere Stolpersteine sind die Prüf- und Rügepflichten: Sowohl Käufer als auch Besteller haben die Kaufsache beziehungsweise das Werk nach Erhalt zu prüfen und Mängel unverzüglich zu rügen. Die Rüge muss substantiiert erfolgen, sprich eine genaue Beschreibung des Mangels beinhalten, etwa auch den Hinweis, dass der Verkäufer oder Unternehmer dafür haftbar gemacht wird. Erfolgt diese Rüge nicht oder zu spät, droht der Verlust der Gewährleistungsrechte.

Sofern im Vertrag nicht anders geregelt, beträgt die Prüfungs- und Rügepflicht gemäss Rechtsprechung nicht mehr als sieben bis zehn Tage. Dies ist sehr kurz.

Tipp: Klare Verträge sind auch hier der Erfolgsschlüssel

Die gesetzlichen Bestimmungen zur Gewährleistung können vertraglich abweichend geregelt werden. Um Streitpunkte rund um die Gewährleistung zu minimieren, sollten Unternehmen Wert auf klar formulierte Verträge legen: Insbesondere sollten die Erwartungen an die Kaufsache beziehungsweise das Werk genau umschrieben werden. Werden Leistungsspezifikationen oder Produkteigenschaften zu unpräzise definiert, öffnet dies Tür und Tor für Konflikte.

Ebenso wichtig sind vertragliche Regelungen zur Prüf- und Rügepflicht. Nicht zuletzt gehören im B2B-Bereich die Verjährungsfristen in jeden Vertrag.

Lalive

Rechtsanwalt André Brunschweiler ist spezialisiert auf die Beratung und Vertretung von Klienten in (meist strittigen) wirtschaftsrechtlichen Angelegenheiten mit einem Fokus auf Vertrags- und Gesellschaftsrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht sowie Arbeitsrecht. Er ist Partner bei der Wirtschaftskanzlei Lalive, die von den Standorten in Zürich, Genf und London aus Unternehmen, Behörden sowie Privatpersonen in komplexen, vorwiegend internationalen Sachverhalten und vor allem Streitigkeiten berät.

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