Vier Pensionskasseneinkäufe und ein Todesfall Freiwillige Einkäufe in die Pensionskasse sind populär. Doch ein tragischer Fall zeigt, wie wichtig es ist, das Vorsorgereglement genau zu prüfen.

Freiwillige Einkäufe in die Pensionskasse sind populär. Doch ein tragischer Fall zeigt, wie wichtig es ist, das Vorsorgereglement genau zu prüfen.

Eine Frau zahlt vor ihrem Tod 750 000 Franken in die zweite Säule ein – ihre Angehörigen erhalten nichts davon. (Pexels/Phil Even)

Die Vorsorge verbessern und gleichzeitig Steuern sparen: Aus diesen Gründen zahlen viele Versicherte in der Schweiz gegen Jahresende freiwillig Gelder in die Pensionskasse ein. Vor allem für über 50-Jährige sind solche Einkäufe attraktiv. Schliesslich ist der Steuerspareffekt umso grösser, je näher die Pensionierung rückt – so verteilt er sich auf weniger Jahre. Zudem stocken die Einkäufe die Altersrente auf.

Bevor man sich aber für solche freiwilligen Einzahlungen in die Vorsorgeeinrichtung entscheidet, sollte man das Vorsorgereglement der Pensionskasse genau prüfen. Dazu gehört auch die Frage, was im Todesfall mit der Summe des freiwilligen Einkaufs passiert.

Einkäufe verbessern bei einigen Kassen nur die Altersrente

Viele Versicherte rechnen damit, dass der eingezahlte Betrag im Falle ihres Todes an die Hinterbliebenen ausgezahlt wird oder dass er zumindest deren Hinterlassenenrenten erhöht. Doch bei manchen Kassen erliegen sie hier einem Irrtum: Obwohl Pensionskassen auch die Risiken Tod und Invalidität versichern, verbessern freiwillige Einzahlungen bei vielen Kassen die Leistungen beim Eintritt dieser Risiken nicht oder nur zum Teil.

Dies zeigt ein tragischer Fall, der sich bei der Pensionskasse Johnson & Johnson Schweiz in Schaffhausen ereignet hat. Im Mittelpunkt steht eine ehemalige Angestellte des Pharmakonzerns, die im März 2023 im Alter von 43 Jahren verstorben ist. Die Kanadierin hatte vor ihrem Tod in vier Etappen 750 000 Franken in ihre zweite Säule eingezahlt. Nach ihrem Tod stellten sich die freiwilligen Einkäufe aus Sicht ihres Ehemannes als Fehlentscheidung heraus.

Im Gespräch mit der NZZ schildert Thomas Gisler, wie es dazu kam. Er und seine Frau hatten im August 2017 geheiratet. Im Juni 2019 kam ihr gemeinsames Kind zur Welt. Doch schon wenige Monate später erkrankte seine Frau an Krebs und wurde zu 100 Prozent arbeitsunfähig. Im September 2022 endete das Arbeitsverhältnis der Frau mit Johnson & Johnson. Ihr Pensionskassenvermögen in Höhe von rund 1,1 Millionen Franken wurde wie in solchen Fällen üblich von der Kasse an eine Freizügigkeitsstiftung überwiesen.

Nach dem Tod seiner Frau forderte die Pensionskasse Johnson & Johnson im März 2023 den Ehemann auf, das in der Freizügigkeitsstiftung parkierte Geld wieder in die Pensionskasse einzuzahlen. Laut Gisler teilte ihm die Pensionskasse mit, er könne danach beim Stiftungsrat der Kasse beantragen, dass ihm die freiwilligen Einkäufe wieder zurückerstattet würden. Aber dazu kam es nicht.

Als IV-Rentnerin verstorben

Im November 2023 verweigerte die Pensionskasse Johnson & Johnson die Rückerstattung des Geldes, nachdem der Witwer einen entsprechenden Antrag an den Stiftungsrat gestellt hatte. Der Stiftungsrat orientiere sich an den Bestimmungen im Vorsorgereglement der Pensionskasse, teilte man dem Witwer in einer E-Mail mit. «Diese sehen im Todesfall von Ihrer Frau als IV-Rentnerin keine Auszahlung von Einkäufen vor.»

Das Problem war: Die Ehefrau hatte rückwirkend ab 1. November 2020 eine IV-Rente erhalten, weshalb sie rechtlich gesehen nicht als aktiv Versicherte der Pensionskasse verstarb, sondern als IV-Rentnerin. Das Reglement der Pensionskasse unterscheidet zwischen aktiven und invaliden Versicherten.

Laut Gisler hat seine Frau am 14. März 2023, als sie bereits auf der Palliativstation lag, den Vorbescheid der Sozialversicherungsanstalt (SVA) erhalten, dass sie eine IV-Rente erhalten werde. Zwei Tage später sei sie dann verstorben.

Für den Witwer und den Halbwaisen bedeutete dies, dass sie eine Witwer- und Waisenrente in der normalen Höhe erhalten. Sie falle genauso hoch aus, wie wenn sich seine Frau mit keinem einzigen Rappen in die Pensionskasse eingekauft hätte, sagt Gisler, der Versicherungsmathematiker und Chef eines Beratungsunternehmens für Versicherungen und Pensionskassen ist. «Die freiwilligen Einzahlungen in Höhe von 750 000 Franken wären verloren.» Heirate er erneut, dann entfalle seine Witwenrente komplett.

Kapitalzahlungen im Falle des Todes als aktiv Versicherte

Besser gestellt wären die Hinterbliebenen gewesen, wenn die Frau als aktiv Versicherte der Pensionskasse Johnson & Johnson und nicht als IV-Rentnerin verstorben wäre. Allerdings wäre auch in diesem Szenario ein grosser Teil der freiwilligen Einkäufe verfallen. In diesem Fall hätten der hinterbliebene Ehemann und der gemeinsame Sohn ebenfalls eine Witwer- und eine Waisenrente erhalten. Gisler geht davon aus, dass er zudem einen Anspruch auf «mindestens rund 330 000 Franken» gehabt hätte, und verweist auf den Pensionskassenausweis seiner Frau vom Dezember 2019.

Der Vorsorgeausweis liegt der NZZ vor. Darin sind unter der Rubrik «Risk benefits» (Risikoleistungen) die Zeilen «Death lump sum» und «Additional death lump sum» aufgeführt. Dabei geht es um Kapital, das im Falle des Todes der Versicherten ausbezahlt werden soll – sofern diese als aktiv Versicherte stirbt. Zusammen ergibt dies grob die von Gisler genannte Summe von 330 000 Franken.

Man kann «durch die Maschen fallen»

Gisler fühlt sich ungerecht behandelt. Er sagt, bei vielen Pensionskassen würden die freiwilligen Einzahlungen separat ausgewiesen und im Todesfall neben einer Witwer- und Waisenrente getrennt ausbezahlt. Die Pensionskasse Johnson & Johnson behalte das Geld aber einfach ein. Er habe nun feststellen müssen, dass man «mit Pensionskasseneinkäufen im schlimmsten Szenario durch die Maschen fallen» könne, sagt er.

Er hat am Obergericht Schaffhausen geklagt, da die Kasse in Schaffhausen ihren Sitz hat. Laut Gisler lautet die Klage auf Ausbezahlung der Freizügigkeitsleistung von rund 1,1 Millionen Franken, allenfalls zumindest der freiwilligen Einkäufe in Höhe von 750 000 Franken.

Pensionskasse rät vor Einkäufen zu sorgfältiger Prüfung

Auf den Vorfall angesprochen, teilt Thomas Moser, Sprecher von Johnson & Johnson, mit, die Pensionskasse könne sich aus rechtlichen Gründen nicht zu personenbezogenen Vorgängen äussern. Zudem könne man sich während eines laufenden Verfahrens nicht in der Öffentlichkeit äussern.

«Die Pensionskasse Johnson & Johnson empfiehlt allen Mitarbeitenden, vor freiwilligen Einkäufen die individuelle Situation und die Bestimmungen im Vorsorgereglement sorgfältig zu prüfen», sagt Moser weiter. Die Pensionskasse publiziere einen ausführlichen Leitfaden, in dem ausdrücklich stehe: «In jedem Fall wird jedoch nur ein Todesfallkapital ausbezahlt, sofern Sie zum Zeitpunkt Ihres Todes nicht bereits Anspruch auf eine Invalidenrente oder eine Altersrente bezogen haben.» Dies war bei der verstorbenen 43-Jährigen der Fall.

Mit diesem Vorgehen werde die Gleichbehandlung aller vorsorgeberechtigten Personen sichergestellt, sagt Moser. Die Ausrichtung eines Todesfallkapitals sei eine überobligatorische, freiwillige Leistung. Die Stiftungsräte der Schweizer Pensionskassen, zusammengesetzt aus Vertretern von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, bestimmten das spezifische Vorsorgereglement einer Kasse. Im Fall von Gisler und seiner Frau seien die freiwilligen Einkäufe in Kenntnis der reglementarischen Bestimmungen geleistet worden, betont Moser weiter.

Einkäufe «nicht automatisch zurückerstattet»

Die Pensionskasse Johnson & Johnson Schweiz hat also klar festgelegt, wie sie in solchen Fällen vorgeht. Sie dürfte auch kein Einzelfall sein: Viele Kassen dürften freiwillige Einkäufe im Todes- oder Invaliditätsfall ähnlich behandeln.

Es gebe aber durchaus Pensionskassen, die hier anders vorgingen, sagt Lukas Müller-Brunner, Direktor des Pensionskassenverbands Asip: «Einzelne Pensionskassen zahlen freiwillige Einkäufe in die berufliche Vorsorge zusätzlich zu Hinterlassenenrenten oder Todesfallkapitalien im Bedarfsfall vollständig aus», sagt er. Dazu seien sie gesetzlich aber nicht verpflichtet, sagt auch er. «Es handelt sich vielmehr um eine überobligatorische Leistung, die Pensionskassen reglementarisch so vorsehen können.» Um Einkäufe attraktiver zu machen, hätten manche Pensionskassen diesbezüglich in den vergangenen Jahren ihre Reglemente geändert.

Pensionskassenverband warnt vor Anspruchshaltung

Entscheidend sei letztlich, was im Reglement der Pensionskasse stehe, sagt Müller-Brunner. Er warnt gleichzeitig vor einer zu grossen Anspruchshaltung der Versicherten. «Eine Pensionskasse ist kein Wohlfahrtsfonds», sagt er. Im Kern bleibe die berufliche Vorsorge eine Sozialversicherung. «Beim Tod einer versicherten Person deckt sie daher den wirtschaftlichen Schaden ab, selbst wenn das angesparte Kapital – trotz Einkäufen – nicht ausreicht.»

Versicherte sollten sich aber bewusst sein, dass sie bei den Pensionskassen nicht per se Anspruch hätten auf «ihr Geld», sondern vielmehr auf Leistungen gemäss Gesetz und Reglementen. «Diese Zahlungen können höher oder tiefer ausfallen als das angesparte Guthaben.»

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