Krisen, Kriege, Konjunkturflaute – doch Schweizer KMU beweisen Widerstandskraft Während geopolitische Spannungen, die Flaute in der Automobilbranche und drohende Zölle die Wirtschaft belasten, bleibt die Stimmung bei kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz gespalten.
Während geopolitische Spannungen, die Flaute in der Automobilbranche und drohende Zölle die Wirtschaft belasten, bleibt die Stimmung bei kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz gespalten.

Ein unberechenbarer US-Präsident, Kriege an allen Ecken der Welt, Krise in der Schlüsselbranche Auto. Doch mag die wirtschaftliche und politische Lage noch so herausfordernd sein, die Schweizer KMU halten stand. «Allerdings ist die Stimmung bei den KMU höchst unterschiedlich», hat Jonas Deplazes, Ökonom bei Raiffeisen Economic Research, festgestellt. Dies gelte vor allem für die Industrie: «Die binnenorientierten KMU berichten von einer besseren Geschäftsentwicklung, während bei den exportorientierten Unternehmen fast nur noch die Pharmaindustrie positive Umsatzzuwächse verzeichnet.»
Zahlreiche exportorientierte Branchen, wie die Automobilzulieferer und der Maschinenbau, hätten mit der schwachen Auslandsnachfrage zu kämpfen. Der Lichtblick: Im Februar hat sich die Stimmung bei den Unternehmen nicht weiter verschlechtert (siehe Grafik). Die Unsicherheit bleibe wegen möglicher Zölle aber weiter gross.
Entwicklung der Wirtschaft in der Industrie und bei KMU

(Quelle: Raiffeisen)
Eine Sonderbefragung von Raiffeisen zeige, dass viele KMU, die im US-Geschäft tätig sind, bei einer Einführung von Zöllen mit spürbaren Umsatzeinbussen rechneten. Selbst wenn die Schweiz vorderhand verschont bliebe, wären die indirekten Folgen eines globalen Handelskrieges erheblich.
Dienstleister im Hoch
Im Dienstleistungssektor ist die Stimmung nach Deplazes deutlich besser: Niedrige Inflationszahlen und eine gesunde Binnennachfrage stützen hier das Wachstum und dürften dies auch weiterhin tun. Die Hotellerie verzeichnete 2024 mit insgesamt 43 Millionen Übernachtungen sogar ein Rekordjahr.
Alexander Fust, Dozent an der Uni St. Gallen, und Stefan Kühn, Geschäftsleitungsmitglied des Beratungsunternehmens BDO, machen ähnliche Feststellungen: «Im Grossen und Ganzen geht es den Schweizer KMU gut und sie sind mehrheitlich optimistisch über ihre wirtschaftliche Lage.»
Weniger zuversichtlich seien ein Teil der exportorientierten KMU, so Fust. Diese kämpften mit verschiedenen Schwierigkeiten. Automobilzulieferer merken die Herausforderungen der Automobilhersteller, die MEM-Branche kämpft mit konjunkturellen Schwierigkeiten. Daneben gebe es Unsicherheiten rund um potenzielle zukünftige Zölle der US-Regierung. «Solche Unsicherheiten reduzieren den Willen zu Investitionen, da unklar ist, welcher Entscheid der richtige ist, und Dinge sich schnell verändern können.»
Als Branche, der es aktuell gut geht, hebt der St. Galler KMU-Dozent den Umbau- und Renovationssektor hervor, wobei dies regional unterschiedlich ausgeprägt ist. Da profitieren Firmen, die gut positioniert sind. Im Handel hat Fust einen weiteren Strukturwandel festgestellt. Bäckereien zum Beispiel würden tendenziell grösser und bestimmte Produktgruppen verlagerten sich weiter Richtung E-Commerce.
Danke, Franken
Für Stefan Kühn ist die von den Schweizer KMU oft beklagte Frankenstärke eigentlich sogar ein Vorteil. Sie zwinge die Unternehmen zur kontinuierlichen Optimierung. «In den letzten Jahren haben sich die Wechselkurse der Währungen der wichtigsten Schweizer Handelspartner, nämlich Euro, US-Dollar und Japanischer Yen, ähnlich negativ entwickelt und der Schweizer Franken hat zunehmend an Stabilität gewonnen.»
Ähnlich sieht es Raiffeisen-Experte Jonas Deplazes: «Es ist ein Vorteil für die Schweizer KMU, dass sie wegen des starken Frankens und der teilweise schon vorher unsicheren aussenpolitischen Lage gelernt haben, mit Risiken umzugehen. Viele Unternehmen besetzen mittlerweile profitable Nischen und können flexibel auf globale Veränderungen reagieren.»
Zudem dürfte das angekündigte deutsche Fiskalpaket helfen, die Konjunktur im nördlichen Nachbarland aus der Stagnation zu befreien. Bis sich dieses auch für die Schweizer KMU positiv auswirke, dürfte es aber noch eine Weile dauern.
«Kundenzufriedenheit und Kundenbindung einer alternden Gesellschaft werden sich von den aktuellen Normen unterscheiden und KMU vor neue Herausforderungen stellen.»
Die für KMU aktuell grössten Sorgen sind nach Erkenntnissen der jüngsten Raiffeisen-Mittelstandsstudie die aussenpolitische Entwicklung und die Auswirkungen eines möglichen Handelskrieges.
BDO-Experte Kühn nennt sodann die Rohstoff- und Energiepreise als grosse Herausforderungen. «Die Betriebe müssen ihre Lieferketten robuster gestalten, indem sie mit mehreren Zulieferern aus verschiedenen globalen Machtblöcken arbeiten und ihre Lagerhaltung erhöhen, um der unvorhersehbaren Entwicklung der Zölle nicht ausgeliefert zu sein.»
Diese strategischen Massnahmen würden aber die Kosten der Lieferketten erhöhen. Als weitere Unsicherheitsfaktoren für exportorientierte Unternehmen nennt Kühn die Beziehungen zur EU und den USA. Weit vorn im Sorgenbarometer sind generell auch die Cybersecurity, der Fachkräftemangel und die Unternehmensnachfolge.
Für KMU wichtige Megatrends
Unsere Gesellschaft wird in den nächsten Jahren von drei Megatrends geprägt werden, ist KMU-Experte Kühn überzeugt: von der Digitalisierung der Prozesse, der Alterung der Gesellschaft und der globalen Entkoppelung. «KMU müssen sich auf diesen Wandel einstellen und sich in diesen drei Dimensionen anpassen, um langfristig erfolgreich zu sein.»
Dementsprechend zählten die digitale Transformation und der Einsatz innovativer Technologien zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für KMU in den kommenden Jahren. Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Stärkung der Cybersecurity würden ebenfalls zunehmend wichtiger.
«Kundenzufriedenheit und Kundenbindung einer alternden Gesellschaft werden sich von den aktuellen Normen unterscheiden und KMU vor neue Herausforderungen stellen. Auch eine frühzeitige und sorgfältige Nachfolgeplanung erweisen sich als entscheidend für den langfristigen Erfolg.»
Fredy Gilgen