«Wichtig ist der Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit in der zweiten Hälfte des Berufslebens» Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse, über die Notwendigkeit, Vorurteile gegenüber älteren Stellensuchenden abzubauen.

Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse, über die Notwendigkeit, Vorurteile gegenüber älteren Stellensuchenden abzubauen.

 

Gabriel Fischer ist Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse

Arbeitnehmende haben bereits ab dem Alter von 50 Jahren Mühe, eine Stelle zu finden. Weshalb eigentlich?

Gabriel Fischer: Zuerst einmal ist zu sagen, dass auch viele ältere Arbeitnehmende gut in den Arbeitsmarkt integriert sind. Schwierig kann es für sie aber werden, bei Stellenverlust wieder eine neue Stelle zu finden. Hier existieren offensichtlich Vorurteile bei den Arbeitgebern.

Hat sich diese Situation in Folge der Corona-Krise noch verschärft?

Erste Entlassungen aufgrund der Corona-Krise haben stattgefunden. Dabei handelt es sich aber in erster Linie um prekär Beschäftigte mit entsprechend kurzen Kündigungsfristen. Aufgrund des wirtschaftlichen Einbruchs dürften weitere Entlassungen folgen und dabei dann insbesondere auch ältere Arbeitnehmende betroffen sein.

Welche Massnahmen gibt es, um ältere Stellensuchende zu unterstützen?

Mit der Stellenmeldepflicht für offene Stellen wurde ein wichtiges Instrument geschaffen, um diskriminierte Personen auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen. Ausserdem ist eine intensivere Betreuung in den regionalen Arbeitsvermittlungen, den RAVs, über individuelle Angebote und Coachings eine sinnvolle Massnahme. Entscheidend für die Wiederbeschäftigung bleibt aber der Abbau der Vorurteile bei den Arbeitgebern.

Was können über 50-Jährige tun, um sich bestmöglich im Arbeitsmarkt zu
positionieren?

Wichtig ist der Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit. Dazu tragen kontinuierliche Aus- und Weiterbildungen und regelmässige Laufbahn- und Standortbestimmungen bei – auch in der zweiten Hälfte des Berufslebens. Entscheidend für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt, hat sich ausserdem eine intensive Pflege des eigenen Netzwerkes gezeigt.

Gibt es auch kreative Ansätze – beispielsweise in Sachen Lohnverhandlungen, Reduktion der Verantwortung oder Teilzeitpensen?

Ältere Arbeitnehmenden haben viel Erfahrung, sind leistungsfähig und haben generell weniger Fehlzeiten als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Es ist nicht plausibel, wenn hier frühzeitig die Löhne stagnieren oder Verantwortung entzogen werden soll. Je nach individueller Situation und insbesondere als Übergang kurze Zeit vor der Pensionierung können solche Massnahmen allenfalls sinnvoll sein.

Welche politischen Massnahmen sind nötig, um ältere Stellensuchende zu
unterstützen?

Wichtig ist die Sensibilisierung der Arbeitgeber für den Abbau der Altersdiskriminierung. Gelingt dies trotz verstärkter Beratung in der Karriereplanung und Informationsvorsprung im Falle von Arbeitslosigkeit nicht, wird ein besserer Kündigungsschutz für langjährige Mitarbeitende noch stärker zu einem politischen Thema werden. Zusätzlich sind die Anstrengungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung für alle Alterskategorien – aber insbesondere der älteren Arbeitnehmenden – zu verstärken.

Was unternimmt Travail.Suisse?

Für Travail.Suisse ist es zentral, dass der Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit über Aus- und Weiterbildung eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung wird. Nicht der Arbeitnehmende allein ist dafür verantwortlich, sondern er braucht mehr zeitliche und finanzielle Unterstützung durch die Arbeitgeber und den Staat. Wir beobachten den Matthäus-Effekt: Wer hat, dem wird gegeben. Gerade tiefer Qualifizierte oder Teilzeitarbeitende werden bei den Weiterbildungsbemühungen alleine gelassen und drohen als ältere Arbeitnehmende Probleme zu bekommen.

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