Anti-Haar-Laser, Diätkochbuch oder ein Sockenabo: Welche Fehler Sie beim Schenken machen – und wie Sie sie vermeiden Wer schenkt, ist nett, denkt man. Doch wer schenkt, erwartet ein Gegengeschenk. Glauben Sie nicht? Ist aber so, sagt der Experte Bernd Stauss. Eine Weihnachtsanleitung.

Wer schenkt, ist nett, denkt man. Doch wer schenkt, erwartet ein Gegengeschenk. Glauben Sie nicht? Ist aber so, sagt der Experte Bernd Stauss. Eine Weihnachtsanleitung.

 

Illustration Simon Tanner / NZZ

Es ist alles angerichtet: Bienenwachskerzen brennen am Christbaum, ein goldener Teller mit Guetzli steht auf dem feierlich gedeckten Tischchen, aus den Lautsprechern säuseln B. B. Kings herzerwärmende Christmas-Songs. Es sollte ein besinnliches Weihnachtsfest werden.

Doch die Stimmung ist schlecht. Marianne hat gerade das Geschenk von Robert ausgepackt: ein Haarentfernungslaser. Der war teuer, entsprechend gespannt ist Robert auf Mariannes Reaktion. Marianne versucht, sich zu freuen, es gelingt ihr nur mässig. Was will mir Robert damit sagen?, fragt sie sich. Bin ich ihm zu haarig?

Als Robert Mariannes Geschenk auspackt, hält er eine Socke in der Hand. Auf einem Zettel steht: Sockenabonnement für ein Jahr. Frische Socken, direkt im Briefkasten. Marianne fand das witzig. Robert aber ist enttäuscht. Er denkt: Ich schenke ihr ein teures Gerät und bekomme ein paar Socken. Bin ich ihr etwa weniger wert? Ist sie nicht mehr glücklich mit mir?

Ein fiktives Beispiel, ja. Trotzdem könnte sich an Weihnachten so etwas Ähnliches in mancher Stube wiederholen, denn: Schenken ist eine Kunst. Zu Weihnachten zeigt sich ungeschönt, wer diese Kunst beherrscht und wer eben nicht. Vielen geht es wie Robert oder Marianne. Sie wollen kreativ sein, sie geben viel Geld aus, und dennoch ist ihr Geschenk ein Reinfall. Wie kann das sein?

Einer, der das beantworten kann, ist Bernd Stauss. Der 77-Jährige ist emeritierter Wirtschaftsprofessor und hat ein Buch geschrieben über die Psychologie des Schenkens. Er sagt: «Geschenke sind verpackte Informationen. Sie sagen etwas über den Schenker aus, über seine Grosszügigkeit, seinen Geschmack, aber auch darüber, wie er den anderen sieht.»

Ein Haarentfernungslaser oder ein Sockenabo kann also etwas über den Stand der Beziehung zwischen den Beschenkten aussagen. Und das Schlimme ist: Diese Informationen werden unter dem Tannenbaum geteilt, vor den Augen aller anderen. Die Mutter beäugt kritisch, wie es um die Ehe ihrer Tochter steht. Genauso sieht die kleine Schwester, dass der grosse Bruder vermeintlich mehr Geschenke erhält – und deshalb angeblich von den Eltern mehr geliebt wird.

Wieso schenken wir überhaupt, wenn solche Kränkungen programmiert scheinen? Stauss sagt: «Wenn wir genau hinschauen, erkennen wir, dass wir gar nicht anders können.» Wir beschenken diejenigen, auf deren Unterstützung wir angewiesen sind. «Es ist also ein System der Gegenseitigkeit, und es ist überall gültig, in allen Kulturen, in allen Ländern.»

Die Frage ist also: Wie gelingt Schenken? Sieben Tipps, um die grössten Fehler zu vermeiden.

1. Achten Sie auf die drei Pflichten des Schenkens

Zuerst die schlechte Nachricht: Nein, Schenken geschieht nicht aus purer Menschenliebe. Es beruht auf Pflichten. Schon vor hundert Jahren formulierte der französische Ethnologe Marcel Mauss drei Regeln des Schenkens.

  • Die Pflicht des Gebens: Um Beziehungen aufzubauen, müssen wir unter anderem Präsente machen. Wenn Sie an Heiligabend als Einziger ohne Geschenke auftauchen, merken Sie schnell, dass Sie gegen diese Regel verstossen haben.
  • Die Pflicht des Annehmens: Wenn Ihnen jemand ein Präsent macht, müssen Sie es annehmen. Stellen Sie sich vor, die Schwiegermutter schenkt der Schwiegertochter einen wertvollen Familienschmuck, und diese sagt: «Nein danke, das ist mir zu protzig.» Eine Kriegserklärung.
  • Die Pflicht zur Gegengabe: Geschenk verlangt Gegengeschenk, ganz einfach. Wer von jemandem etwas erhält, der verspürt ein Gefühl, der schenkenden Person etwas zurückgeben zu sollen, damit eine Art Gleichgewicht wieder hergestellt ist.

2. Seien Sie nicht zu grosszügig

Apropos Gleichgewicht: Geschenke sollten ungefähr gleich teuer sein – oder gleich viel Aufwand in der Beschaffung gemacht haben. Wenn Sie Ihrem Bruder einen 400-Franken-Gutschein für den Edelitaliener in der Stadt schenken, ist das natürlich sehr grosszügig. Aber es bringt Ihren Bruder in eine schwierige Situation – vor allem, wenn sein Gegengeschenk ein Früchtekorb ist.

Bernd Stauss sagt: «Ein teures Geschenk kann ungute Gefühle auslösen und den Beschenkten in eine unterlegene Position bringen.»

3. Vermeiden Sie bittere Geschenke

Manche Leute machen Geschenke, um Menschen zu belehren, zu erziehen oder aufzurütteln. Ihre Gaben haben eine Botschaft. Ein Diätkochbuch etwa sagt: «Nimm ab!» Eine Anti-Aging-Crème bedeutet: «Du bist zu alt!» Ein Fitnessgutschein meint: «Du bist zu faul!» Auch Stauss kennt solche Geschenke mit bitterem Nachgeschmack: «Eine Bekannte von mir hat von ihrer Schwägerin einmal ein Benimmregel-Buch erhalten. Das war ziemlich deutlich.»

Ein Geschenk soll also nicht der Schenkerin gefallen, sondern dem Beschenkten. Es geht um seine Wünsche, Bedürfnisse und Vorlieben.

4. Reagieren Sie richtig

Geschenke überreichen wir feierlich. Wir haben vielleicht sogar noch einen Spruch vorbereitet. «Hier, bitte sehr, frohe Weihnachten» etwa. Oder: «Ich hoffe, du freust dich.» Der Empfängerin bleibt nichts anderes übrig, als genau dies zu tun: sich zu freuen. Erwartungsvoll zu schauen, das Geschenk sorgfältig auszupacken – und am Ende überrascht zu sein. Stauss sagt: «Selbst wer enttäuscht ist, darf das nicht zeigen, sondern muss mitspielen.»

Aber warum? Wer schenke, beobachte die Reaktion des Empfängers mit grosser Aufmerksamkeit, sagt Stauss. «Wenn er nun erkennt, dass sein Geschenk offenbar misslungen ist, dann löst dies beim Geber negative Emotionen wie Enttäuschung, Schuldgefühl oder Scham aus.» Wolle der Empfänger das verhindern, müsse er also schauspielern, so Stauss.

Wer sich aber durch ein Geschenk verletzt, gedemütigt oder gekränkt fühlt, sollte dies auch ansprechen, schon nur, um Wiederholungen in der Zukunft zu vermeiden. Das kann natürlich zu unguten Gefühlen führen. «Aber ungute Gefühle sind durch das Geschenk ohnehin bereits entstanden», sagt Stauss.

5. So beschenken Sie die Schwierigen

Wir kennen sie alle: die Ich-brauch-nichts-Typen. Bernd Stauss nennt sie die Wunschlosen. Was kann man ihnen schenken – muss man ihnen überhaupt etwas schenken? «Wenn alle ein Präsent kriegen, nur die Wunschlosen nicht, kann das eine falsche Botschaft übermitteln», sagt der emeritierte Professor. Was also tun? «Es kann eine Kleinigkeit sein. Die Wunschlosen werden dann zwar sagen: ‹Ich wollte doch gar nichts.› Letztlich sind sie dann aber doch dankbar, dass sie nicht vergessen wurden.»

Schwieriger ist es bei den besonders Kritischen. Jenen also, die sagen: «Schenkt mir nichts», weil sie denken: «Ihr schenkt mir ja sowieso das Falsche.» Solche Menschen haben laut Stauss jeweils am meisten Mühe, ihre ablehnende Mimik unter Kontrolle zu halten, wenn sie ein (falsches) Geschenk bekommen.

Andere wiederum verschicken im Familienkreis genaue Wunschlisten. Darauf steht dann etwa: «Sneaker von Nike. Typ: Air Jordan. Grösse: 43. Farben: schwarz, weiss, rot. Merci.»

Stauss empfiehlt hier, nicht von der Wunschliste abzuweichen. «Solche Menschen haben negative Überraschungen mit Geschenken erlebt. Um das in Zukunft zu vermeiden, schreiben sie solch präzise Wunschzettel.»

Dann gibt es noch diejenigen, die aus Freude schenken – und partout nichts zurückhaben möchten. Geschenk ohne Gegengeschenk also. Meinen die das ernst? «Ich glaube schon», sagt Stauss. «Aber sie sind trotzdem nicht unglücklich, wenn eine kleine Geste zurückkommt.» Ein kleines Gegengeschenk etwa. Das entlaste vor allem auch den Beschenkten.

6. Bei Kindern gelten andere Regeln

Für Kinder ist Weihnachten das Grösste, aber es ist auch eine Qual: Sie können ihre Wünsche auf einen Zettel schreiben, müssen dann aber einen Monat darauf warten – ohne zu wissen, ob ihre Wünsche auch in Erfüllung gehen.

Wenn Heiligabend endlich da ist, müssen sie auch noch viele Rituale überstehen. In die Kirche gehen, möglicherweise, artig am Tisch essen, die Erwachsenen unterhalten, indem sie Weihnachtslieder vorflöten. Die ganze Zeit wissen sie nicht, ob da unter dem Tannenbaum nun das gewünschte E-Schlagzeug liegt oder doch nur ein Skihelm. Es herrscht also eine grosse Anspannung.

Aus diesem Grund ist es laut Bernd Stauss wichtig, dass man nicht von den Kinderwünschen abweicht. Wenn ein Mädchen sich ein Plastik-Piratenboot von Playmobil auf die Liste geschrieben hat, sollten die Eltern ihr nicht ein geschnitztes Schiff aus Fichtenholz schenken, auch wenn sie dies vielleicht schöner finden. «Die Kinder sind dann zu Recht enttäuscht. Das ist ein Versagen der Schenkenden.»

Natürlich gebe es Gründe, Kinderwünsche nicht zu erfüllen – sei dies aus finanziellen Motiven oder aus pädagogischen. «Dann sollte man das den Kindern aber schon vorher klarmachen, indem man sagt: ‹Das, was da zuoberst auf deiner Liste steht, wirst du wohl nicht erhalten.›»

7. So gelingt das gute Geschenk

Nun haben wir vieles gehört, was es zu vermeiden gilt. Was aber macht am Ende das perfekte Geschenk aus? Laut Bernd Stauss gibt es drei grundlegende Eigenschaften dafür. Mindestens eine davon muss erfüllt sein.

  • Das Geschenk entspricht den Wünschen und Bedürfnissen der Beschenkten. Heisst eben: keine Diätbücher oder Fitnessgutscheine.
  • Der Schenker soll sich Mühe geben, ein Geschenk zu finden. Etwa eine Rarität aufspüren, eine alte Brosche, ein vergriffenes Buch. Dies zeigt, dass er Zeit investiert hat, dass er sich Gedanken gemacht hat darüber, was die beschenkte Person freuen könnte.
  • Der Aspekt der Überraschung: Wer ein Geschenk ohne Anlass erhält, dem ist laut Stauss schon fast egal, was das Geschenk ist. «Man freut sich einfach, dass man überraschend etwas erhalten hat.» Zugegeben, an Weihnachten ist das ziemlich schwierig.

Gab es auch Geschenke, die sogar dem Geschenkprofi misslungen sind? «Ja», sagt Bernd Stauss. Ein guter Freund habe sich einst ein kreatives Geschenk gewünscht. «Ich habe ihm mehrere Bilderrätsel gebastelt, die etwas mit unserem gemeinsamen Erlebten zu tun hatten.» Ein grosser Aufwand sei das gewesen.

Doch der Freund habe keine Reaktion gezeigt, als Stauss ihm das Geschenk übergeben habe. «Später habe ich ihn mal gefragt, ob er die Rätsel habe lösen können. Seine einzige Antwort: ‹Es waren ziemlich viele.›» Bis heute weiss Stauss nicht, was das Problem war.

Das Beispiel zeigt: Auch mit den sieben Tipps kann noch etwas schiefgehen. Aber Sie wissen nun wenigstens, wann Sie auf einen Anti-Haar-Laser oder ein Sockenabo verzichten sollten.

Florian Schoop, «Neue Zürcher Zeitung» 

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