«Die Altersvorsorge vergisst nichts»: sieben Punkte, die Teilzeitarbeitende bei ihren Finanzen beachten sollten Wer Teilzeit arbeitet, sollte sich erkundigen, wie die eigene Pensionskasse damit umgeht. Was Teilzeitbeschäftigte zusätzlich berücksichtigen sollten – und wie sie Vorsorgelücken schliessen.
Wer Teilzeit arbeitet, sollte sich erkundigen, wie die eigene Pensionskasse damit umgeht. Was Teilzeitbeschäftigte zusätzlich berücksichtigen sollten – und wie sie Vorsorgelücken schliessen.
Zeit für die Kinder, pflegebedürftige Eltern, endlich den Master machen oder mehr Zeit für sich selbst – die Gründe für Teilzeitarbeit sind vielfältig. Nicht Vollzeit zu arbeiten, liegt in der Schweiz jedenfalls im Trend. Im Jahr 2022 waren 37 Prozent der Erwerbstätigen in der Schweiz in einem Teilzeitpensum beschäftigt – bei den Frauen waren es 58 Prozent, bei den Männern rund 19 Prozent, wie Daten des Bundesamts für Statistik (BfS) zeigen. Dabei sind Pensen mit einem Beschäftigungsgrad bis zu 89 Prozent erfasst.
Die Schweizerische Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten hat indessen Frauen und Männern 2016 in einem Bericht empfohlen, ihren Beschäftigungsgrad während ihrer ganzen Erwerbszeit nicht unter ein Minimum von 70 Prozent fallen zu lassen – denn: «Das Schweizer Altersvorsorgesystem vergisst nichts.» Wer über eine längere Zeit hinweg in einem Pensum von weniger als 50 Prozent arbeite, riskiere, nach der Pensionierung mit dem Existenzminimum auskommen zu müssen oder finanziell stark abhängig zu sein vom Partner oder von der Partnerin. «Mit einer Scheidung erhöht sich dieses Risiko», heisst es darin weiter.
Es ist also gut denkbar, dass sich der Trend zur Teilzeitarbeit für den einen oder die andere später noch rächt, wenn sie nicht entsprechende Vorkehrungen treffen. Dies gilt vor allem für Personen, die nicht verheiratet sind – in einer Ehe fliessen der Lohn und die Vorsorge aus der Teilzeitarbeit in einen grösseren Topf ein, das ist in diesem Zusammenhang zu beachten.
«Den Effekt von Teilzeitarbeit auf Pensionierungen sieht man erst mit Verzögerung, in zwanzig oder dreissig Jahren», sagt Andreas Lichtensteiger, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Vermögens-Partner. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Schweizer Altersvorsorge immer noch stark auf 100-Prozent-Pensen ausgelegt ist, gesellschaftliche Realitäten sind wenig berücksichtigt. Die BVG-Reform sieht hier gewisse Änderungen vor.
Teilzeitbeschäftigte sollten also mit Blick auf die Altersvorsorge die folgenden sieben Punkte beachten.
1. Die AHV-Rente könnte kleiner ausfallen
Die volle AHV-Rente von monatlich 2450 Franken bekommt man nur bei einer lückenlosen Beitragsdauer und einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 88 200 Franken pro Jahr. Für Teilzeitarbeitende ist das oft nicht realistisch. Die minimale AHV-Rente beträgt zurzeit 1225 Franken pro Monat.
Wie die Informationsstelle AHV/IV auf ihrer Website ausführt, liegt die volle Beitragsdauer für Frauen bei 43 Jahren und für Männer bei 44 Jahren – zumindest bis zum Inkrafttreten der AHV-Reform, die das Rentenalter für Männer und Frauen auf einheitliche 65 Jahre festlegt. Wer die 44 Beitragsjahre erreicht, erhält eine Vollrente. Bei Beitragslücken gibt es nur eine Teilrente. Jedes fehlende Beitragsjahr führt zu einer Kürzung der Rente von 2,27 Prozent. Um dies zu vermeiden, sollte man ab dem 22. Lebensjahr jährlich den AHV-Mindestbeitrag von 514 Franken pro Jahr einzahlen.
Die Informationsstelle AHV/IV weist darauf hin, dass man keine eigenen AHV-Beiträge bezahlen muss, wenn die Ehefrau oder der Ehemann jährliche Beiträge über mindestens 1028 Franken pro Jahr zahlt. Zudem erhält man Erziehungs- bzw. Betreuungsgutschriften, wenn man Kinder grosszieht oder Verwandte pflegt.
Teilzeitbeschäftigte sollten gut über den Stand ihrer Altersvorsorge informiert sein. Bei der AHV ist zu empfehlen, regelmässig den Auszug für das Individuelle Konto (IK) zu bestellen. Auf diesem sind die beitragspflichtigen Einkommen, die Zeiten und Betreuungsgutschriften aufgezeichnet. Sind Beitragslücken ersichtlich, kann man diese innerhalb von fünf Jahren ausgleichen.
2. Teilzeitarbeit hat negative Folgen für die Pensionskasse
Teilzeitbeschäftigung hat auch negative Folgen für die berufliche Vorsorge. So müssen Teilzeiterwerbstätige zunächst einmal die Eintrittsschwelle von einem Gehalt von 22 050 Franken im Jahr überwinden, um überhaupt in der Pensionskasse versichert zu sein.
Problematisch ist für Teilzeitarbeitende auch der sogenannte Koordinationsabzug. Dieser beträgt zurzeit 25 725 Franken und wird vom Einkommen abgezogen, um den versicherten Lohn zu erhalten. Bei einer Pensionskasse, die den Koordinationsabzug nicht gesenkt oder an das Pensum der Teilzeitbeschäftigten angepasst hat, sind bei einem Gehalt von 50 000 Franken folglich nur 24 225 Franken versichert. Mit der BVG-Reform, die wohl noch vor das Volk kommt, käme es hier zu Änderungen (vgl. unten).
Für viele Arbeitnehmende hat der Entscheid, Teilzeit zu arbeiten, auch negative Folgen für die Karriere – und damit indirekt für die Vorsorge. Heutzutage ist Teilzeitarbeit auch bei Männern mehr akzeptiert als früher, viele Unternehmen haben auf den gesellschaftlichen Trend reagiert. Allerdings ist auch heute noch davon auszugehen, dass Teilzeitbeschäftigte weniger gute Karrieremöglichkeiten haben als Vollzeitangestellte. Dies schlage sich dann indirekt über das Gehalt und die entsprechenden Leistungen ebenfalls in einer geringeren Altersvorsorge nieder, sagt Lichtensteiger. Gerade jüngere Menschen, die vor der Familienplanung stehen, sollten dies berücksichtigen.
Über den Stand der beruflichen Vorsorge und entsprechende Rentenprognosen informiert der Vorsorgeausweis, den die Pensionskasse jährlich an die Versicherten verschickt. Tun sich hier Lücken auf, sollte man beim Vorhandensein entsprechender Mittel über freiwillige Einkäufe in die Kasse nachdenken. Mit diesen kann man die Vorsorge aufbessern und gleichzeitig Steuern sparen. Allerdings sollte man vorher die Qualität und die finanzielle Lage der Pensionskasse prüfen.
Eine weitere Option sind erweiterte Sparpläne der Pensionskasse, mit denen Versicherte mehr einzahlen. Diesen können sie sich nach Wahl anschliessen.
3. Pensionskassen gehen unterschiedlich mit Teilzeitbeschäftigten um
«Viele Teilzeitbeschäftigte interessieren sich nicht für Altersvorsorge», sagt Lichtensteiger. Es sei aber sehr wichtig, dass sie prüften, wie ihre Pensionskasse ausgestaltet sei.
Kassen haben bereits heute die Freiheit, den Koordinationsabzug zu senken oder diesen an das Pensum der Beschäftigten anzupassen – auch ohne BVG-Reform. «Vorsorgeeinrichtungen können Teilzeitbeschäftigte von heute auf morgen besserstellen», sagt Christian Heiniger, Pensionskassenexperte bei dem Beratungsunternehmen Willis Towers Watson. Laut Mia Mendez, Geschäftsführerin der Pensionskasse Mitarbeitende P-Schweiz der Firma PwC, haben die meisten Schweizer Pensionskassen hier bereits Anpassungen vorgenommen. Die Kassen seien hier der Politik weit voraus.
Bei Pensionskassen, die hier keine Anpassungen vorgenommen haben, könnten die zusätzlichen Kosten, aber auch Unwissen eine Rolle spielen, sagt Lichtensteiger. «Für Teilzeitbeschäftigte ist das verheerend.»
Ab einem gewissen Pensum stellten sich indessen Fragen, sagt Heiniger. So sei offen, ob Abzüge auf einen Lohn von 10 000 Franken pro Jahr sinnvoll seien. Die Rente darauf sei schliesslich sehr klein und die Akzeptanz von Lohnabzügen bei kleinen Einkommen ebenfalls. Zudem seien bei kleinen Beträgen auch die Verwaltungskosten für die Pensionskasse zu berücksichtigen. Diese belaufen sich im Allgemeinen auf zwischen 100 und 400 Franken pro versicherte Person im Jahr. Dies ergibt ein schlechtes Verhältnis von Aufwand zu Ertrag.
4. Vorsicht beim Konkubinat
Leben Teilzeitbeschäftigte in einer Partnerschaft, ist zu berücksichtigen, ob sie verheiratet sind oder nicht. Dies gilt insbesondere für Personen, die ihr berufliches Pensum wegen familiärer Verpflichtungen reduziert haben – etwa wegen der Betreuung von Kindern oder von älteren Menschen in der Familie. Bei nicht verheirateten Personen gibt es nach einer Trennung keinen Ausgleich der während der Partnerschaft angesparten Vermögen.
Lebt ein Paar im Konkubinat, sollte die Person, die in einer solchen Konstellation das berufliche Pensum verringert hat – oftmals ist das die Frau –, genau rechnen. Das reduzierte Pensum wirkt sich hier nämlich deutlich negativ auf die Altersvorsorge aus, während der möglicherweise weiterhin in einem 100-Prozent-Pensum beschäftigte Partner seine Pensionskasse äufnet. Lichtensteiger findet es in einer solchen Konstellation gerecht, wenn der in einem vollen Pensum beschäftigte Konkubinatspartner seiner Partnerin Ausgleichszahlungen leistet. Ist das Paar verheiratet, sind solche Ausgleichszahlungen im Allgemeinen nicht nötig.
Viele Paare würden auch deswegen nicht heiraten, weil sie als Konkubinatspaare mehr aus der AHV bekommen könnten oder weil sie es steuerlich unattraktiv fänden, sagt Mendez. Gerade wenn Konkubinatspaare aber Kinder hätten, könne das für die Partnerin oder den Partner mit beruflich reduziertem Pensum finanziell und für die Altersvorsorge böse Folgen haben. Umgekehrt trägt der stärker erwerbstätige Partner in einer Ehe die geringeren Pensionsansprüche des Partners mit.
5. Mehrere kleine Pensen sind oft Gift für die Vorsorge
Wer in Teilzeit bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt ist – hier mit einem 20-Prozent-Pensum, dort mit 20 und dort noch mit weiteren 30 Prozent –, droht im Schweizer Altersvorsorgesystem durch die Maschen zu fallen oder sehr schlecht abgesichert zu sein – und es geht ja nicht nur um die Altersvorsorge. Bis zum Rentenalter sind auch Risikoleistungen für Tod und Invalidität versichert.
Im Hinblick auf die Altersvorsorge sei dies «das Schlechteste, was man machen kann», sagt Lichtensteiger. Im Extremfall hat man auf jedem Pensum den Koordinationsabzug. Unter Umständen könne es passieren, dass solche Beschäftigten am Ende gar keine Pensionskasse hätten. Die BVG-Reform sehe zwar Änderungen vor, aber diese lösten die Situation von Mehrfachbeschäftigten nicht.
Mehrfachbeschäftigte sollten sich erkundigen, ob Möglichkeiten bestehen, die einzelnen Einkommen über eine einzige Pensionskasse zu versichern – aber nur wenige bieten dies an. Dann würde der Koordinationsabzug nur einmal anfallen. Laut Mendez ist auch die Stiftung Auffangeinrichtung BVG eine Option für solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Leistungen der Auffangeinrichtung gelten zwar gemeinhin als wenig attraktiv – so bekämen die Mehrfachbeschäftigten aber immerhin die Beiträge ihrer Arbeitgeber, sagt sie.
6. Vorsorgelücken lassen sich mit der Säule 3a oder Geldanlagen schliessen
Die private Vorsorge in der Säule 3a kann dabei helfen, allfällige Vorsorgelücken in der AHV und der Pensionskasse zu schliessen. Dafür ist ein AHV-pflichtiges Erwerbseinkommen nötig. Wer einer Pensionskasse angeschlossen ist, kann in diesem Jahr 7056 Franken steuerbegünstigt in die Säule 3a einzahlen. Für Selbständigerwerbende, die bei keiner Vorsorgeeinrichtung versichert sind, sind es sogar maximal 35 280 Franken beziehungsweise maximal 20 Prozent des Einkommens. Für das Sparen in der Säule 3a sind aus Kostengründen digitale Vorsorge-Apps oder günstige 3a-Wertschriftenfonds, die Börsenindizes abbilden, zu empfehlen.
Natürlich kann man auch ausserhalb der Säule 3a privat vorsorgen. Auch hier ist je nach Risikoneigung das Aktiensparen mit Indexfonds oder Exchange-Traded Funds (ETF) zu empfehlen. Die Geldanlage in Aktien hat ihre Risiken. Bei einer langen Anlagedauer, bei der sich Verluste über die Zeit hinweg ausgleichen, reduzieren sich diese aber.
7. Die BVG-Reform sieht Änderungen für Teilzeitbeschäftigte vor
Mitte März dieses Jahres hat das Parlament die BVG-Reform, auch als Pensionskassenreform bekannt, verabschiedet. Sie beinhaltet auch Änderungen für Teilzeitbeschäftigte.
So soll es in Zukunft keinen fixen Koordinationsabzug mehr geben, in der Pensionskasse sollen hingegen stets 80 Prozent des entsprechenden Lohnes versichert sein bis zur BVG-Obergrenze von derzeit 88 200 Franken. Zudem würde mit der Reform auch die Eintrittsschwelle bei der Pensionskasse gesenkt, und zwar von 22 050 auf 19 845 Franken. Davon sollen Teilzeit- und Mehrfachbeschäftigte profitieren. Laut einer Meldung der Nachrichtenagentur SDA würden durch die Reform rund 70 000 Arbeitnehmende neu in der beruflichen Vorsorge versichert und zusätzliche 30 000 Einkommen obligatorisch besser versichert. Es ist davon auszugehen, dass die BVG-Reform vor das Volk kommt.
«Für jene, die heute in BVG-Minimalkassen versichert sind, bringt die Reform tatsächlich etwas», sagt Mendez. Es werde ein höherer Teil des Lohnes in der beruflichen Vorsorge versichert. Mit Minimalkassen sind «BVG-nahe» Vorsorgeeinrichtungen gemeint, die nur das gesetzliche Minimum oder wenig mehr versichern. Bei diesen Kassen sind nur Löhne bis zur Obergrenze versichert, und Versicherte mit höheren Löhnen sparen im überobligatorischen Bereich nichts oder zu wenig an. Laut Mendez sind rund 15 bis 20 Prozent der Pensionskassen als Minimalkassen einzustufen.
«Schwierig ist allerdings die Abwägung, bis zu welcher Lohnhöhe das Zwangssparen in der Pensionskasse überhaupt Sinn ergibt», sagt sie. Für sehr tiefe Einkommen zähle schliesslich jeder Franken, der am Ende des Monats auf dem Lohnkonto ankomme.
Serie: «Neue Arbeitsmodelle: Ausbrechen aus dem Büroalltag»
Das Leben lang bei einem Arbeitgeber verbringen, stets zu hundert Prozent arbeiten und täglich im Büro erscheinen – viele Arbeitnehmer können sich dies heute nicht mehr vorstellen. Gerade Hochqualifizierte haben heute weniger Angst vor «ungeraden Lebensläufen» und Lücken im CV. Dabei sollte man aber stets Finanzen und Altersvorsorge im Auge behalten. Die NZZ beantwortet in einer Serie die wichtigsten Fragen.