Die Ikea-Erben, ein russischer Milliardär und die Familie Blocher – das sind die grössten Gewinner und Verlierer unter den Reichsten der Schweiz 2022 war ein wirtschaftlich schwieriges Jahr. Doch manch einer hat auch hinzugewonnen, wie das diesjährige «Bilanz»-Ranking der 300 Reichsten in der Schweiz zeigt.

2022 war ein wirtschaftlich schwieriges Jahr. Doch manch einer hat auch hinzugewonnen, wie das diesjährige «Bilanz»-Ranking der 300 Reichsten in der Schweiz zeigt.

 

Das Krisenjahr 2022 hat bei den 300 Reisten einige grosse Verlierer hervorgebracht – aber auch ebenso grosse Gewinner. Bild: unsplash

Gestiegene Preise, Lieferprobleme und geopolitische Spannungen – das Wirtschaftsjahr 2022 war wohl das schwierigste seit der Finanzkrise. Das bekamen sogar die Reichsten der Reichen zu spüren: Erstmals seit 13 Jahren ist das Vermögen der 300 wohlhabendsten Personen oder Familien in der Schweiz wieder gesunken – wenn auch nur um 0,1 Prozent. Das geht aus der diesjährigen Liste der «Bilanz» hervor, die das entsprechende Ranking seit nunmehr 34 Jahren veröffentlicht. Demnach betrug das Gesamtvermögen derer, die es auf die Liste geschafft haben, in diesem Jahr 820,97 Milliarden Franken. Im Vorjahr waren es noch 821,8 Milliarden gewesen.

Die Meldung überrascht kaum, schliesslich sind die Finanzmärkte schon das ganze Jahr über unter Druck. Doch schaut man sich die Liste der Reichsten genauer an, stellt man fest, dass sie das finanzielle Umfeld in ganz unterschiedlichem Ausmass zu spüren bekommen haben. Das Krisenjahr 2022 hat einige grosse Verlierer hervorgebracht – aber auch ebenso grosse Gewinner.

Gewinne in der Energie- und der Logistikbranche

Dazu zählen, ebenfalls wenig überraschend, etwa Rohstoff- und Energiekonzerne. Ivan Glasenberg, der Hauptaktionär des Zuger Rohstoffhändlers Glencore, konnte sein Vermögen um 2 Milliarden Franken auf schätzungsweise 8 Milliarden steigern. Torbjörn Törnqvist, CEO und Mehrheitsgesellschafter des Genfer Rohwarenhändlers Gunvor, ist in diesem Jahr um 1,5 Milliarden Franken reicher geworden, auch dank dem Flüssiggas-Boom.

Doch das ist nichts gegen die Gewinne der Reederei-Familie Aponte: Wegen der hohen Nachfrage in der Seeschifffahrt und der damit verbundenen explodierenden Container-Preise stieg das Vermögen der Familie um 11 Milliarden Dollar – und verdoppelte sich damit fast. Die Apontes sind somit erstmals in den Bereich der Top 10 aufgestiegen, und zwar direkt auf Rang 6.

Andere hingegen mussten ihren Platz auf der Liste der reichsten 10 räumen: die Familien Schindler und Bonnard, Eigentümer des Liftbauers Schindler, dessen Kurs stark an Wert verlor, sowie der russische Oligarch Gennadi Timtschenko, der aufgrund des Kriegs in der Ukraine mit Sanktionen belegt wurde. Ihre Vermögen sanken um 7 bzw. 6 Milliarden Franken. Neu in den Orbit aufgestiegen ist hingegen der Genfer Unternehmer Guillaume Pousaz, der Gründer des Zahlungsabwicklers Checkout.com. 2022 wurde das Unternehmen mit 40 Milliarden Dollar bewertet und galt somit als wertvollstes europäisches Fintech-Startup. «Bilanz» schätzt das Vermögen von Pousaz auf bis zu 16 Milliarden Franken, er belegt damit Platz 9 im Ranking.

Ikea-Erben führen die Liste weiter an

Sonst sind in der Top-10-Liste die üblichen Verdächtigen zu finden: Platz 1 belegen, wie schon seit Jahren, mit 55 Milliarden Franken die Gebrüder Kamprad, die Erben des Ikea-Gründers Ingvar Kamprad. Von Platz 3 auf Platz 2 aufgestiegen ist Gérard Wertheimer, der Eigentümer des Haute-Couture-Hauses Chanel, das auf ein überaus erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken kann. Wertheimer erhöhte sein Vermögen um 9 Milliarden auf neu 39 Milliarden Franken und verdrängte somit die Roche-Familien Oeri, Hoffmann und Duschmalé, die im Zuge der schwächelnden Kurse des Pharmakonzerns 4 Milliarden einbüssten (Vermögen neu: 31 Milliarden).

Die Familie Blocher musste ebenfalls Einbussen hinnehmen: Sowohl der von Markus Blocher mehrheitlich gehaltene Pharmazulieferer Dottikon ES als auch die von Magdalena Martullo-Blocher geführte Ems-Chemie bekamen in diesem Jahr das schwierige wirtschaftliche Umfeld zu spüren. Das Vermögen der Blochers sank von 20 auf 14,5 Milliarden Franken, die Familie liegt nun auf dem letzten Platz des Top-10-Rankings.

Schätzungen. Die Besitztümer der Reichsten setzen sich in der Regel aus einem breiten Portfolio zusammen und sind oft in Stiftungen und komplizierten Geflechten versteckt. Manch einem gelingt es sogar, über Jahre hinweg vollständig unter dem Radar der Behörden zu bleiben: Der 96-jährige Wein- und Getränkeunternehmer Pierre Castel steht in diesem Jahr erstmals auf der «Bilanz»-Liste, obwohl er über ein Vermögen von 13 Milliarden Franken verfügt. Weil er sich hierzulande mit seinem zweiten Namen angemeldet hatte, stöberten die Genfer Behörden ihn erst kürzlich auf – und forderten sogleich eine Steuernachzahlung von 45 Millionen Franken ein.

Zehn Personen sind neu hinzugekommen

Die Familie Castel ist nicht die einzige, die in diesem Jahr erstmals auf der Liste der Reichen erscheint – und dort auf absehbare Zeit erst einmal bleiben wird. Insgesamt gab es zehn Neuzugänge. Manche kamen hinzu, weil ihr Vermögen erstmals die geforderte Schwelle von 100 Millionen Franken überschritt, wie etwa die Threema-Gründer Martin Blatter, Silvan Engeler und Manuel Kasper. Andere erhielten ihren Platz, weil ihr Unternehmen in kürzester Zeit enorm an Bewertung gewann, wie etwa die Krypto-Unternehmer Ophelia Snyder und Hany Rashwan, Gründer des Startups 21Shares. Und wieder andere sind erst in diesem Jahr in die Schweiz gezogen. Prominentestes Beispiel ist der norwegische Milliardär Kjell Inge Rökke: Mutmasslich wegen der hohen Steuern für Reiche verliess er seine Heimat in diesem Sommer in Richtung Tessin.

Als die «Bilanz» das Ranking mit den reichsten Schweizern 1989 das erste Mal veröffentlichte, zählte es erst 100 Personen. Diese besassen gemeinsam ein Vermögen von 66 Milliarden Franken. Heute verfügen allein die Gebrüder Kamprad und Gérard Wertheimer, die die ersten beiden Plätze des diesjährigen Rankings belegen, über ein Vermögen von mehr als 90 Milliarden Franken. Das durchschnittliche Vermögen der Schweizer Superreichen beträgt heuer 2,7 Milliarden Franken. Damit hat es sich gegenüber dem Jahr 1989 mehr als vervierfacht.

Nelly Keusch, «Neue Zürcher Zeitung»

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