Gefallene Börsenstars Beyond Meat und Oatly: Dem Hype um vegane Burger und Hafermilch folgt die Ernüchterung Den Aushängeschildern der Branche läuft es geschäftlich katastrophal schlecht. Deswegen pflanzliche Ersatzprodukte für Fleisch und Milch totzusagen, wäre jedoch falsch.

Den Aushängeschildern der Branche läuft es geschäftlich katastrophal schlecht. Deswegen pflanzliche Ersatzprodukte für Fleisch und Milch totzusagen, wäre jedoch falsch.

 

Der tiefe Fall von Beyond Meat und Oatly zeigt, dass der erste Hype um Fleisch und Milch auf Pflanzenbasis vorüber sein dürfte. Bild: unsplash

Als Beyond Meat im Mai 2019 an die Börse kam, herrschte Euphorie. Die kalifornische Firma schien die Zukunft des Essens zu verkörpern – mit ihren Burgern und Würsten auf Erbsenbasis, die gleich gut schmecken sollen wie das Original, für die aber keine Tiere sterben müssen. Nach dem Börsengang verneunfachte sich der Aktienkurs des Unternehmens innerhalb von nur drei Monaten.

Einen ähnlichen Hype gab es, als im Mai 2021 der schwedische Hafermilchproduzent Oatly ebenfalls an die New Yorker Börse ging. Der Firmengründer pries sein Produkt, ganz Startup-gerecht, schräg singend in Werbespots an. Den Investoren gefiel es, der Aktienkurs legte schnell zu.

Doch mittlerweile herrscht bei den Pionieren für pflanzenbasierten Fleisch- und Milchersatz Katzenjammer. Die einst milliardenschweren Börsenbewertungen haben sich in Luft aufgelöst: Gegenüber ihren jeweiligen Höchstständen haben die Aktienkurse bei beiden Unternehmen fast 95 Prozent ihres Wertes verloren.

Falsche Fixierung auf den Börsengang

Wie konnte es so weit kommen? Der Fall der einstigen Börsenstars dürfte viel mit firmenspezifischen Problemen zu tun haben. Laut Brancheninsidern haben beide zu stark auf einen schnellen Börsengang gesetzt. Um den Investoren zu gefallen, verkauften sie sich als Wachstumshoffnungen, die neue und zukunftsträchtige Märkte erschliessen. Und das Versprechen einer rasanten Expansion lösten sie zunächst auch ein: Sowohl Beyond Meat wie Oatly vervielfachten ihre weltweiten Umsätze innerhalb von wenigen Jahren.

Doch im Nachhinein gesehen sind beide Firmen viel zu schnell gewachsen. In diesem Jahr ist die Wachstumseuphorie nämlich verflogen. Bei Beyond Meat gingen die Verkäufe aus verschiedenen Gründen leicht zurück: Im Heimmarkt USA schauen die inflationsgeplagten Konsumenten verstärkt aufs Geld, und die Fast-Food-Kette McDonald’s nahm einen veganen Burger mangels Erfolg aus dem Sortiment. Beim Hafermilchproduzenten Oatly stiegen die weltweiten Verkäufe zwar noch leicht, aber das Unternehmen musste seine ambitionierten Wachstumspläne ebenfalls einstampfen.

Gescheiterter Expansionskurs

Nun zeigen sich die Schattenseiten des rasanten Expansionskurses. Beyond Meat hat es laut Branchenexperten vernachlässigt, seine Produkte weiterzuentwickeln, und droht am Markt ins Hintertreffen zu geraten. Sowohl beim Burger-Hersteller als auch bei Oatly sind zudem die Kosten in der Expansionseuphorie ausser Kontrolle geraten. Das drückt die Unternehmen nun tief in die Verlustzone.

Der Beyond-Meat-Chef räumte das Scheitern indirekt ein mit der Aussage, die Firma müsse nun «mit voller Kraft eine Kehrtwende hin zu einem tragfähigen Wachstumsmodell» vollziehen. Beide Firmen wollen ihre Kosten drastisch reduzieren – unter anderem mit einem Stellenabbau – und ihre Produktionsprozesse auf eine solide Basis stellen.

Bei Nestlé wachsen die Umsätze noch

Der tiefe Fall von Beyond Meat und Oatly zeigt, dass der erste Hype um Fleisch und Milch auf Pflanzenbasis vorüber sein dürfte. Dennoch wäre es falsch, deswegen gleich die ganze Produktkategorie totzusagen.

Es deutet einiges darauf hin, dass pflanzenbasierte Ersatzprodukte ein Wachstumsmarkt bleiben – auch wenn die Wachstumsraten wohl nicht mehr so ungestüm ausfallen werden wie in den vergangenen Jahren.

Beispielsweise sind beim Schweizer Konzern Nestlé, der unter anderem mit der Marke Garden Gourmet ebenfalls stark auf «alternative Proteine» setzt, die weltweiten Verkäufe auch in diesem Jahr zweistellig gewachsen. Beim weltgrössten Nahrungsmittelkonzern darf man zudem davon ausgehen, dass er seine Prozesse und seine Profitabilität im Griff hat. Mithin muss der Markt wohl «erwachsen» werden. Die Vielfalt an Anbietern ist mittlerweile gross. Firmen, die bestehen wollen, brauchen ein solides Geschäftsmodell.

Für die Konsumenten dürfte es langfristig attraktiv bleiben, wenn sie realistische Alternativen zum traditionellen Fleischkonsum haben, weil dieser Umwelt und Klima stark belastet. Allerdings müssen die veganen Ersatzprodukte einige Voraussetzungen erfüllen, wenn sie aus einer Nische herauswachsen und sich im Massenmarkt etablieren sollen.

Langer Weg in den Massenmarkt

Erstens müssen die Produkte noch besser werden. Viele Konsumenten in westlichen Ländern haben sie bereits einmal probiert, aber sind vom Geschmack nicht überzeugt. Branchenvertreter betonen in diesem Zusammenhang, dass noch viel an Innovation möglich sei und dass das geschmackliche Potenzial der alternativen Proteine noch lange nicht ausgeschöpft sei.

Zweitens müssen die Produkte gesünder werden. Ihr grosser Vorteil liegt zwar darin, dass sie aus Pflanzen hergestellt werden, was Umwelt und Klima schont. Gleichzeitig stellen sie aber stark verarbeitete Lebensmittel dar, die mit ihrer langen Zutatenliste häufig eigentliche «Chemiebomben» sind. Das schreckt manche Konsumenten ab. Deshalb setzt beispielsweise Planted, der Schweizer Pionier für veganes Poulet, auf das Versprechen, dass die eigenen Erzeugnisse keine Zusatzstoffe enthalten und nur natürliche Zutaten wie Erbsen, Hafer oder Sonnenblumen.

Drittens müssen die veganen Ersatzprodukte günstiger werden. Derzeit liegen ihre Ladenpreise oft noch deutlich über den Preisen für herkömmliches Fleisch. Angesichts hoher Inflation greifen die Konsumenten derzeit tendenziell zu billigeren Produkten, wie etwa Beyond Meat in den USA erfährt. In der Branche ist man allerdings überzeugt, dass sich die Kosten der pflanzlichen Ersatzprodukte mit steigenden Produktionsmengen und technischem Fortschritt bald deutlich verringern lassen. Die Fleisch- und Milchproduktion hingegen werde eher teurer werden.

Matthias Benz, «Neue Zürcher Zeitung»

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