Geld überweisen in 10 Sekunden: Zahlungen in der Schweiz sind nicht mehr an Bürozeiten gebunden Ab dieser Woche sind Instant Payments auch in der Schweiz möglich. Doch was nützt es, wenn die Zahlung von einem Konto auf ein anderes statt Stunden oder Tage nur noch wenige Sekunden dauert?

Ab dieser Woche sind Instant Payments auch in der Schweiz möglich. Doch was nützt es, wenn die Zahlung von einem Konto auf ein anderes statt Stunden oder Tage nur noch wenige Sekunden dauert?

(Bild: Unsplash)

Endlich ist es so weit. Nach jahrelangen Vorbereitungen kann man ab dieser Woche auch in der Schweiz sein Geld innert weniger Sekunden von einem Konto auf ein anderes überweisen. Instant Payment (IP) heisst die Neuerung. Sie ist im Euro-Raum seit 2017 und in den USA seit einem Jahr verfügbar. Dass dies ab dem 20. August auch in der Schweiz möglich sein wird, taugt kaum als Beweis für die Innovationskraft des hiesigen Finanzsektors. Vielmehr hinkt man dem Ausland hinterher.

In einer Zeit, in der rund um die Uhr online eingekauft werden kann, erscheint es längst anachronistisch, dass die Geschwindigkeit einer Banküberweisung davon abhängt, ob sie tagsüber oder nachts, am Wochenende oder allenfalls an einem Feiertag ausgelöst wird. Bits und Bytes kennen keinen Acht-Stunden-Arbeitstag, sie stempeln nicht um 17 Uhr aus und sind auch nicht dafür bekannt, am Wochenende in die Berge zu fahren oder anderweitig unerreichbar zu sein.

Mit Instant Payment kann künftig ein Frankenbetrag nach Auslösung der Zahlung innerhalb von maximal 10 Sekunden von einem Konto aufs andere überwiesen werden, und zwar 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr. Das Konto des Zahlers wird sofort belastet, und auf dem Konto des Empfängers kann das eingegangene Geld praktisch zeitgleich weiterverwendet werden. Derzeit dauert dies mehrere Stunden oder mehrere Tage, je nachdem, wann die Überweisung ausgelöst wird.

Das bisherige Verfahren, das sich strikt an Bürozeiten hielt, passte schlecht zum Selbstverständnis der Schweiz als moderner Finanzplatz an der Spitze der digitalen Entwicklung. Denn der Druck auf die traditionellen Akteure im Zahlungsverkehr wird in den kommenden Jahren auch in der Schweiz zunehmen, sei es durch Neobanken oder durch Big-Tech-Konzerne, die – Stichwort Apple Pay – seit Jahren eigene Zahlungssysteme anbieten.

Lernen vom Ausland

Es hat auch Vorteile, nicht der Erste zu sein. Das betont Christopher Koch, Projektleiter beim Börsenbetreiber SIX für Instant Payment. Er sagt: «Die Schweiz kann aus Erfahrungen lernen. So sah man im europäischen Ausland, dass sich Instant Payment erst durchzusetzen begann, als die Banken dazu verpflichtet wurden, solche Zahlungen zu empfangen.» Als es noch freiwillig war, kam die Sache kaum voran, weil niemand wusste, ob die Gegenseite die Zahlung in Echtzeit auch akzeptieren würde.

In der Schweiz setzt man daher von Anfang an auf regulatorischen Zwang. Die Schweizerische Nationalbank (SNB), die zusammen mit der SIX für das Funktionieren des bargeldlosen Zahlungsverkehrs verantwortlich ist, hat 2021 beschlossen, die Banken zur Annahme von IP zu verpflichten. Denn ein Zahlungsmittel mag noch so ausgeklügelt sein, es funktioniert letztlich nur, wenn jeder Käufer stillschweigend davon ausgehen kann, dass seine Zahlung beim Empfänger auch ankommt.

Die Einführung erfolgt schrittweise: Ab dem 20. August müssen zunächst rund 60 Banken, die zusammen über 95 Prozent der Kundenzahlungen in der Schweiz abwickeln, Instant Payments entgegennehmen und verarbeiten können. Alle anderen Institute haben noch Zeit bis November 2026. Damit der Start diese Woche gelingt, konnten die Banken seit November vergangenen Jahres auf der neu entwickelten Zahlungsplattform SIC-5 bereits Live-Erfahrungen sammeln zur Abwicklung von Instant Payments.

Für die Anfangsphase werden zudem Limiten eingebaut. Möglich sind nur Zahlungen bis 20 000 Franken. Technisch könnten mit der neuen Plattform zwar auch Milliardenbeträge bewegt werden. Die Limite soll es den beteiligten Banken aber ermöglichen, sich mit überschaubarem Risiko an die neue Technologie heranzutasten. Wenn sich das Ganze dann eingespielt hat und alle bankinternen Systeme gut auf Instant Payment umgestellt sind, wird die Limite voraussichtlich aufgehoben.

Höheres Betrugsrisiko?

Die technischen Anpassungen sind komplex. «Die Banken müssen rund um die Uhr parat sein. Das verlangt Adaptionen von der Buchhaltung über die Kontoführung bis hin zum Risikomanagement», sagt Koch. Denn IP erfordere ein Zwiegespräch zwischen Banken. «Die sendende Bank muss von der empfangenden Bank ein Signal erhalten, dass sie bereit ist. Erst dann startet die Transaktion.» Bisher konnte man Geld abschicken, auch wenn die Gegenseite den Empfang nicht sofort bestätigte.

Auch die Kontrolle von Geldwäscherei sowie Betrugsversuchen und die Abklärung dessen, ob ein Kunde auf einer Sanktionsliste steht, werden anspruchsvoller. Martin Hess, Chefökonom der Schweizerischen Bankiervereinigung, sagt: «Wenn eine Zahlung innert zehn Sekunden überwiesen werden muss, kann eine verdächtige Zahlung nicht von einem Mitarbeiter manuell abgeklärt werden.» Umso wichtiger werde es, die Filter, die solche Zahlungen blockieren, richtig einzustellen.

Diese Feinabstimmung dürfte nicht einfach sein: Stellt man den Filter sehr grob ein, werden zu viele kritische Zahlungen durchgelassen, und die Bank handelt sich ein Compliance-Problem ein. Wird der Filter hingegen sehr fein eingestellt, werden viele Instant Payments von den elektronischen Filtersystemen automatisch blockiert. In diesem Fall dürfte das System die Nutzer frustrieren, da man davon ausgehen muss, dass eine hohe Zahl von Instant Payments nicht durchgelassen wird.

Entscheidend für den Erfolg von Instant Payments ist aber letztlich ein anderer Punkt: Es genügt nicht, dass alle Banken solche Zahlungen empfangen können, es muss auch genügend Institute geben, die ihren Kunden den Versand von IP ermöglichen. Hier verzichten die Schweizer Behörden auf Zwang. Anders als in der EU werden die Schweizer Banken also nicht dazu verpflichtet, diesen Service ihren Kunden anzubieten. Jede Bank kann frei entscheiden, ob und wann sie dies tun will.

Geschäften ohne Kreditrisiko

Hier müsse der Markt spielen, sagt Koch von SIX. Die Idee dahinter: Ist IP erst einmal breit akzeptiert, sorgt der Wettbewerb dafür, dass die Banken auch ohne Zwang entsprechende Bezahllösungen anbieten. Tatsächlich zeigt eine Umfrage der SIX, dass die Mehrheit der ab Dienstag empfangsbereiten Banken beabsichtigten, in Zukunft auch ausgehende Zahlungen anzubieten. Dazu gehören etwa die UBS, die Berner und die St. Galler Kantonalbank sowie die Hypothekarbank Lenzburg.

Das Angebot wird aber nur genutzt, wenn es einen Mehrwert bietet. Dieser besteht nicht nur darin, dass der Kontostand immer aktuell ist. Wichtiger dürfte der Wegfall des Kreditrisikos sein. Wer ein Produkt mit IP verkauft, geht nicht das Risiko ein, dass der Käufer illiquid ist. Damit ist es möglich, jemandem auch samstags ein Auto zu verkaufen und es ihm sofort zur freien Verfügung zu überlassen. Oder zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Reiseversicherung abzuschliessen, die sofort in Kraft tritt.

Für Unternehmen ergeben sich weitere Vorteile: So lassen sich Prozesse leichter automatisieren. Die SNB verweist beispielsweise auf Online-Firmen, die täglich zahlreiche Bestellungen abwickeln und neue Ware nachbestellen müssen. Wenn nun die Kunden mit IP bezahlen, kann das eingehende Geld ohne Kreditrisiko und in Echtzeit für Nachbestellungen reinvestiert werden. Das Geld liegt somit keine Minute mehr brach, und die Liquidität von Firmen kann effizienter verwaltet werden.

Twint ist nicht Instant Payment

In der Schweiz wird oft gesagt, man verfüge dank der weitverbreiteten Bezahl-App Twint bereits über eine Lösung für Echtzeitzahlungen. Dies ist aus Kundensicht teilweise richtig, da man beim Twinten sofort über das erhaltene Geld verfügen kann. Dennoch handelt es sich nicht um Instant Payment, da die Zahlung zwischen den beteiligten Banken erst mit Verzögerung verrechnet wird. Die empfangende Bank trägt so lange ein Kreditrisiko, bis das Geld tatsächlich bei ihr eingetroffen ist.

Ob sich IP durchsetzt, hängt auch von den Gebühren ab. Eine Umfrage des Vergleichsportals Moneyland zeigt hier grosse Unterschiede. Zwar plant keine Bank, bei Privatkunden eine Gebühr für eingehende IP zu erheben. Anders sieht es aber bei ausgehenden Zahlungen aus. Während die Berner Kantonalbank und die Hypothekarbank Lenzburg auch das Versenden kostenlos anbieten, empfiehlt Raiffeisen Schweiz einen Preis von 2 Franken, bei 12 kostenlosen Zahlungen pro Jahr. Am meisten will die UBS verlangen, und zwar 5 Franken pro Zahlung.

Man mag über solche Gebühren die Nase rümpfen. Letztlich ist es aber – ähnlich wie die Höhe von Kontoführungsgebühren oder Sparzinsen – eine unternehmerische Entscheidung, wie und ob man IP bepreisen will. Einige Banken werden wohl IP zunächst als Premium-Angebot führen, andere als Teil ihres Basispaketes. Spielt der Wettbewerb und gewinnen IP an Bedeutung, dürften die Gebühren zusehends unter Druck geraten.

Liberaler als die EU

Martin Hess von der Bankiervereinigung ist froh, dass sich die Behörden nicht in die Gebühren einmischen: «Die Festsetzung von Preisen muss in einer Marktwirtschaft den Firmen überlassen werden. Wir finden es gut, dass dies nicht reguliert wird wie in der EU.» Tatsächlich ist die EU auch in diesem Bereich dirigistischer. Sie greift direkt in die Preisgestaltung ein und schreibt den Banken vor, dass Instant Payments für die Kunden nicht teurer sein dürfen als herkömmliche Zahlungen.

Die Schweiz verzichtet auf solche Vorschriften und setzt auf den Markt. Auch die SIX verhält sich neutral. Sie verlangt von den Banken für IP gleich hohe Gebühren wie für herkömmliche Zahlungen. Ohnehin ist die Idee von Echtzeitzahlungen gar nicht so neu, wie es scheint. Wer als Verkäufer schon immer auf Barzahlung bestanden hat, betreibt auch ein IP-System – ohne Kreditrisiko, mit sofortiger Verfügbarkeit des Geldes, aber mit deutlich weniger technischem Aufwand.

Thomas Fuster, «Neue Zürcher Zeitung»

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