«Ich bin dann mal weg»: Was es zu beachten gibt, wenn man ein Sabbatical plant Sozialversicherungen, Pensionskasse, Unfallversicherung: Wegfahren kostet. Ein Überblick.
Sozialversicherungen, Pensionskasse, Unfallversicherung: Wegfahren kostet. Ein Überblick.
Immer mehr Leute wollen weg. Einmal den Alltag hinter sich lassen, den Jakobsweg ablaufen oder wochenlang im VW-Bus leben. Nach Skandinavien, Südostasien, Nordamerika reisen. «Sabbatical» heisst das dann. Das Wort kommt ursprünglich aus dem Hebräischen, «sabat» bedeutet innehalten oder aufhören. Der Begriff «Sabbatical» entstand in den USA und wird verwendet, wenn Professorinnen oder Professoren sich aus dem Universitätsalltag zurückziehen, um zu forschen.
In der Schweiz wird das Wort «Sabbatical» als Überbegriff für eine Auszeit vom Berufsalltag verwendet. Ein beliebtes Konzept. Ein «Sabbatical» hat keine festgesetzte Länge, es kann wenige Wochen, 6 Monate oder ein ganzes Jahr in Anspruch nehmen.
Egal wie lange man wegbleibt oder wo es hingeht: Die Auszeit will gut geplant sein. Für die Versicherungen ist entscheidend, ob man für die Auszeit reguläre Ferientage verwendet, beim Arbeitgeber unbezahlten Urlaub beantragt oder ob man den Job ganz kündigt und nach der Rückkehr eine neue Stelle antritt. Darüber hinaus ist relevant, ob man die Zeit im Ausland oder in der Schweiz verbringt.
Welche Versicherungen braucht man?
Nicht alle Versicherungen laufen während einer Auszeit vom Job automatisch weiter. Deshalb ist es wichtig, dass man sich vor einem Sabbatical einen Überblick über die wichtigsten Versicherungen verschafft. Entscheidend ist, dass alle Prämien jeweils rechtzeitig bezahlt werden. Sonst riskiert man, dass der Versicherungsschutz nicht gewährleistet ist.
Unfallversicherung
In der Schweiz sind Arbeitgeber verpflichtet, für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Unfallversicherung abzuschliessen. Diese obligatorische Versicherung endet in der Regel 30 Tage nach der letzten Lohnzahlung. Wer länger als 30 Tage wegfährt und dafür unbezahlten Urlaub nimmt oder das Arbeitsverhältnis vor seiner Abreise ganz aufgelöst hat, muss sich um eine private Unfallversicherung kümmern. Diese kann man bei der eigenen Krankenkasse abschliessen.
Nimmt man einen unbezahlten Urlaub, der nicht länger als 6 Monate dauert, besteht die Möglichkeit, bei der Unfallversicherung des Arbeitgebers wegen einer sogenannten «Abredeversicherung» anzufragen. Diese bietet auch nach Ablauf der 30 Tage dieselben Leistungen wie zuvor die Unfallversicherung. Die Abredeversicherung ist allerdings nur 180 Tage gültig.
So oder so gilt: Wer die Auszeit im Ausland verbringen will, sollte vor der Reise klären, in welchem Umfang die Unfallversicherung auch die Kosten für Behandlungen im Ausland übernimmt.
Krankenkasse und Reiseversicherung
Vorausgesetzt, der Wohnsitz bleibt in der Schweiz, läuft die Versicherung über die Krankenkasse auch während eines Sabbaticals normal weiter. Plant man eine längere Reise ins Ausland, sollte man allerdings prüfen, welche Leistungen die Krankenkasse im Ausland bezahlt – und welche nicht. Die obligatorische Krankenversicherung in der Schweiz enthält die Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK). Weist man diese Karte vor, kann man sich in EU- oder Efta-Staaten behandeln lassen.
Ausserhalb des EU/Efta-Raumes wird es etwas komplizierter. Dort übernimmt die Krankenkasse in Notfällen (Krankheit oder Unfall, bei denen die Rückreise in die Schweiz nicht möglich ist) den maximal doppelten Betrag der Kosten, die in der Schweiz für dieselbe Behandlung angefallen wären. Wer in ein Land mit einem teuren Gesundheitssystem wie beispielsweise die USA oder Kanada reist, sollte deshalb eine zusätzliche Reiseversicherung abschliessen.
Wer sich während eines Sabbaticals in der Schweiz abmeldet und ins Ausland zieht, muss sich am Zielort um eine neue Krankenversicherung kümmern.
Wie vermeidet man Vorsorgelücken?
Schon wer wenige Monate kein Gehalt erhält, riskiert Vorsorgelücken. Besonders mühsam wird es, wenn man während der Auszeit nirgends angestellt ist. Es empfiehlt sich deshalb, frühzeitig zu prüfen, wo zusätzliche Einzahlungen nötig sind.
Sozialversicherungen
Wenn man keinen Lohn erhält, zahlt der Arbeitgeber auch keine Beiträge an AHV und IV. Bleibt der Wohnsitz während der Auszeit jedoch in der Schweiz, ist man verpflichtet, weiterhin Beiträge an die erste Säule zu bezahlen. Ist man nur wenige Monate fort, stellt das in der Regel kein Problem dar: In der verbleibenden Zeit hat man den AHV-Mindestbeitrag, der im laufenden Jahr 514 Franken beträgt, meistens schon leisten können.
Aufpassen muss man, wenn man während eines ganzen Kalenderjahres nicht arbeitet. Zahlt man dann keinen Beitrag, so entsteht eine Beitragslücke. Damit das nicht geschieht, muss man sich bei der AHV-Ausgleichskasse seines Heimatkantons als nichterwerbstätige Person anmelden und den AHV-Mindestbeitrag selbst erbringen. Dafür hat man fünf Jahre Zeit. Auch Personen, die sich in der Schweiz abmelden und vorübergehend ins Ausland ziehen, können Beiträge in die AHV einzahlen, um Rentenkürzungen zu vermeiden.
Pensionskasse
Auch bei der Pensionskasse ist es wichtig, zu unterscheiden, ob man vor dem Sabbatical die Stelle gekündigt – oder ob man für die Auszeit unbezahlten Urlaub beantragt hat. Während die Regelungen bei der ersten Säule schweizweit einheitlich sind, hängen die Bestimmungen bei der zweiten Säule von der Pensionskasse des Arbeitgebers ab. Wichtig zu beachten ist, dass man einen Jahreslohn von mindestens 22 050 Franken braucht, um obligatorisch bei der Pensionskasse versichert zu sein. Dieser Betrag wird als Eintrittsschwelle bezeichnet. Wer weniger verdient, ist nicht versichert.
Manche Pensionskassen bieten ihren Versicherten während eines unbezahlten Urlaubs für eine beschränkte Zeit an, unverändert versichert zu bleiben. Meistens gilt das Angebot für 6 bis 12 Monate. Während dieser Periode bezahlt man freiwillig sowohl die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerbeiträge selbst und verhindert damit, dass Beitragslücken entstehen.
Hat man vor seinem Sabbatical den Job gekündigt und beginnt nicht direkt im Anschluss einen neuen, werden sämtliche Ersparnisse der Pensionskasse auf ein sogenanntes Freizügigkeitskonto überwiesen. Während des Sabbaticals hat man die Möglichkeit, sich über die Stiftung Auffangeinrichtung versichern zu lassen. Sobald man die nächste Stelle antritt, sollte man das Geld in die Pensionskasse des neuen Arbeitgebers einzahlen. Viele lassen das Geld aber auf dem Freizügigkeitskonto liegen.
Dritte Säule
Neben den Beiträgen an AHV und Pensionskasse sparen viele Erwerbstätige selbständig in der Säule 3a für die Pension, damit sie im Alter ihren Lebensstandard erhalten können. Das ist attraktiv, weil Einzahlungen in Höhe von maximal 7056 Franken (im Jahr 2023) von den Steuern abgezogen werden können. Personen, die keiner Pensionskasse angeschlossen sind, zum Beispiel Selbständige, können jährlich maximal 35 280 Franken einzahlen.
Grundsätzlich gilt dabei: In die Säule 3a darf nur einzahlen, wer im selben Jahr ein AHV-pflichtiges Einkommen erzielt hat. Die Lohngrenze dafür ist tief, nur Erwerbstätige mit einem jährlichen Einkommen unter 2300 Franken sind nicht beitragspflichtig. Aufpassen muss man, wenn man eine Auszeit plant, die länger als ein Kalenderjahr dauert. Denn in einem Jahr, in dem man nichts verdient, darf man nicht in die Säule 3a einzahlen. Je nach Möglichkeit bietet es sich deshalb an, eine längere Auszeit auf zwei Kalenderjahre aufzuteilen. So stellt man sicher, dass man sowohl Beiträge an die AHV wie auch Zahlungen an die Säule 3a lückenlos fortführen kann.
Die Säule 3b ist im Gegensatz zur Säule 3a eine freie Vorsorge. Das heisst, dass die dort eingezahlten Beiträge nicht an die Pensionierung gebunden sind. Zur Säule 3b zählen unter anderen Wertpapiere, Aktien oder Liegenschaften. Einzahlungen in die Säule 3b können auch während eines Sabbatical-Jahres fortgeführt werden.
Was macht man mit der Wohnung?
Wer einige Monate im Ausland verbringen will, kann die eigene Wohnung temporär untervermieten. Grundsätzlich darf der Vermieter oder die Vermieterin dies nicht verhindern. Allerdings sollte man den Vermieter vorab über die Dauer und die Bedingungen einer Untermiete informieren.
Auch wenn man die Wohnung während des Sabbaticals Bekannten oder Freunden überlässt, sollte man das Mietverhältnis vertraglich regeln. Wichtig ist, bei der Übergabe der Wohnung ein «Abnahmeprotokoll» auszufüllen. Darin werden sämtliche Mängel oder Defekte an der Wohnung festgehalten.
Laut einem Entscheid des Bundesgerichts darf der Hauptmieter oder die Hauptmieterin aus einer Untermiete grundsätzlich keinen Gewinn erzielen, der sich nicht durch die Leistungen des Hauptmieters rechtfertigen lässt. Heisst: Wer eine Wohnung vollständig möbliert vermietet, darf den Mietpreis erhöhen. Laut dem Mietverband sollte man dafür aber nicht mehr als 20 Prozent des eigentlichen Mietzinses verlangen.
Woran sollte man sonst noch denken?
Ein Sabbatical zu planen, ist mit viel Aufwand verbunden. Selbst wenn die Versicherungssituation geprüft, Vorsorgelücken bestmöglich vermieden und die Wohnung vermietet ist, gibt es noch zahlreiche weitere Dinge, an die man vor der Abreise zu denken hat.
Überblick über Administratives
In den meisten Fällen erhält man während eines Sabbaticals Ende des Monats keinen Lohn, doch die Rechnungen müssen trotzdem bezahlt werden. Man sollte sich deshalb vor der Abreise einen Überblick über monatlich anfallende Kosten, beispielsweise eine Autoversicherung oder ein WLAN-Abo, verschaffen.
Zudem sollte man daran denken, die Post an Bekannte oder Freunde umzuleiten. Ist man länger weg, behält aber den Wohnsitz in der Schweiz, kann man online eine Fristerstreckung für die Steuererklärung beantragen. Wer ein ÖV-Abo hat, kann dieses unter Umständen pausieren oder zurückerstatten lassen. Je nach Abonnement gelten andere Bestimmungen.
Nützliches für die Reise sammeln
Für 40 Franken im Jahr kann man Gönnerin oder Gönner der Rega werden. Man hat damit zwar keinen Rechtsanspruch auf Rettungsflüge, die Rega übernimmt jedoch die Kosten für Einsätze, die von keiner anderen Seite gedeckt sind. Das lohnt sich vor allem, wenn die Rega einen aus dem Ausland in die Schweiz fliegen muss. Die Kosten für einen solchen Flug übersteigen meist die Deckungssumme der Versicherungen.
Es lohnt sich zudem, vor der Abreise ins Ausland zu überlegen, wie man unterwegs bezahlen möchte. In den letzten Jahren sind bei Weltreisenden diverse Neobanken populär geworden, die es ermöglichen, sämtliche Bankgeschäfte über eine App auf dem Smartphone abzuwickeln. Anbieter wie die britische Neobank Revolut oder die Schweizer Bank Neon bieten zudem günstige Wechselkurse. Dennoch: Wer länger unterwegs ist, sollte auch immer etwas Bargeld bei sich tragen.
Serie: «Neue Arbeitsmodelle: Ausbrechen aus dem Büroalltag»
Das Leben lang bei einem Arbeitgeber verbringen, stets zu hundert Prozent arbeiten und täglich im Büro erscheinen – viele Arbeitnehmer können sich dies heute nicht mehr vorstellen. Gerade Hochqualifizierte haben heute weniger Angst vor «ungeraden Lebensläufen» und Lücken im CV. Dabei sollte man aber stets Finanzen und Altersvorsorge im Auge behalten. Die NZZ beantwortet in der Serie die wichtigsten Fragen.