Jüngere Chefs beurteilen Bewerber über 55 deutlich schlechter als ältere Die Swiss Life hat die Personalpolitik von Unternehmen rund um die Neuanstellung älterer Arbeitnehmer unter die Lupe genommen. Auffallend ist, wie stark hier menschliche Faktoren spielen.

Die Swiss Life hat die Personalpolitik von Unternehmen rund um die Neuanstellung älterer Arbeitnehmer unter die Lupe genommen. Auffallend ist, wie stark hier menschliche Faktoren spielen.

Entscheidungsträger in Firmen, die jünger sind als 35, sehen «Erfahrung» seltener als Vorteil von älteren Bewerbenden als Arbeitgeber ab 50, die Erfahrung als Vorteil einstufen. (Symbolbild: Adobe Stock)

Fast ein Viertel aller Erwerbstätigen in der Schweiz ist über 55 Jahre alt. Bekanntermassen verlieren Menschen dieser Altersgruppe ihren Job zwar weniger oft als jüngere, doch wenn es passiert, brauchen sie oft viel mehr Zeit, um einen neuen zu finden. In einer neuen Studie der Swiss Life filterten die Autoren Andreas Christen und Nadia Myohl nun aber heraus, dass jüngere Arbeitgeber oft nicht primär aus Kostengründen zurückhaltender sind, wenn es um die Neuanstellung von älteren Mitarbeitern geht oder um die Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern nach dem Pensionsalter. Stattdessen spielen andere, vielfach menschliche Faktoren eine grosse Rolle.

 

Die Thematik reiferer Arbeitnehmer hatten die Autoren bereits im Frühjahr aus der Perspektive der Mitarbeiter beleuchtet. Die gegenwärtige Studie «Arbeit ohne Altersgrenzen? Personalpolitik 55+ von Unternehmen auf dem Prüfstand» fokussiert nun auf das Verhalten und die Wünsche von Arbeitgebern. Die Fragen wurden online von 1054 Entscheidungsträgern aus dem Bereich Rekrutierung beantwortet, welche für Unternehmen aus allen Branchen mit mindestens vier Angestellten aus der Deutschschweiz und dem Welschland arbeiten.

Bei den Antworten zeigt sich ein Muster. Im Schnitt sind die für die Rekrutierung zuständigen Geschäftsführer, Mitglieder von Geschäftsleitungen und Personalverantwortlichen in Schweizer Firmen 41,4 Jahre alt. Je jünger die befragten Arbeitgeber waren, desto schlechter stufen sie die Fähigkeiten und die Leistung von Erwerbstätigen über 55 ein. Dies gilt auch für den Willen von Arbeitnehmenden, nach dem Pensionsalter weiterzuarbeiten.

Ideale Pensionierung vor 65

Beispielsweise wurden die Arbeitgeber gefragt, in welchem Alter ein Mitarbeiter idealerweise in Pension gehen sollte. Am meisten genannt wurde bei Frauen und Männern das gegenwärtige Referenzalter von 65 Jahren. Je jünger aber der befragte Arbeitgeber ist, desto eher wird ein ideales Alter vor diesen 65 angegeben – für beide Geschlechter. Die Autoren spekulieren vorsichtig, dass es jüngeren Personen möglicherweise an Wissen über Themen rund um die Pensionierung fehle. Es sei aber auch gut möglich, dass jüngere Befragte ältere Mitarbeitende negativer einschätzen würden in Bezug auf deren Fähigkeit, auch nach 65 noch zu arbeiten.

Über ein Drittel der befragten Personen ab 50 Jahren stimmt der Aussage klar zu, dass die meisten Arbeitskräfte gut in der Lage wären, bis 66 oder 67 zu arbeiten. Bei den 18- bis 34-jährigen Arbeitgebern sagen das nur 24 Prozent. Generell waren kleinere Unternehmen aufgeschlossener für ältere Mitarbeiter als Grosskonzerne. Laut Studie wurde in den grossen Firmen seltener angenommen, dass Mitarbeiter im Rentenalter noch gut arbeiten könnten.

Die Arbeitgeber wurden dann konkret gefragt, bei welchen beruflichen Eigenschaften sie jüngere Bewerbende von zwischen 25 und 40 Jahren und bei welchen ältere Bewerbende ab 55 Jahren im Vorteil oder im Nachteil sähen. Bewertet wurden die Bereiche Erfahrung, fachliche Kompetenz, branchenspezifisches Wissen, Zuverlässigkeit, soziale Kompetenz, Belastbarkeit, Motivation und Leistungsbereitschaft, kurze Einarbeitungszeit, Fähigkeit, sich in bestehende Strukturen (Team) zu integrieren, Anpassungsfähigkeit und Flexibilität, Gesundheit, technische (IT-)Kompetenz, Lohnkosten und Kosten für Sozialversicherungen.

Jüngere sehen durchs Band Jüngere im Vorteil

Erwartungsgemäss werden die älteren Bewerber bei den Lohnkosten und den Kosten für Sozialversicherungen am schlechtesten beurteilt. Allerdings ist das auch der Punkt, den die Befragten vergleichsweise selten als allgemein wichtigen Faktor bei einer Neueinstellung bezeichnen. Für ältere Bewerbende sprechen laut den Befragten die «Erfahrung» oder die «fachliche Kompetenz». Bei der «Flexibilität» oder der «Fähigkeit, sich ins Team zu integrieren» sehen die befragten Arbeitgeber die Jüngeren im Vorteil.

Je jünger aber die befragten Unternehmensvertreter sind, desto eher sehen sie die Vorteile «beinahe durchs Band» vor allem bei den jüngeren Bewerbenden. Aspekte wie «Erfahrung» sehen Arbeitgeber unter 35 deutlich seltener als Vorteil von älteren Bewerbenden als Arbeitgeber ab 50. Ebenso bei der Eigenschaft «Motivation und Leistungsbereitschaft», bei der nur Befragte ab 50 tendenziell die Älteren im Vorteil sehen. Einzig in Bezug auf die Kosten bewerten jüngere Arbeitgeber ältere Bewerbende etwas besser als befragte Arbeitgeber ab 50.

Handelt es sich hier nur um Vorurteile von jüngeren gegenüber älteren Arbeitskräften, oder was steckt hinter dieser für erfahrene Arbeitskräfte oft wenig schmeichelhaften Beurteilung? Die Autoren spekulieren nicht dazu. Ein Befragter, der anonym bleiben will, sagt, dass jüngere Chefs nicht immer gut damit umgehen könnten, wenn ältere Mitarbeitende mehr Erfahrung hätten, bessere Kontakte zu Kunden oder weniger Aufwand für komplexe Projekte leisten müssten. Zu einem allfälligen Graben könne auch beitragen, wenn die Altersgruppen am Arbeitsplatz unter sich bleiben, so der Befragte weiter.

Gesucht sind nun Lösungen dazu, wie diese Gräben in der Wahrnehmung zwischen Jünger und Älter abgebaut werden können. Immerhin messen 71 Prozent der Befragten einem guten Mix beim Alter der Mitarbeiter eine mittlere bis hohe Bedeutung zu. Sicher ist, dass das Arbeitskräftepotenzial von älteren Personen bei vielen Arbeitgebern nicht im Zentrum steht. Nur gerade 22 Prozent geben an, Mitarbeitende ab 55 einzustellen. Auch hier gilt wieder das Gleiche: Je älter ein Chef, desto eher steht er der Neueinstellung eines erfahrenen Mitarbeiters positiv gegenüber.

Zoé Baches, «Neue Zürcher Zeitung»

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