Schweizer Konzerne müssen erstmals Nachhaltigkeitsberichte veröffentlichen – doch erfüllen viele die Anforderungen nicht Seit 2024 müssen die grössten Schweizer Konzerne offenlegen, wie viel CO2 sie ausstossen, wie sie Korruption bekämpfen, wie viele Frauen in der Chefetage sitzen. Doch das Resultat ist laut einer Studie ernüchternd.
Seit 2024 müssen die grössten Schweizer Konzerne offenlegen, wie viel CO2 sie ausstossen, wie sie Korruption bekämpfen, wie viele Frauen in der Chefetage sitzen. Doch das Resultat ist laut einer Studie ernüchternd.
In der Schweiz müssen Grossfirmen seit diesem Jahr berichten, wie nachhaltig sie wirtschaften. Die Regelung beruht auf dem Gegenvorschlag des Bundesrates zur Konzernverantwortungsinitiative, die 2020 am Ständemehr gescheitert ist.
Zu einem sogenannten Nachhaltigkeitsbericht sind Firmen mit mindestens 500 Vollzeitbeschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als 40 Millionen Franken verpflichtet. In der Schweiz sind das mehr als 200 Firmen. Die Konzerne müssen ihre CO2-Ziele offenlegen. Und sie müssen weitere Informationen veröffentlichen: zu Sozialem, zum Frauenanteil in der Chefetage, zur Einhaltung der Menschenrechte und dazu, wie sie Korruption bekämpfen.
Die Stiftung Ethos hat nun die ersten Berichte von 140 börsenkotierten Unternehmen analysiert und dabei grundlegende Mängel bei der Qualität und der Transparenz festgestellt. Nur die Hälfte der Unternehmen hätten ihren Bericht nach einem international anerkannten Standard erstellt, schreibt Ethos in der am Donnerstag veröffentlichten Studie.
Berichte sind wegen fehlender Normen kaum vergleichbar
Die Berichte seien aufgrund fehlender einheitlicher Standards kaum vergleichbar, schreibt die Stiftung. Zudem sei die Vollständigkeit der Angaben nicht gewährleistet. Nur selten sei ein Bericht durch eine Revisionsgesellschaft geprüft worden. SMI-Unternehmen wie Alcon, Nestlé, Novartis, Partners Group, Swiss Re und Zurich Insurance Group würden zwar auf einen internationalen Standard verwiesen, schreibt Ethos. Sie hätten diesen jedoch nicht konsequent angewendet.
Laut Ethos haben nur 44 Prozent der untersuchten Unternehmen Angaben zu den Treibhausgasemissionen in der Lieferkette gemacht. Nur 15 Prozent der Unternehmen berichteten über die CO2-Emissionen, die bei der Nutzung ihrer Produkte oder Dienstleistungen entstehen. Gemäss der Stiftung machen diese Emissionsarten jedoch oft den grössten Anteil an den Treibhausgasemissionen der Unternehmen aus.
Zudem kritisiert Ethos, dass etwa die UBS, Geberit, Swiss Life, Alcon oder die Partners Group noch immer keine wissenschaftlich bestätigten Klimaziele festgelegt oder sich dazu verpflichtet hätten.
Die Ethos-Stiftung unterstützt Pensionskassen bei der nachhaltigen und verantwortungsbewussten Anlagetätigkeit. Die lückenhaften Angaben der Firmen machten es für Investorinnen und Investoren jedoch schwierig, sich auf die neuen Nachhaltigkeitsberichte zu verlassen, schreibt Ethos.
Die Stiftung hatte deshalb den Aktionären von mehr als der Hälfte der 140 überprüften Konzerne empfohlen, deren Berichte an der Generalversammlung abzulehnen. Trotzdem wurden sie fast immer genehmigt: Im Durchschnitt lag die Zustimmung bei 97,4 Prozent. Ethos erklärt sich dies damit, dass eine genaue Prüfung der Berichte einen hohen Aufwand bedeute. Zudem fehle den Investoren die Erfahrung. Sie gingen fälschlicherweise davon aus, dass es sich um eine Routineabstimmung handle.
Manchmal winken die Aktionäre auch Dinge durch, die sie noch gar nicht gesehen haben: Der Nachhaltigkeitsbericht des Maschinenbaukonzerns Bystronic wurde laut Ethos mit 98,1 Prozent der Stimmen genehmigt, obwohl die vollständige Fassung erst nach der GV veröffentlicht wurde.
Ethos unterstützt nun die Pläne des Bundesrats, die Pflicht zur Berichterstattung der Unternehmen zu erweitern. Im Juni wurde ein entsprechender Entwurf in die Vernehmlassung geschickt. Neu sollen alle Gesellschaften des öffentlichen Interesses einer Berichterstattungspflicht unterstellt werden, unabhängig von ihrer Grösse. Zudem sollen sie sich an einen Standard halten müssen. Und die Berichte sollen durch eine externe Revisionsstelle geprüft und bestätigt werden.
Frauenanteil in der Chefetage noch unter gefordertem Niveau
In den Nachhaltigkeitsberichten sind auch Informationen zum Frauenanteil in der Chefetage der Firmen enthalten: Demnach hatten per Ende 2023 von den 140 Unternehmen nur 4 einen Frauenanteil von 50 Prozent in ihrer erweiterten Geschäftsleitung, 7 hatten eine weibliche CEO.
Verbesserungswürdig sind die Zahlen auch in den Verwaltungsräten. Unter den 205 Unternehmen, die im Schweizer Börsenindex SPI enthalten sind, lag der Frauenanteil im Durchschnitt bei 28,8 Prozent. In 36 Verwaltungsräten ist gar keine Frau vertreten. Die im Börsenindex SMI enthaltenen Gesellschaften weisen im Durchschnitt einen Frauenanteil von 36 Prozent auf.
Der Anteil der Frauen auf den Chefetagen steigt zwar seit Jahren an. Doch den ab 2026 geltenden Richtwert von 30 Prozent Frauen in Verwaltungsräten werden wohl einige nicht rechtzeitig erreichen.
In der Ethos-Studie wurden zudem die Löhne der CEO und Verwaltungsräte der SPI-Unternehmen untersucht. 184 von 205 Unternehmen legten die Löhne offen: Die CEO-Löhne stiegen 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 3,8 Prozent auf 2,3 Millionen Schweizerfranken. Unter den SMI-Unternehmen stieg der Durchschnittslohn gar um 5 Prozent auf 8 Millionen. Das Wachstum ist laut Ethos vor allem auf das Gehalt von UBS-Chef Sergio Ermotti zurückzuführen: Ermotti war 2023 mit 14,5 Millionen Franken der bestbezahlte CEO eines in der Schweiz börsenkotierten Unternehmens.