Woran Meyer Burger scheitert: 3S produziert in der Schweiz profitabel Solarmodule Normale Solaranlagen kommen auf das Dach. Bei 3S Swiss Solar sind sie das Dach. Früher war die Firma Teil von Meyer Burger. Heute hat sie Erfolg – im Gegensatz zur früheren Mutter.

Normale Solaranlagen kommen auf das Dach. Bei 3S Swiss Solar sind sie das Dach. Früher war die Firma Teil von Meyer Burger. Heute hat sie Erfolg – im Gegensatz zur früheren Mutter.

(Bild: Christoph Heilig)

Wenn es der Demonstration dient, springt Patrick Hofer-Noser selbst aufs Dach. Zum Glück kann er nicht abstürzen, denn das Dach ist nah am Boden. Es steht im Showroom von Hofer-Nosers neuer Fabrik in Worb bei Bern, wo sein Unternehmen Solarmodule fertigt. Zu sehen gibt es Ungewöhnliches: Die Photovoltaikanlagen, die bei 3S Swiss Solar Solutions entstehen, sind keine normalen Panels.

Deshalb stürmt der Firmenchef selbst über die Dachschräge – Anzugschuhe hin oder her. Hofer-Noser will zeigen, wie bündig die Solarmodule abschliessen, wie einfach Handwerker darauf herumlaufen können, wie gut sich ein Dachfenster und ein Schornstein in die Modulfläche einfügen. Denn das ist das Besondere: Die Photovoltaik (PV) wird nicht auf ein bestehendes Dach aufgesetzt. Stattdessen ist sie das Dach. Die Solarzellen ersetzen die Dachziegel und decken den Dachstuhl über die gesamte Fläche ab.

Die Trennung von Mayer Burger war richtig

«Dachziegel sollen das Haus schützen. Aber ein Solarziegel schützt das Haus und erzeugt auch noch Strom», sagt der Firmenchef. PV, die nahtlos in die Gebäudehülle integriert werde, sei die logische Erweiterung der Baukultur, erklärt er. Das Argument verfängt. Die Firma wächst – und zeigt: In Europa hergestellte Solarmodule können wettbewerbsfähig sein. Sogar solche aus der teuren Schweiz.

Das unterscheidet 3S von Meyer Burger, dem bekanntesten Solarunternehmen des Landes. Meyer Burger kämpft ums Überleben. Der Modulhersteller mit Sitz in Thun kann sich gegen die billige chinesische Konkurrenz nicht behaupten und sucht das Heil in den USA, wo grosszügige Subventionen locken. Doch die Verlagerung der Produktion aus Deutschland in die Vereinigten Staaten ist teuer. Ende August musste Meyer Burger den Umzug aus Geldmangel auf halbem Weg stoppen.

Bei 3S sind die Perspektiven besser. Die Fabrik in Worb wurde Ende Januar als zweiter Standort eröffnet. Der Stammsitz, das erste Werk, liegt in Gwatt bei Thun. Dort hat auch Meyer Burger den Sitz. Das ist kein Zufall: 3S war einmal ein Teil des heute kriselnden Modulherstellers. Doch vor sechs Jahren entschloss sich Hofer-Noser, 3S selbständig aufzustellen und aus Meyer Burger herauszulösen. Er ist Gründer, Mehrheitseigentümer und Chef in Personalunion.

Meyer Burger fertigt Standard-Solarmodule, wie sie die chinesischen Wettbewerber in ähnlicher Form in Massen auf den Markt werfen. Der resultierende Preiszerfall hat das Unternehmen in Existenznöte getrieben. Hofer-Noser wollte es nie so weit kommen lassen. «Mir war immer absolut klar, dass beim Standardmodul nur der Preis zählt. Als 3S haben wir nach der Trennung noch eine Woche lang Standardmodule gefertigt, dann war das vorbei», berichtet der CEO.

Der Trick: schon mit kleiner Produktion rentabel sein
 

Stattdessen fokussierte sich 3S auf Solarmodule als Baumaterial, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Neben den Solarsystemen als Deckung für Steildächer und Fassaden bietet das Unternehmen Balkongeländer mit Solarflächen und Solarüberdachungen an, etwa für Parkplätze. Mehr als 20 000 Anlagen wurden bis heute installiert.

Hofer-Noser hofft, dass Meyer Burger die Turbulenzen überlebt. Er habe überlegt, ob auch 3S in den USA eine Niederlassung errichten solle, um von den Subventionen zu profitieren. «Aber wenn die Förderung wegfällt, und ich bin nur wegen der Förderung dorthin gegangen, was wird dann?», fragt er.

Das Subventionieren einer Solarproduktion in Europa hält Hofer-Noser für zu kurz gedacht; liberale Ansätze sind ihm lieber. Und in der Schweiz gebe es andere Probleme: «Wir brauchen nicht mehr Subventionen, sondern eine Vereinfachung der Bauauflagen, Bewilligungsvorlagen und Vorschriften.»

Verglichen mit der chinesischen Konkurrenz, ist Meyer Burger ein Zwerg. Gegenüber Meyer Burger ist 3S der Junior. Die 150 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Franken. Meyer Burger brachte es 2023 auf 135 Millionen Franken – aber war hochdefizitär.

Hingegen macht 3S Gewinn, denn Grösse ist nicht alles. Die neue Fertigung in Worb ist auf eine Kapazität von 250 Megawatt ausgelegt. Ausgelastet ist sie noch nicht, aber schon bei einer deutlich kleineren Menge ist das Geschäft rentabel. Die Module sind in der Herstellung teurer als die chinesische Standardware, aber eben auch im Verkaufspreis. Die Anschaffung eines mit integrierter PV gebauten Dachs kostet rund ein Fünftel mehr als ein konventionelles Dach, auf das eine Solaranlage aufgesetzt wird.

Dafür verspricht 3S ein schöneres und homogeneres Aussehen als mit den aufgeschraubten Anlagen, eine längere Lebensdauer, besseren Schutz vor Hagelschlag, weniger Wartung und Unterhalt sowie eine bessere Versorgung mit Ersatzteilen. Verbaut werden die Solarflächen meist bei Ein- und Mehrfamilienhäusern, sie kamen aber auch schon bei Gewerbebauten, Veranstaltungshallen, Kirchendächern oder Fassaden von Seilbahnstationen zum Einsatz.

Früher war China der Kunde – jetzt ist es der Lieferant

Sondergrössen für Dach- und Fassadenanlagen, die stark auf Spezialwünsche von Kunden ausgerichtet sind, werden im Werk in Thun gefertigt. In Worb läuft eine neue Modullinie mit verschiedenen Einheitsgrössen vom Band.

Angesichts der hohen Arbeitskosten kann 3S die Module nur deshalb in der Schweiz herstellen, weil die Produktion stark automatisiert ist. Herzstück ist der 200 Tonnen schwere und 40 Meter lange Laminator, in dem die Solarzellen, Glas, Kunststofffolien und Halterungen zu Modulen verpresst werden. 3S bezieht die Zellen aus China, auch der Laminator wurde dort gekauft. China ist mittlerweile das Herz der PV-Industrie.

Das ist nicht ohne Ironie. «Mit dem Import der Maschinen haben wir das gemacht, was die Chinesen zuvor bei uns gemacht haben», so Hofer-Noser. Der 58-Jährige weiss das, weil er dabei war: Manchmal wird der Berner als «Solarpionier» der Schweizer Branche bezeichnet. So sieht er sich nicht, denn andere waren noch früher dabei. Dennoch: Der studierte Elektroniker arbeitete schon vor der Jahrhundertwende in der Branche und gründete 2001 die 3S – von Beginn an mit dem Ziel, mit PV schöne Gebäude zu gestalten.

Doch um die Module herzustellen, brauchte es Maschinen. 3S musste die Produktionsmaschinen selbst entwickeln – und stellte fest, dass sich mit dem Verkauf der Maschinen mehr Geld verdienen liess als mit den Modulen für Solardächer und Fassaden. So avancierte damals die Maschinenproduktion zum wichtigsten Standbein.

2010 fusionierte die Firma mit Meyer Burger, damals ein Hersteller von Sägen zur Produktion von Wafern, den Siliziumscheiben, aus denen Solarzellen gemacht werden. Gemeinsam wollte man die Oberhand im Maschinenmarkt behalten. Eine Käufergruppe wurde dabei immer wichtiger: die Chinesen.

Von zwei Seiten unter Druck

Auf der Suche nach der richtigen Strategie hat Meyer Burger über die Jahre mehrmals den Kurs gewechselt. 2018 sollte das von 3S übernommene Geschäft geschlossen werden. Hofer-Noser, der unterdessen das Unternehmen verlassen hatte, wollte das nicht zulassen. Er kehrte zurück und kaufte Teile seiner ehemaligen Firma heraus. 3S konzentrierte sich fortan auf Solarelemente als Bauprodukte.

Seit der Rückkehr in die Selbständigkeit sei 3S profitabel gewesen und stark gewachsen, sagt der Chef. Die chinesische Konkurrenz bereitet ihm wenig Sorgen. Die Baubranche ist stark regional geprägt, Gewohnheiten und Regulierungen variieren. «Ich habe keine Angst, dass der Chinese kommt und sich mit den Unterschieden zwischen einem Dachaufbau in Graubünden und einem im Berner Oberland beschäftigen will», sagt er. Dafür sei der Markt zu klein und zu komplex.

Stattdessen sind es nun europäische Modulhersteller, die unter chinesischem Druck auf der Suche nach einer Marktlücke sind und in die Baubranche vorstossen. 3S muss sich gegen Druck von zwei Seiten behaupten: gegen breit aufgestellte Modulhersteller wie zum Beispiel Megasol aus dem solothurnischen Deitingen, die auch integrierte Dachsysteme anbieten. Und gegen traditionelle Baumaterialhersteller, die PV-Produkte einkaufen und in ihr Angebot integrieren – etwa die für Gebäudehüllen aus Faserzement bekannte Swisspearl aus dem Glarnerland, ehemals Eternit.

Doch die Baubranche ist konservativ. An erster Stelle gilt es oft, die Architekten zu überzeugen, mit Solardächern und Solarfassaden zu planen und sich mit integrierter PV zu befassen. Verbaut werden diese Anlagen meist nur bei einem Neubau oder einer Renovation des ganzen Dachstocks. Das ist anders als bei einer nachträglichen Installation, wie sie mit Standardmodulen auf bestehenden Dächern üblich ist.

Jetzt geht es ins Ausland

Neu muss die Überzeugungsarbeit auch im Ausland geleistet werden. In diesem Frühjahr hat 3S Tochtergesellschaften in Deutschland und Österreich gegründet. Die Expansion ist nicht einfach, denn die integrierten Solardächer, das Hauptgeschäft von 3S, sind in Deutschland noch recht unbekannt. In Österreich fördert der Staat nur Solarsysteme aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Und die in der Schweiz hergestellten Produkte müssen zu einem Preis verkauft werden, der sie noch höher im Premiumsegment platziert. Im Gegenzug ist der potenzielle Markt so gross, dass 3S auch kleine Fortschritte hohes Wachstum brächten.

Dabei die richtige Nische und den richtigen Produktemix zu finden, das sieht der CEO Patrick Hofer-Noser als die wichtigste Herausforderung: gross genug sein, um Geld zu verdienen, und nicht so gross, dass standardisierte Massenware zur Konkurrenz wird. Das tönt eher nach Balanceakt als nach Gipfelsturm. Aber im Gegensatz zur früheren Muttergesellschaft Meyer Burger, die sich die Rettung der europäischen Solarproduktion auf die Fahnen geschrieben hatte, scheint die Aufgabe machbar.

Benjamin Triebe, «Neue Zürcher Zeitung»

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