Bewundernswert widerstandsfähig Die Zeit heilt alle Wunden. In den letzten drei Jahren mussten die schweizerischen KMU Krise um Krise um Krise bewältigen. Nicht wenige sind sogar gestärkt aus diesen Herausforderungen hervorgegangen.

Die Zeit heilt alle Wunden. In den letzten drei Jahren mussten die schweizerischen KMU Krise um Krise um Krise bewältigen. Nicht wenige sind sogar gestärkt aus diesen Herausforderungen hervorgegangen.

 

Viele KMU agierten bereits lange vor der Krise äusserst verantwortungsbewusst. Das hat sich in den vergangenen Jahren ausgezahlt. Bild: Adobe Stock

Lockdown. Alles steht still. Zu Beginn der Covid-Krise vor drei Jahren befanden sich viele Gewerbebetriebe in einer absoluten Schockstarre. Sie klagten über «Brände an allen Ecken, über die brutalen Auswirkungen der Krise, über einen harten Überlebenskampf».

Heute zeigt sich ein deutlich helleres Bild. «Die rasch aufeinanderfolgenden Krisen wie Covid-19, Ukraine-Krieg, Zero-Covid-Strategie in China oder die steigende Teuerung haben die KMU sehr unterschiedlich getroffen», hat Alexander Fust vom Schweizerischen Institut für KMU und Unternehmertum der Universität St. Gallen festgestellt. Einzelne Betriebe konnten in dieser Zeit sogar verblüffend gute Erträge erwirtschaften, andere wiederum kämpften ums Überleben oder mussten Konkurs anmelden. Die Bandbreite sei gross. 

Beeindruckt von der Widerstandskraft der KMU ist Alain Conte, Head Corporate & Institutional Clients Switzerland bei der UBS: «Es hat sich erneut bestätigt: Die Schweizer KMU verfügen wie schon seit vielen Jahren über eine sehr beeindruckende Resilienz. Auch die enormen Herausforderungen der letzten drei Jahre durch die Coronapandemie und die geopolitische Lage haben ein hohes Mass an Flexibilität, Anpassungsbedarf und Innovation verlangt, das die KMU sehr gut gemeistert haben.» Der UBS-Experte zählte folgende Trümpfe der KMU auf:

  • Innovationen und Anpassungen bei Produkten sowie Dienstleistungen. Dadurch konnten die veränderten Rahmenbedingungen in ein positives ­Momentum gedreht werden. Die Folgen des starken Schweizer Frankens wurden durch deutlich höhere Inflation in den Zielländern und Absatzmärkten abgefedert.
  • Eine vorausschauende Planung und, verglichen mit früheren Jahren, eine ­höhere Lagerhaltung, um zeitliche Liefer­verzögerungen abfedern zu können. Dies hat die Verfügbarkeit wegen der verzögerten Lieferketten und Produktionsengpässen erleichtert. 
  • Die Qualität der Unternehmensführung. Diese ist in volatilen Zeiten noch wichtiger geworden und für die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen entscheidend.
  • Ungeachtet der Branche zeigt sich der Erfolg bei jenen Firmen, die über eine klare Strategie verfügen, diese konsequent verfolgen und organisatorisch gut aufgestellt sind.

Dienstleistungsfirmen litten am stärksten

Grosse Unterschiede unter den Branchen hat auch der Schweizerische Gewerbeverband ausgemacht. Laut Corinne Aeberhard, Leiterin Kommunikation, haben speziell Dienstleistungsunternehmen, insbesondere im Handel, in der Gesundheitsförderung oder in der Gastronomie, stark gelitten. Die Industrie habe hingegen in dieser Zeit eine gute Konjunktur gehabt, namentlich weil sie einiges an der globalen Wertschöpfungskettenproblematik habe auffangen können. Die insgesamt gute Konjunktur in unserem Land komme nun auch den KMU zugute.

Der Procure.ch PMI, ist ein Einkaufsmanagerindex und gilt als wichtiger Frühindikator der Konjunkturentwicklung. Der Raiffeisen KMU PMI ist das Pendant für die KMU. Grafik: Raiffeisen Schweiz, Procure.ch

 

Matthias Büeler, Partner des Beratungsunternehmens BDO Luzern, sieht es ähnlich. Mit grossen Problemen hatten gemäss seinen Beobachtungen vor allem Branchen wie Gastronomie/­Hotellerie, Reisen/Tourismus, Events sowie Fitnesscenter zu kämpfen. «Gut gehalten haben sich dagegen insbesondere Unternehmen, die unmittelbar von der Krise profitiert haben, wie Apotheken/Pharma, Lebensmittelbranche, E-Commerce sowie Unternehmen mit kurzen Lieferketten.» In der aktuellen Energiekrise hätten sodann Unternehmen profitiert, die bereits früh ihr Sparpotenzial im Strombereich erkannt, oder solche, die sich langfristig gegen Schwankungen bei Energie- oder Rohstoffpreisen abgesichert hätten.

Noch ist aber bei Weitem nicht alles im Lot. Gemäss den Beobachtungen von Domagoj Arapovic, Ökonom bei Raiffeisen Schweiz, ist die Geschäftslage bei den KMU aktuell schlechter als bei grösseren Unternehmen. Die Gründe: «Kleinere Betriebe sind in der Beschaffung in der Regel weniger diversifiziert als Grossunternehmen. Deshalb wird ihr Geschäftsgang stärker durch Lieferengpässe beeinträchtigt. Sie verfügen zudem häufig nur über kleine Reserven, weshalb es ihnen schwerer fällt, externe Einflüsse wie hohe Energie- und Rohstoffpreise abzufedern». Wegen der Abhängigkeit von Spezialisten bleibe zudem auch der Fachkräftemangel eine stetige Sorge vieler KMU. 

Unterschiede zwischen den Branchen

Das Fazit bleibt für Arapovic positiv: «Unter dem Strich gibt es keine Evidenz dafür, dass die Schweizer KMU nachhaltig und auf breiter Basis an Boden verlieren. Sie werden auch künftig bedeutend bleiben und wesentlich zum Wohlstand des Landes beitragen. Allerdings zeigen sich vermehrt branchenspezifische Unterschiede und die Schere zwischen attraktiven und wachstumsschwachen Branchen geht noch weiter auf.» 

Auch der BDO-Experte Matthias ­Büeler schliesst sich dieser Meinung an: «Grundsätzlich steht es um die Schweizer KMU nach wie vor sehr gut. Sie haben sich im schwierigen Marktumfeld der letzten Jahre grösstenteils gut behaupten können, die meisten haben sich sogar als krisenresistent erwiesen.»

Die KMU stehen also trotz anhaltend schwierigen Marktumfelds auf soliden Pfeilern. Dies habe sicherlich damit zu tun, dass Schweizer KMU sehr vorsichtig planten und einen hohen Eigenfinanzierungsgrad aufwiesen. Viele Unternehmen agierten lange vor der Krise äusserst verantwortungsbewusst, ganz nach dem Motto «Spare in der Zeit, dann hast du in der Not», und hätten überdurchschnittlich viel Kapital in ihren Unternehmen belassen. «Somit konnten viele KMU von ihren Reserven zehren und die andauernde Krisen­situation der letzten Jahre weitestgehend schadlos überstehen.» 

Büeler erwähnt aber auch eine ganze Reihe von staatlichen Massnahmen wie Härtefallprogramme, Kurzarbeitsentschädigungen, Covid-Kredite, die dazu beigetragen hätten, eine Rezession abzuwenden.

Gute Zukunftschancen, aber einige Hürden

Die Experten sind sich einig: Die Schweizer KMU dürfen trotz des angespannten Marktumfelds positiv in die Zukunft blicken. Die Raiffeisenbank ist speziell für die grösseren KMU zuversichtlich, die krisenerprobt sind und sich erfolgreich auf dem Weltmarkt halten konnten. «Für andere Betriebe, vor allem die ganz kleinen, sind die Wachstumsperspektiven durchmischt und hängen stark von der Branche ab, in der sie tätig sind.» 

Wenig rosig seien die Perspektiven des Gastgewerbes oder der Baubranche. «Hier ist die Gefahr noch nicht gebannt, dass es zu deutlich mehr Konkursen kommt. In anderen Branchen wiederum ist die Stimmung äusserst optimistisch, so beispielsweise in der IT- oder Gesundheitsbranche. Hier haben sich die ohnehin schon positiven Perspektiven nochmals verbessert». 

An Herausforderungen wird es nicht fehlen

Rein wirtschaftlich dürfen die KMU in der Tat verhalten optimistisch sein», meint der Gewerbeverband. Weniger erfreulich seien die politischen Rahmenbedingungen. Die Regulierungskosten machten bereits 10 Prozent des BIP aus und belasteten die Unternehmen immer stärker. Auch Themen wie Inflation, Energiekosten sowie Fachkräftemangel stellen für die Schweizer KMU stetige Herausforderungen dar. Alexander Fust von der Uni St.Gallen sieht Probleme auf dem Arbeitsmarkt voraus: «Die geburtenstarken Jahrgänge gehen langsam in Pension und werden dem Arbeitsmarkt bei gleichbleibender Konjunktur merklich fehlen.» Insbesondere bei den KMU.

Autor: Fredy Gilgen

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