Kündigung nach Kurzarbeit: Welche Lohnansprüche haben Arbeitnehmende? Wegen den Corona-bedingten Einschränkungsmassnahmen haben viele Unternehmen zur Kurzarbeit gegriffen. Im Falle einer Kündigung ergeben sich daraus wichtige Fragen.
Wegen den Corona-bedingten Einschränkungsmassnahmen haben viele Unternehmen zur Kurzarbeit gegriffen. Im Falle einer Kündigung ergeben sich daraus wichtige Fragen.
Die Covid-19-Pandemie hat praktisch über Nacht sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Lebens erfasst. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Ansprüche von Arbeitnehmenden, denen nach Bezug von Kurzarbeitsentschädigung («KAE») gekündigt wird.
Kurzarbeit vor der Pandemie
Vor der Covid-19-Pandemie fristete das Instrument der Kurzarbeit ein eher stiefmütterliches Dasein. Mit Hilfe der KAE konnten sogenannte unvermeidbare und voraussichtlich vorübergehende Arbeitsausfälle überbrückt werden. Die Hürde war hoch und die Praxis streng. Die KAE kompensierte 80 Prozent des ausgefallenen Lohns, was zu einer entsprechenden Lohnreduktion für die Arbeitnehmenden führte.
Mit dem Ausbruch der Pandemie kam es zu einer weitgehenden Stilllegung des öffentlichen Lebens. Als Unterstützungsmassnahme griff der Bundesrat auf die Kurzarbeit zurück. Die Voraussetzungen für den Bezug wurden erheblich erleichtert, die Ämter mit Anträgen bekanntlich regelrecht überflutet. Weiter wurde die maximale Bezugsdauer schrittweise auf aktuell 24 Monate erhöht. Von einer kurzfristigen Überbrückungsmassnahme, dem ursprünglichen Zweck dieses Instrumentes, konnte keine Rede mehr sein.
Diese angepasste Praxis betreffend die KAE führt jedoch zu einem weiteren Problem, welches – soweit ersichtlich – noch kaum thematisiert wurde: Können Arbeitnehmende, denen nach Bezug von KAE gekündigt wird, rückwirkend die Differenz zum 100 Prozent Lohn verlangen?
Rückforderungsanspruch?
Wie ausgeführt, war der ursprüngliche Zweck der KAE die Überbrückung kurzfristiger Arbeitsausfälle mit dem Ziel, die Arbeitsplätze zu erhalten. Die Arbeitnehmenden mussten mit dem Bezug der KAE und der damit verbundenen Reduktion des (ausgefallenen) Lohns auf 80 Prozent einverstanden sein. Die Arbeitnehmenden waren in der Regel damit einverstanden, da die Reduktion nur von kurzer Dauer war und dem Erhalt des Arbeitsplatzes diente. Vor der Pandemie bejahten Gerichte den Anspruch von Arbeitnehmenden auf Zahlung der Differenz zur vollen Lohnzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis während oder unmittelbar nach Bezug der KAE (aufgrund wirtschaftlicher Gründe) trotzdem durch den Arbeitgeber gekündigt wurde. Begründet wurde diese Praxis damit, dass das Einverständnis zur Lohnreduktion unter Bedingung des Erhalts des Arbeitsplatzes stand. Fällt der Arbeitsplatz trotzdem weg, fällt auch die Bedingung dahin.
Und wie sieht es heute aus? Um die Antwort vorwegzunehmen: Soweit ersichtlich, gibt es noch keine Gerichtsentscheide unter Berücksichtigung der veränderten Situation. Gemäss Einschätzung des Autors kann folgendes gesagt werden: Mit dem Einsatz der KAE in der Pandemie änderte sich deren Charakter, und zwar von einer kurzfristigen Überbrückungsmassnahme zu einer mittel- bis langfristigen Stützungsmassnahme. Der Zweck ist nicht mehr vergleichbar.
Die Alternative zum Bezug der KAE wäre gewesen, die Arbeitsverhältnisse zu Beginn der Pandemie zu kündigen, was weder betrieblich, politisch noch gesellschaftlich wünschenswert gewesen wäre. Die Lohnreduktion wurde von den Arbeitnehmenden nach wie vor teilweise im Hinblick auf den Erhalt der Stelle hingenommen. Wenn das Arbeitsverhältnis aber nach mehreren Monaten doch aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt werden muss, hat sich die Bedingung (sprich der Erhalt der Stelle) zumindest teilweise verwirklicht.
Nach Ansicht des Autors kann die vor der Pandemie geltende Rechtspraxis daher nicht 1:1 auf die aktuelle Situation übertragen werden. Der Anspruch auf Rückzahlung der Differenz zum 100 Prozent Lohn ist gemäss Einschätzung des Autors daher zu verneinen. Letztlich ist auch die sozialpolitische Tragweite nicht unberücksichtigt zu lassen, wenn ein solcher Rückforderungsanspruch im Grundsatz bejaht würde.
Dies ist eine der rechtlichen Fragen, die von der Covid-19-Pandemie aufgeworfen wurden und bislang ungeklärt ist. Die Pandemie und deren Folgen werden uns wohl auch in rechtlicher Hinsicht noch lange begleiten.
Patrick Näf ist Rechtsanwalt bei Wenger Vieli AG. Er ist Fachanwalt SAV Arbeitsrecht und Co-Leiter der Fachgruppe Arbeitsrecht bei Wenger Vieli.