Arbeitslos kurz vor der Pensionierung – was dann zu tun ist und was mit der Vorsorge passiert Wer wenige Jahre vor dem Eintritt in die Pension die Stelle verliert, muss oftmals völlig neu rechnen. Was dabei zu beachten ist und welche vier Optionen ältere Arbeitslose haben.
Wer wenige Jahre vor dem Eintritt in die Pension die Stelle verliert, muss oftmals völlig neu rechnen. Was dabei zu beachten ist und welche vier Optionen ältere Arbeitslose haben.
Ob bei Migros, Post, Roche, Google oder UBS – die Meldungen über Entlassungen in der Schweiz häufen sich. Nicht selten trifft der Stellenabbau ältere Arbeitnehmende. Für diese ist das zumeist ein schwerer Schlag. Ein solcher Stellenverlust bringt die Planung für den Ruhestand oft massiv durcheinander, und es stellen sich drängende Fragen in Bezug auf die Altersvorsorge.
«Bei einem Stellenverlust kurz vor der Pensionierung muss man völlig neu rechnen», sagt Marcel Chevrolet, der im Jahr 2012 im Alter von 53 Jahren seine Direktionsstelle bei einem Finanzinstitut verloren und im Anschluss das Vermögensberatungsunternehmen Chevrolet Consulting GmbH aufgebaut hat. Die emotionale Belastung durch eine solche Erfahrung sei zumeist gross, oft auch traumatisch.
«Viele der Betroffenen fragen sich, was sie falsch gemacht haben», sagt Chevrolet. Dabei handle es sich oft um Umstrukturierungen, die man nicht beeinflussen könne. «Es geht in solchen Fällen darum, sich mental loszukoppeln und nach vorne zu schauen», sagt er. Dies sei umso wichtiger, als das Thema Vorsorge auf keinen Fall vernachlässigt werden dürfe. Sonst drohten erhebliche finanzielle Lücken.
Oft passiere aber genau das, sagt Chevrolet. Viele der Betroffenen würden sich zu wenig auskennen und kümmerten sich vor allem um eine neue Stelle. Oft sei es dann zu spät, um die Pensionskassen-Vermögen sauber zu strukturieren. Jeder Fall sei individuell zu betrachten.
Fünf Jahre kosten einen Drittel der Rente
Tashi Gumbatshang, Vorsorgeexperte bei der Bank Raiffeisen, sieht dies ähnlich. Lasse man sich fünf Jahre vor dem Erreichen des Rentenalters pensionieren, koste dies etwa einen Drittel der Rente. Das sind die potenziellen Folgen einer frühzeitigen unfreiwilligen Pensionierung. Wer die Stelle verliert, ist nicht mehr in der Pensionskasse des bisherigen Arbeitgebers versichert. Unternimmt man nichts, landet das dort angesparte Altersguthaben auf einem Freizügigkeitskonto, und der bisherige Arbeitgeber zahlt keine weiteren Vorsorgebeiträge mehr ein.
Unfreiwillige Arbeitslose mit einem Alter von 58 Jahren sowie einem Anschluss an eine Pensionskasse haben folgende vier Optionen:
- Sie können das Pensionskassen-Altersguthaben als Freizügigkeitsleistung beziehen und müssen sich zwingend bei der Arbeitslosenversicherung (ALV) anmelden.
- Sie können sich freiwillig in der Pensionskasse weiterversichern und sich bei der ALV anmelden.
- Sie können sich freiwillig in der Pensionskasse weiterversichern und sich nicht bei der ALV anmelden.
- Sie können sich vorzeitig pensionieren lassen und ihre Altersleistung aus der Pensionskasse in Form einer Rente oder einer Kapitalzahlung beziehen, ohne sich bei der ALV anzumelden. Diese Regelung muss aber im Reglement der Pensionskasse vorgesehen sein.
Gumbatshang rät Betroffenen, sich bei diesem Entscheid folgende drei Fragen zu stellen:
1. Will beziehungsweise möchte man Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen?
Arbeitslose können Taggelder aus der ALV beziehen. Allerdings müssen sie dann eine neue Stelle suchen und auch zumutbare Stellen annehmen. Der Entscheid, ob man sich bei der ALV anmeldet oder nicht, hängt natürlich von den finanziellen Verhältnissen ab.
Wer es sich leisten kann, auf Gelder aus der ALV zu verzichten, sollte sich bewusst sein, dass man dann bis zur ordentlichen Pensionierung Nichterwerbstätigen-Beiträge in die AHV zahlen muss, wenn man Kürzungen vermeiden will. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Ehepartner den doppelten Mindestbeitrag bezahlt.
2. Will man das Altersguthaben später als Rente oder als Kapitalzahlung beziehen?
«Meldet man sich bei der Arbeitslosenversicherung an, muss man sich anschliessend fragen, ob man das Altersguthaben beziehen oder ob man in der Pensionskasse weiterversichert bleiben will», sagt Gumbatshang. Wer eine Rente aus der Pensionskasse beziehen möchte, muss sich freiwillig dort weiterversichern. Dann zahlt der Versicherte sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberbeiträge.
Gumbatshang rät, wenn möglich in der Pensionskasse zu bleiben und zumindest die Arbeitgeber- als auch die Arbeitnehmerbeiträge für die Versicherung von Risiken wie Tod oder Invalidität weiterzuzahlen. Seit 2021 haben Personen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und denen gekündigt wird, das Recht, die berufliche Vorsorge weiterzuführen. Laut Raiffeisen können Versicherte den Sparteil reduzieren oder weglassen, wenn die Mittel im Laufe der Zeit knapp werden.
Der weitere Aufbau der Altersvorsorge durch Sparbeiträge ist möglich, aber teuer. «Die Praxis zeigt, dass sich das die wenigsten Leute leisten können», sagt Berater Marcel Chevrolet. Nicht wenige seiner Kundinnen und Kunden entschieden sich oder seien sogar dazu gezwungen, bei einer Entlassung in späteren Berufsjahren die Schweiz zu verlassen. Bei vielen von ihnen handle es sich um Expatriates, die einige Jahre in der Schweiz gearbeitet hätten und anschliessend in ihr Heimatland zurückkehrten.
Bezieht man das Altersguthaben als Freizügigkeitsleistung, hat man die Option, dieses auf zwei verschiedene Freizügigkeitseinrichtungen zu übertragen. «Ist das Vermögen einmal auf einer Freizügigkeitsstiftung deponiert, kann man es nicht mehr splitten», sagt Chevrolet. Durch das Splitting bietet sich die Möglichkeit, das Kapital später gestaffelt in zwei verschiedenen Steuerperioden zu beziehen und so die Progression zu brechen. Chevrolet rät dazu, dies zu tun. Bei einer geschickten Anlage der Gelder liessen sich zudem ordentliche Renditen erzielen.
«Wenn man die Freizügigkeitsleistung bezieht, ist der Sparprozess in der beruflichen Vorsorge vorbei», sagt Gumbatshang. Man könne aber weiterhin in die Säule 3a einzahlen.
3. Hat man die Wahl, bis zur ordentlichen Pensionierung auf regelmässige Einkünfte zu verzichten?
Auf die Leistungen aus der ALV zu verzichten, können sich im Allgemeinen nur Personen leisten, die vermögend sind oder von ihrem Lebenspartner «versorgt» werden. «Ihnen stellt sich die Frage, ob sie ihren Lebensunterhalt bis zum Rentenalter finanzieren können oder ob sie direkt ein Einkommen benötigen», sagt Gumbatshang. Wer ein Einkommen braucht, sich aber nicht bei der ALV anmelden will, kann sich vorzeitig pensionieren lassen.
Allerdings ist bei diesem Entscheid zu berücksichtigen, dass dann Rentenkürzungen drohen. Will man dies vermeiden, kann man die freiwillige Weiterversicherung in der Pensionskasse ohne Anmeldung bei der ALV wählen. Raiffeisen weist aber darauf hin, dass für einen solchen Entscheid erhebliche finanzielle Ressourcen nötig sind. Schliesslich erhält man dann kein Einkommen aus der ALV oder eine Rente aus der beruflichen Vorsorge und muss gleichzeitig die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskasse bezahlen.
Michael Ferber, «Neue Zürcher Zeitung»