Bin ich fair bezahlt – und was verdienen die anderen? Mit Lohnvergleichsplattformen lässt sich das leicht überprüfen Über den Lohn spricht man in der Schweiz noch immer nicht gern, obwohl eigentlich jeder wissen möchte, was der andere verdient. Lohnvergleichsplattformen helfen bei der Recherche.

Über den Lohn spricht man in der Schweiz noch immer nicht gern, obwohl eigentlich jeder wissen möchte, was der andere verdient. Lohnvergleichsplattformen helfen bei der Recherche.

Gegenüber einem privaten Austausch haben Vergleichsplattformen den Vorteil, dass auf ihnen systematisch Löhne erfasst und verglichen werden können. (Bild: Brooke Cagle auf Unsplash)

Den Chef kann es offenbar ärgern, wenn ein Bewerber genaue Vorstellungen vom Lohn hat. Es nerve sie jeweils, wenn die Kandidaten zum Schluss eines Bewerbungsgespräches fröhlich-triumphierend sagten, welchen Lohn sie erwarteten, und dabei auf ihre Vorabklärungen auf Lohnvergleichsplattformen verwiesen, erzählt eine Führungsperson aus dem mittleren Kader.

Umgekehrt kann das Wissen um den Lohn auch dem Bewerber auf die Stimmung schlagen. Ein Journalist wollte bei einem Stellenwechsel einen Lohnsprung herausholen. Als er seine Gehaltsvorstellung nannte, reagierte sein Vis-à-vis ablehnend und kommentierte, dass er bisher auch nicht mehr als die Summe X verdient habe. Konsterniert registrierte der Mann, dass der neue Wunscharbeitgeber die Löhne des Konkurrenten offenbar sehr gut kannte und das seine Zahlungsbereitschaft limitierte.

Die reine Wahrheit gibt es nicht

Die beiden Fälle zeigen: Den Lohn zu verhandeln, ist immer noch heikel. Dabei ist die Frage «Werde ich fair bezahlt – und was kann ich bei einem Wechsel erwarten?» grundlegend für jeden Jobsuchenden. Die Frage betrifft aber auch diejenigen, die schon länger auf ihrem Posten sind und nicht klaglos auf der Seitenlinie überholt werden wollen.

Weil im privaten Kreis und unter Arbeitskollegen nicht alle Informationen freimütig geteilt werden, sind in den letzten zwanzig Jahren verschiedene Online-Plattformen in die Bresche gesprungen. Auf ihnen lässt sich nachschauen, was man als Physiotherapeutin in Luzern verdient, als Polymechaniker mit zehn Jahren Berufserfahrung erwarten kann oder als Marketingleiterin im Gesundheitswesen. Gegenüber einem privaten Austausch haben die Plattformen den Vorteil, dass auf ihnen systematisch Löhne und Berufe erfasst und verglichen werden können.

In der Schweiz gibt es mehrere Vergleichsplattformen. Bekannt sind vor allem der Lohnrechner des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), der Kununu-Gehaltscheck und der Lohncheck der Firma Matto. Auch die NZZ hat einen Lohnrechner. Ein weiterer findet sich auf der Website der Stellenbörse jobs.ch. Weil alle Rechner auf unterschiedlichen Daten basieren, spucken sie jeweils etwas andere Resultate heraus. Um ein möglichst vollständiges Bild zu bekommen, lohnt es sich, die Ergebnisse mehrerer Plattformen zu vergleichen.

(Grafik: NZZ / sih.)

Die Angaben des gewerkschaftlichen Lohnrechners basieren auf der jeweils jüngsten Schweizerischen Lohnstrukturerhebung des Bundesamts für Statistik bei privaten und öffentlichen Unternehmen sowie den Verwaltungen. Die aktuelle ist aus dem Jahr 2020 und somit nicht mehr taufrisch. Nutzer geben Beruf und Branche an, dazu das Alter, das Dienstalter, den Kanton, den höchsten Abschluss, ob man in einer Kaderfunktion ist sowie die Zahl der wöchentlichen Arbeitsstunden. Auf dieser Basis zeigt der Rechner die sogenannt «üblichen» Löhne für das Anstellungsprofil in der jeweiligen Region an. Als «üblicher» Lohn wird das Spektrum bezeichnet, in dem sich die mittleren 50 Prozent der Angestellten befinden.

Der Informationsvorsprung der Arbeitgeber wird reduziert

Der Gewerkschaftsbund sieht seinen Lohnrechner als wichtiges Instrument im Kampf gegen Lohndumping. Je besser jemand die Löhne in seinem Bereich kennt, desto geringer wird die sogenannte «Informationsasymmetrie», also das Gefälle zwischen dem Kandidaten und dem Unternehmen, welches eine Vielzahl von Löhnen verhandelt. Aufgrund der vielen Einflussfaktoren, die berücksichtigt werden, gewinnt man einen guten Eindruck.

Die Plattform Kununu-Gehaltscheck, die zum deutschen Unternehmen New Work gehört, verfolgt einen anderen Ansatz. Hier werden nicht nur Gehaltsdaten geteilt, vielmehr geht es um eine breitere Bewertung des Arbeitgebers. Sie soll Stellensuchenden ein ungeschminktes Bild von der Arbeitsatmosphäre vermitteln. Negative Bewertungen sind auf Kununu erlaubt, falsche Tatsachenbehauptungen nicht. Wenn ein Unternehmen vermutet, dass bestimmte Angaben erfunden wurden bzw. von Fake-Angestellten stammen, verlangt Kununu vom Arbeitnehmer einen Tätigkeitsnachweis.

Zahlt Roche besser als Novartis?

Wer wissen will, was man zum Beispiel bei Roche im Labor verdient oder bei der UBS als Kreditspezialist, kann hier fündig werden. Zudem kann man schauen, ob zum Beispiel Novartis oder die Zürcher Kantonalbank für eine Position mehr bezahlen würden. Das ist spezifischer als beim Lohnrechner des Gewerkschaftsbundes.

«Normalerweise kennt der Arbeitgeber die Löhne sehr genau, während der Arbeitnehmer im Dunklen tappt. Das ungleiche Machtverhältnis wird so ausgeglichen», sagt Dario Wilding von Kununu. Damit eigne sich das Tool auch für die eigene Karriereplanung. Die Lohndaten stammen von Nutzern, die diese freiwillig auf der Plattform teilen. Prinzipiell kann jeder ein Phantasiegehalt eingeben.

Unrealistische Lohnangaben werden laut Wilding durch eine standardisierte Prüfung herausgefiltert. Dennoch sind Abweichungen zu den tatsächlich gezahlten Gehältern möglich. Der Kununu-Gehaltscheck ist insofern kein Ersatz für offizielle Lohnerhebungen. Die Selbstauskünfte zeigen stattdessen, wie Gehälter im echten Leben variieren und von Faktoren wie Verhandlungsgeschick, Betriebsklima und Unternehmenspolitik abhängen. Insofern ermöglichen die Daten individuellere Einblicke als die offiziellen Statistiken.

Je mehr Nutzer Angaben machen, desto präziser werden die Informationen. Für manche Bereiche gibt es viele Einträge, bei anderen ist die Faktenlage dünn und damit weniger aussagekräftig.

Für die Arbeitnehmer ist der Service kostenfrei. Geld verdient das Unternehmen mit dem sogenannten «Employer Branding», bei dem Unternehmen Geld dafür zahlen, sich auf der Plattform als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Eine kommerzielle Verwendung oder Weitergabe von Nutzerdaten an Unternehmen findet nicht statt.

Lohncheck ermöglicht einen Branchenvergleich

Eine weitere grosse Plattform ist lohncheck.ch, die von der Zuger Firma Matto betrieben wird. Lohncheck berücksichtigt bei der Gehaltsanalyse deutlich mehr Faktoren als Kununu, darunter neben dem Beruf auch die Berufserfahrung, den Arbeitsort und die Branchenzugehörigkeit. Auf der Plattform sind über 1,4 Millionen Datensätze gespeichert. Zumindest für die Schweiz dürften damit deutlich mehr Datenpunkte vorliegen als bei Kununu. Wie bei dem Konkurrenten stammen die Daten von Selbstauskünften der Arbeitnehmer. Auch Lohncheck hat einen Prozess zur Erkennung von unrealistischen bzw. falschen Angaben etabliert.

Zusätzlich zum Lohnband bietet Lohncheck sogenannte Gap-Analysen, die aufzeigen, wie die Lohnspanne in einer anderen Branche aussieht. Interessant ist dieser Vergleich für Leute in Querschnittsfunktionen wie Einkäufer, Marketingfachleute oder Projektmanager, die grundsätzlich nicht in einer bestimmten Branche gefangen sind und wissen wollen, wo sie besser verdienen können.

Gute Vorbereitung für das Lohngespräch

Der Nutzen für Stellensuchende liegt auf der Hand. «Bei aller Romanze, die man im HR zu Äpfeln und Tischtennisplatten hat: Der Lohn entscheidet bei vielen Leute immer noch, ob sie einen Job annehmen», sagt Tobias Egli, Partner bei der Matto-Group. Eine realistische Einschätzung des eigenen Marktwertes findet er nicht unsympathisch, sondern im Gegenteil essenziell. «Der Arbeitgeber erwartet, dass man weiss, was man wert ist.»

Vom Lohn-Wissen profitieren auch Mitarbeiter, die sich auf ein Lohngespräch vorbereiten. Aufgrund der Daten lasse sich besser argumentieren, warum man innerhalb der Firma nicht durchschnittlich bezahlt werden wolle, sondern ins obere Viertel gehöre, meint Egli. Für solche Gespräche sei ein Referenzwert sehr nützlich.

Lohnunterschiede zwischen Frau und Mann werden auf dem gewerkschaftlichen Lohnrechner nicht angezeigt; auf Kununu wie auf Lohncheck lassen sie sich abrufen. Damit kann man abschätzen, in welchen Funktionen und Branchen die Unterschiede am grössten sind. Firmen, die Ungleichbehandlungen vermeiden wollen, können diese zur Analyse bzw. Beseitigung der Gender-Pay-Gaps nutzen.

Für Arbeitnehmer ist der Service auf allen drei Plattformen kostenfrei. Bei Lohncheck muss man allerdings zunächst selbst Angaben machen, um im Gegenzug an ein Ergebnis zu kommen. Dazu zählt auch die Eingabe des eigenen Jahres- bzw. Monatslohns. Erst wenn man die E-Mail-Adresse angibt, wird die Lohnanalyse freigeschaltet.

Ein Grund dafür ist, dass Lohncheck mit den gesammelten Nutzerdaten im Werbemarkt Geld verdient. Diese werden ähnlich wie bei Facebook und Google für Werbe-Targetings eingesetzt. Viele Nutzer gehen damit unverkrampft um, andere sind zurückhaltender und verzichten darauf, die Lohnanalyse abzuschliessen. Gemäss Matto-Group werden die Angaben nicht abgespeichert, wenn der Arbeitnehmer am Ende eine Nutzung seiner Daten ablehnt.

Transparenz hilft Arbeitgebern beim Sparen

Interessant sind die Lohnplattformen nicht nur für die Arbeitnehmer, sondern auch für die Arbeitgeber. Letztere können sich mit der Konkurrenz vergleichen und so abschätzen, mit welchen Gehältern sie gute Fachleute anziehen, ohne übermässig grosszügig zu sein. Die Transparenz bringt die Arbeitnehmer in eine bessere Verhandlungsposition, hilft aber letztlich auch den Arbeitgebern beim Sparen.

Christin Severin, «Neue Zürcher Zeitung»

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