Die Pensionskassen sind stabil – Panikmache wegen Altersarmut ist fehl am Platz Rentenkürzungen bei den Pensionskassen dürften zum Volks-Ja zur 13. AHV-Rente beigetragen haben. Sie waren aber nötig, um die berufliche Vorsorge fair zu gestalten. Auch die BVG-Reform wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Rentenkürzungen bei den Pensionskassen dürften zum Volks-Ja zur 13. AHV-Rente beigetragen haben. Sie waren aber nötig, um die berufliche Vorsorge fair zu gestalten. Auch die BVG-Reform wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

(Illustration: Peter Gut)

Die Sicherheit der Altersvorsorge gehört seit Jahren zu den grössten Ängsten der Schweizer Bevölkerung. Dies zeigt der Blick auf das Sorgenbarometer der Credit Suisse, in dem das Thema zumeist Spitzenplätze belegt – neben Gesundheit und Krankenkassen, Klimawandel, Zuwanderung und dem Verhältnis der Schweiz zur EU.

Nicht zuletzt die Sorge, dass ihr Geld im Alter nicht reichen könnte, dürfte viele Stimmbürger dazu bewogen haben, der Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds für eine 13. AHV-Rente am 3. März dieses Jahres zuzustimmen. Aufgrund der Alterung der Schweizer Bevölkerung und der lange sehr niedrigen Zinsen waren viele Pensionskassen in den vergangenen Jahren gezwungen, ihre Renten zu kürzen.

Die Pensionskasse ist für viele Menschen in der Schweiz der grösste Vermögenswert. Ob man hier beim Eintritt in den Ruhestand mit einem Umwandlungssatz von 6,25 Prozent – laut der Swisscanto-Branchenstudie der Mittelwert der Schweizer Pensionskassen im Jahr 2015 – oder dem aktuellen Wert von 5,31 Prozent in Rente geht, macht einen deutlichen Unterschied.

Mit dem Umwandlungssatz wird bei der Pensionierung das in der Kasse vorhandene Sparkapital multipliziert und in eine Rente umgewandelt. Ein Vermögen von 750 000 Franken ergibt beim ersten Wert eine Rente von rund 47 000 Franken pro Jahr, beim zweiten nur eine von knapp 40 000 Franken.

Nicht zuletzt weil sie ihre Umwandlungssätze gesenkt haben, stehen viele Schweizer Pensionskassen finanziell wieder gut da. Trotzdem bleibt eine Vielzahl von Herausforderungen für die zweite Säule des Schweizer Altersvorsorgesystems. Auch die am 22. September zur Abstimmung kommende Pensionskassenreform wird sie nicht alle lösen – sie wäre aber insgesamt gesehen ein Schritt in die richtige Richtung.

Altersvorsorge in Pensionskassen auf sichereren Füssen

Bei den Pensionskassen gab es jüngst einige positive Signale. Bei ihren Finanzen spielt nicht zuletzt die Entwicklung der Börse eine wichtige Rolle. Nach den jüngsten Kursgewinnen ist der durchschnittliche Deckungsgrad der privatrechtlichen Pensionskassen laut der Swisscanto-Studie per Ende 2023 wieder auf 113,5 Prozent gestiegen – nachdem er im Vorjahr deutlich gesunken war.

Zudem haben fast die Hälfte der Vorsorgeeinrichtungen ihre Wertschwankungsreserven zu mindestens 75 Prozent aufgefüllt. Dies sind finanzielle Polster, die bei Werteinbussen auf Vermögenswerten eingesetzt werden. Die Pensionskassen haben also wieder mehr finanziellen Handlungsspielraum. Die Wende zeigt sich nicht zuletzt darin, dass laut der Umfrage jede siebte Kasse Leistungsverbesserungen in Aussicht stellt.

Positiv ist auch, dass das Kapitaldeckungsverfahren in der beruflichen Vorsorge seinem Namen wieder eher gerecht wird: Nach Jahren mit deutlicher Umverteilung von Jung zu Alt sparen die Versicherten wieder stärker für sich selber. Laut der Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV) sind die zukünftigen Rentenverpflichtungen zum grössten Teil wieder ohne Quersubventionierung finanzierbar.

Das Gesetz schreibt für die obligatorische Vorsorge einen Mindestumwandlungssatz von 6,8 Prozent vor. Die Senkungen der Sätze unter diesen Wert bei den Pensionskassen waren nur deshalb möglich, weil viele von ihnen mehr als die gesetzlichen Minimalleistungen versichern – in diesem überobligatorischen Teil können sie ihre Umwandlungssätze selber festlegen.

Der von Gewerkschaften beklagte Leistungsabbau wurde indessen dadurch relativiert, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dieser Zeit gemeinsam mehr in der beruflichen Vorsorge gespart haben, wie Branchenvertreter betonen. Auch wird bei den Klagen über niedrigere Pensionskassenrenten oft nicht berücksichtigt, dass sich mehr Versicherte bei der Pensionierung ihr Altersguthaben auszahlen lassen.

Weitere Herausforderungen für die berufliche Vorsorge

Die positiven Nachrichten überdecken indessen nicht die Tatsache, dass die Vorsorgeeinrichtungen weiterhin vor Herausforderungen stehen.

Zunächst einmal ist hier die demografische Entwicklung zu nennen. Der rasante Anstieg der Lebenserwartung in den vergangenen Jahrzehnten hat sich zwar jüngst etwas abgeschwächt. Wegen des medizinischen Fortschritts und des gesünderen Lebensstils der Bevölkerung könnte die Lebenserwartung aber in den nächsten Jahren weiter steigen – für die Pensionskassen verlängert dies die Zeit, in der sie Renten ausrichten müssen.

Auch ist es für die Vorsorgeeinrichtungen weiterhin schwierig, mit sicheren Vermögensanlagen gute Renditen zu erzielen. Die Zinsen in der Schweiz sind weiterhin sehr niedrig. Zehnjährige Schweizer Staatsanleihen rentieren derzeit beispielsweise gerade einmal mit 0,6 Prozent.

Zudem sollten die Entscheidungsträger in den Pensionskassen nicht davon ausgehen, dass sich die Hausse an den Aktienmärkten ungebremst fortsetzt. Ein guter Teil davon dürfte von der jahrelangen Geldschwemme der Zentralbanken sowie von Konjunkturprogrammen von Regierungen ausgelöst worden sein. Wie schnell ein schlechtes Börsenjahr Löcher in die Finanzen reissen kann, hat das Jahr 2022 gezeigt.

Neben einem Crash an den Aktienbörsen wäre auch eine längere Zeit mit höheren Zinsen und höherer Inflation ein schwieriges Szenario für die Pensionskassen. Eine Stagflation wie in den 1970er Jahren, also eine Phase der wirtschaftlichen Stagnation bei gleichzeitig höherer Teuerung, dürfte die drei wichtigsten Anlageklassen der Schweizer Pensionskassen gleichzeitig belasten: Aktien, Anleihen und Immobilien.

Auch wenn die Pensionskassen die Umverteilung von Jung zu Alt endlich in den Griff bekommen haben, wirken politische Fehlentscheide weiterhin nach. Dazu zählt der genannte, im Gesetz festgeschriebene BVG-Mindestumwandlungssatz von zu hohen 6,8 Prozent. Wird er angewendet, sind die Rentenverpflichtungen nicht ausfinanziert, und es entstehen Verluste, die jüngere Jahrgänge ausgleichen müssen. Besonders gross ist dieses Problem bei 10 bis 15 Prozent der Pensionskassen – sogenannten «BVG-nahen» Einrichtungen, die fast nur im obligatorischen Bereich tätig sind.

Diese politische Fehlkonstruktion tangiert indirekt aber auch die Pensionskassen mit überobligatorischer Vorsorge. Bei ihnen kommt es oft zu einer systemfremden Umverteilung, die selten thematisiert wird. So setzen die Kassen die Umwandlungssätze im überobligatorischen Bereich, wo sie diese selbst bestimmen können, oft sehr niedrig an, um so den überhöhten BVG-Mindestumwandlungssatz auszugleichen. Dies geht zulasten der Versicherten, die etwas höhere Löhne haben.

Ein Preis für die finanzielle Solidität der Pensionskassen sind auch die anhaltend niedrigeren Umwandlungssätze. Laut der Swisscanto-Umfrage haben in diesem Jahr nur 3 von 483 befragten Pensionskassen die Sätze erhöht. Viele Kassen schrecken hiervor zurück, da sie ihren Versicherten diese höheren Renten dann lebenslang garantieren müssen.

Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die Versicherten die Risiken der Pensionskassen in Zukunft stärker mittragen müssen: Die Kassen setzen auf Flexibilität und stimmen ihre Leistungen auf die Entwicklung der Finanzmärkte ab. Es gibt also weniger garantierte Leistungen, vielmehr hängen diese davon ab, wie sich die Börse entwickelt.

Auch bei den geplanten Leistungsverbesserungen für Rentner agieren die Pensionskassen mit angezogener Handbremse. Laut der Swisscanto-Studie sieht zwar jede siebte Pensionskasse Leistungsverbesserungen vor, um die Inflation auszugleichen. Dabei setzen allerdings 61 Prozent auf Einmalzahlungen und nur 39 Prozent auf Rentenerhöhungen.

BVG-Reform als Schritt in die richtige Richtung

Trotz alldem ist es sehr zu begrüssen, dass die berufliche Vorsorge finanziell wieder auf stabileren Beinen steht. In diesem Zusammenhang wäre auch die Pensionskassenreform ein Schritt in die richtige Richtung. Dieser lang verhandelte Kompromiss hat zweifellos seine Schwachstellen – wie etwa vorgesehene Rentenzuschläge für Personen, die durch die Reform gar keine Nachteile hätten.

Unter dem Strich überwiegen aber die Vorteile des Pakets. Es ist wichtig, den überhöhten BVG-Mindestumwandlungssatz endlich zu senken, wie dies die Reform vorsieht. Zudem würde sie die Vorsorge von Teilzeitbeschäftigten und Personen mit mehreren Arbeitspensen verbessern. So würde die zweite Säule den gesellschaftlichen Realitäten angepasst.

Das wohl gewichtigste Argument für eine Pensionskassenreform ist aber das folgende: Das erneute Scheitern an der Urne wäre ein Steilpass für linke Kräfte, welche die berufliche Vorsorge weiter schwächen und die AHV noch stärker ausbauen möchten. So würde der staatliche Einfluss auf die Vorsorge weiter erhöht und die Eigenverantwortung des Einzelnen geschwächt.

Das grundsätzlich gut konzipierte Drei-Säulen-System der Schweizer Altersvorsorge würde sich so schleichend in Richtung einer Volkspension entwickeln, bei der der Staat eine immer grössere Rolle spielt – und auch immer höhere Ausgaben generiert. Geht die Entwicklung in diese Richtung, müssen sich die Schweizerinnen und Schweizer wirklich Sorgen um ihre Altersvorsorge machen.

Michael Ferber, «Neue Zürcher Zeitung»

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