Erbschaftssteuer bringt KMU ins Schwitzen Die Sorge ist gross. Auch wenn die meisten KMU von der Juso-Erbschaftssteuer nur indirekt betroffen sind, befürchten sie gravierende Auswirkungen.

Die Sorge ist gross. Auch wenn die meisten KMU von der Juso-Erbschaftssteuer nur indirekt betroffen sind, befürchten sie gravierende Auswirkungen.

Die Erbschaftssteuer könnte im Falle der Annahme der Initiative die Familie aus einem familiengeführten Unternehmen drängen. (Bild: Adobe Stock)

Seit der überraschenden Annahme der 13. AHV-Rente ist die Nervosität auch in der KMU-Welt gross. Was kommt als Nächstes? Hat jetzt sogar die radikale Initiative der Jungsozialisten für eine Erbschaftssteuer eine Chance? Bei einem Ja sehen auch die kleinen und mittelgrossen Unternehmer einen Berg von Problemen auf sich zukommen, obwohl die neue Steuer nur Erbschaften von 50 Millionen Franken und mehr betrifft. Zudem würde die Initiative frühestens 2026 zur Abstimmung kommen. Macht man sich also nicht Sorgen auf Vorrat? Und wären die Folgen tatsächlich so dramatisch wie aktuell dargestellt und beklagt?

«Ja», sagt Stefan Piller, Mitglied der BDO-Regionaldirektion, Partner und Leiter Steuern & Recht in Zürich, «die Sorgen der KMU im Zusammenhang mit der Erbschaftssteuer-Initiative 2024 sind durchaus berechtigt.»

Diese Steuer könnte insbesondere für Familienunternehmen und KMU problematisch werden, deren Vermögen im Unternehmen selbst gebunden ist. Sollte die Initiative angenommen werden, könnten die Erben gezwungen sein, Unternehmensanteile zu verkaufen, um die Erbschaftssteuerlast zu decken. Dies könnte die Kontinuität der Unternehmensführung, sprich die Nachfolge und die Arbeitsplätze, gefährden.

Es könnte zu einer Doppelbesteuerung kommen

«Nicht auszuschliessen ist zudem, dass es zu einer Doppelbesteuerung kommt, da die kantonalen Erbschaftssteuern ­weiterhin gelten, was die finanzielle Belastung zusätzlich erhöht», befürchtet Piller. Allerdings sei die konkrete Umsetzung der Initiative noch unklar und es sei nicht sehr wahrscheinlich, dass sie angenommen werde. Klar ist nach dem Steuerexperten aber: «Sollte sich im Parlament oder bei den Umfragen eine Tendenz zur Zustimmung zur Volksinitiative abzeichnen, werden die Betroffenen noch vor der Abstimmung Massnahmen einleiten, um eine Besteuerung zu verhindern und ihr Vermögen zu schützen.»

Vorläufig gelte es abzuwarten, wie sich die politische und rechtliche Lage entwickle. Es mache aber Sinn, bereits einen Plan B zu entwickeln, um im Falle einer Annahme der Initiative vorbereitet zu sein. Dabei könnten verschiedene Möglichkeiten geprüft werden:

  • Der Wegzug aus der Schweiz noch vor der Abstimmung: Der Aufwand eines solchen Schrittes müsste sehr sorgfältig abgewogen werden.
  • Die Übertragung von Vermögenswerten, insbesondere Unternehmensanteilen, in Stiftungsstrukturen im Ausland, etwa in Liechtenstein. Eine solche Massnahme könnte dazu beitragen, das Vermögen langfristig zu schützen.
  • Eine weitere Option ist die vorzeitige Weitergabe von Vermögenswerten an die nächste Generation, bevor die Initiative möglicherweise angenommen wird. Dies könnte dazu beitragen, die steuerliche Belastung für die Nachkommen aufzuschieben bzw. zu minimieren.

Keine Ausnahme für KMU vorgesehen

Philippe Obrist, Leiter Firmenkunden bei Raiffeisen Schweiz, beurteilt die Lage ähnlich. Die von der Juso Schweiz lancierte Initiative fordert die Einführung einer nationalen Erbschafts- und Schenkungssteuer. Diese sieht vor, dass Nachlässe ab 50 Millionen Franken mit einem Steuersatz von 50 Prozent besteuert werden. Eine Ausnahme beispielsweise für KMU ist nicht vorgesehen. Die Konsequenz: Bei einer Annahme der Initiative würden sämtliche Schenkungen und Erbschaften über dem Frei­betrag von 50 Millionen Franken, die nach der Annahme ausgerichtet werden, besteuert. Das Vermögen von Unternehmerinnen und Unternehmern ist in ­vielen Fällen zu einem grossen Teil in deren Unternehmen investiert und somit gebunden. Um die Schenkungs- beziehungsweise Erbschaftssteuer bezahlen zu können, müssten Unternehmen zu Liquidität gelangen und daher investierte Vermögenswerte liquidieren. Insofern wäre die vorgesehene Steuer eine reale Gefahr für die KMU.

Obrist empfiehlt den KMU, als Vorsichtsmassnahme genügend liquide Mittel aufzubauen und diese für einen solche Steuer zu reservieren oder die Schenkung beziehungsweise Erbschaft vor der Abstimmung auszurichten. Als ultima ratio verbleibe ein Wegzug der Unternehmerin oder des Unternehmers ins Ausland.

Kapital liegt nicht einfach auf einem Konto

«Die Sorgen der KMU wegen der Erbschaftssteuer sind durchaus berechtigt», sekundiert Alexander Fust, Ständiger Dozent an der Universität St. Gallen und KMU-Experte. Für verschiedene KMU und Familienunternehmen hätte die Annahme der Initiative grosse Auswirkungen auf die Unternehmensnachfolge, sagt er.

Es sollte bewusst sein, dass das ­Kapital der Unternehmensinhaberinnen und -inhaber nicht einfach auf ihrem Konto liegt, sondern in der Firma investiert ist und auch dort gebraucht wird. Da die Initiative einen Freibetrag von 50 Millionen gewährt, wären eher mittelgrosse Firmen und grössere Familienunternehmen oder kleinere Firmen mit hohen Anlagen wie Immobiliengesellschaften davon betroffen.

Sollte die Initiative angenommen ­werden, könnten die Erben sich ­gezwungen sehen, Unternehmensanteile zu verkaufen, um die Steuerlast zu decken.

Fust erläutert das Problem an einem Beispiel: Falls ein Inhaber einer Firma mit einem Firmenwert von 80 Millionen sterben sollte, dann werden sofort 50 Prozent von 30 Millionen als Erbschaftssteuer fällig. Bei einem Firmenwert von 200 Millionen sind es sogar 50 Prozent von 150 Millionen. Das ist ein Betrag, der in den allermeisten Fällen nicht einfach so auf dem Konto der Firma oder des Inhabers liegt, sondern gebundenes Kapital ist. Es ist Kapital, das von der Firma gebraucht wird, in Immobilien, Fahrzeuge oder Maschinen investiert ist, für Löhne oder Investitionen reserviert ist oder um geplantes Wachstum zu finanzieren.

Bei einem Ableben des Firmen­inhabers werden die Nachkommen, die Erben der Aktien des Familienunternehmens, dieses Kapital zur Begleichung der Steuern rasch auftreiben müssen. «Vielleicht haben sie die Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen, was jedoch von der Kreditwürdigkeit des Unternehmens abhängt und zudem auch Zinskosten und einen Amortisationsplan nach sich zieht», führt Fust weiter aus. Oft werde den Nachfolgern nur ein (Teil-)Verkauf des Unternehmens möglich sein, da sie diese hohe Summe in einer so kurzen Zeit nicht auftreiben könnten. Eine Firma innerhalb kurzer Zeit verkaufen zu müssen, schwäche aber die Verhandlungsposition der Inhaberschaft, was sich preisdrückend auswirke. 

Problem um Problem für die Erben

Nach Ansicht des St. Galler Dozenten ist es wahrscheinlich, dass wegen einer solchen Erbschaftssteuer in vielen Fällen die Familie aus dem ehemals familiengeführten KMU gedrängt wird. «Wenn der Verkaufsprozess nicht innert nützlicher Frist abgeschlossen werden kann, dann ist im schlimmsten Fall sogar die Insolvenz des Unternehmens möglich, da Liquiditätsengpässe auftreten könnten.» Dies, wenn zu viel Kapital aus dem Unternehmen abfliesst, um zumindest einen Teil der Erbschaftssteuer der Inhaberschaft zu bezahlen. Zudem könnten dadurch anderweitige Unsicherheiten bei der Kundschaft, Lieferanten und Mitarbeitenden ausgelöst werden.

Erschwerend bei der Juso-Initiative sei, dass sie sofort nach einer ­allfälligen Annahme in Kraft treten würde. Das führe dazu, dass sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer bereits jetzt ­einige der oben skizzierten Massnahmen überlegen würden. Unabhängig davon, ob die Initiative angenommen wird oder nicht. «Aus unternehmerischer Sicht ist es bedenklich, dass eine Initiative schon im Vorfeld solche Unruhen auslösen kann», bedauert Fust.

Autor: Fredy Gilgen

Kapital hat schnelle Füsse

Auch wenn die Erbschaftssteuer nur die reichsten fünf Prozent der Bevölkerung betrifft, könnte die Erbschaftssteuer, so wie sie die Juso fordert, ein ernsthaftes Problem für die Schweiz werden, hat eine Studie von Isabel Martínez und Enea Baselgia von der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH ergeben. Denn die reichsten fünf Prozent zahlen zwei Drittel der direkten Bundessteuer. Und ein Grossteil dieser Allerreichsten würde bei der Einführung der Erbschaftssteuer wohl tatsächlich auswandern.

Hinweise dazu liefert gemäss Marius Brülhart, Ökonomieprofessor an der Uni Lausanne, eine Studie aus den USA. Dort haben manche Staaten eine Erbschaftssteuer von 16 Prozent und andere überhaupt keine. Die Studie untersuchte, wie die Superreichen reagierten, wenn Staaten ihre Erbschaftssteuer veränderten. Das Resultat ist deutlich: Rund ein Drittel der Superreichen zog aus den Staaten mit Erbschaftssteuern weg.

Wenn bereits eine Erbschaftssteuer von 16 Prozent einen Drittel der Betroffenen veranlasst, den Staat zu wechseln, würden die von der Juso geforderten 50 Prozent noch massivere Auswirkungen haben. Brülhart macht eine stark vereinfachte Hochrechnung: «Die von der Juso geforderte Steuer ist dreimal so hoch wie jene in den USA. Wenn man nun der Anteil der Wegzüger proportional zur Steuer steigt, kommt man auf 100 Prozent. Praktisch alle Superreichen würden also auswandern. Dies mag eine Milchbüchleinrechnung sein, sie lässt aber vermuten, dass man bei der Einführung einer Erbschaftssteuer von 50 Prozent mit einer sehr hohen Wegzugsquote rechnen müsste.»

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