«In der Schweiz hat sich eine Art Vollkasko-Mentalität entwickelt», warnt der Präsident des Versicherungsverbands Renteninitiative, 13. AHV-Rente und voraussichtlich die BVG-Reform: Dieses Jahr werden bei mehreren Abstimmungen die Weichen in der Schweizer Altersvorsorge gestellt. Was dabei auf dem Spiel steht.
Renteninitiative, 13. AHV-Rente und voraussichtlich die BVG-Reform: Dieses Jahr werden bei mehreren Abstimmungen die Weichen in der Schweizer Altersvorsorge gestellt. Was dabei auf dem Spiel steht.
Mit den Abstimmungen über die 13. AHV-Rente und die Renteninitiative im März sowie voraussichtlich die BVG-Reform später im Jahr steht die Schweizer Altersvorsorge am Scheideweg. Laut den Schweizer Privatversicherern geht es dabei um nicht weniger, als den kommenden Generationen ein stabiles und sicheres Drei-Säulen-System aus AHV, beruflicher und privater Vorsorge zu hinterlassen.
Trotz gewissen Herausforderungen wie Defiziten in der AHV und einem überhöhten BVG-Umwandlungssatz bei den Pensionskassen funktioniere das Drei-Säulen-System und zeige, dass das Zusammenspiel zwischen Staat und Privatwirtschaft in der Altersvorsorge intakt sei, sagte Stefan Mäder, Präsident des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV), an dessen Jahresmedienkonferenz. Der Verband setzte sich für ein Ja zur Renteninitiative und zur BVG-Reform sowie ein klares Nein zur 13. AHV-Rente ein.
«Falsche Versprechen» bei der 13. AHV-Rente
Ein Volks-Ja zur 13. AHV-Rente bei der Abstimmung am 3. März könnte zu einer Übergewichtung der umlagefinanzierten AHV führen, sagte Mäder, der auch als Verwaltungsratspräsident der Mobiliar amtiert, warnend. Im Zusammenhang mit der Abstimmung würden falsche Versprechen gemacht. «Es kann nicht das Ziel sein, die Leistungen in der staatlichen AHV mit der Giesskanne auszubauen.» Dies würde das System weiter destabilisieren. Deshalb lehne der SVV die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente ab.
Der demografische Wandel fordere die Gesellschaft heraus. Die AHV müsse an die höhere Lebenserwartung der Schweizerinnen und Schweizer angepasst werden, denn mit der steigenden Lebenserwartung richteten AHV und berufliche Vorsorge immer längere Renten aus. Zudem sinke die Anzahl Beitragszahler pro Rentenbezüger. Auch wenn sich der Anstieg der Lebenserwartung in der Schweiz jüngst etwas verlangsamt habe, sei angesichts des medizinischen Fortschritts davon auszugehen, dass die Lebenserwartung weiter steige, sagte Mäder im Gespräch.
Ergänzungsleistungen als Instrument gegen Altersarmut
Laut dem SVV-Präsidenten hat der Staat in den Jahren der Corona-Krise eine prägendere Rolle gespielt. Zudem habe die Teuerung die Menschen belastet. Ein solches Umfeld fördere den Hang zu einfachen staatlichen Lösungen. «Auch in der Schweiz hat sich eine Art Vollkaskomentalität entwickelt, wenn auch nicht so stark wie im Ausland», sagte er.
Im Zusammenhang mit der Abstimmung zur 13. AHV-Rente werde auch das Thema Altersarmut in der Schweiz thematisiert. Dabei gehöre ein grosser Teil der Rentner zu den wohlhabenderen Bürgern in der Schweiz. Für solche, die finanziell nicht gut gestellt seien, gebe es das System der Ergänzungsleistungen (EL). Es brauche folglich keine 13. AHV-Rente. Die Privatversicherer setzten sich über den Arbeitgeberverband für eine Ablehnung der Initiative ein.
Bei der Abstimmung gehe es auch um das Thema der Generationengerechtigkeit. Letztlich sei sie einfach ungerecht gegenüber den jüngeren Generationen, da eine nicht finanzierte 13. AHV-Rente ihnen eine Hypothek für die Zukunft hinterlasse. Es gehe um eine Umverteilung zugunsten der Rentner und zulasten der Jungen, fügte der SVV-Direktor Urs Arbter an. Gerade bei Jüngeren setze sich zunehmend das Verständnis hierfür durch. Die Einführung einer 13. AHV-Rente würde für enorme Defizite sorgen, welche die Jungen stark belasteten.
Renteninitiative lanciert Debatte über Rentenalter
Mäder sprach sich indessen für die Renteninitiative aus. Diese gehe in die richtige Richtung und lanciere die Diskussion über das richtige Rentenalter. Eine Erhöhung des Rentenalters senke die Rentenbezugsdauer und erhöhe die Beitragsdauer.
Die Initiative der Jungfreisinnigen fordert eine schrittweise Erhöhung des Rentenalters für Männer und Frauen auf 66 Jahre. Im Anschluss soll es an die durchschnittliche Lebenserwartung gekoppelt werden.
Pensionskassenreform «Schritt in die richtige Richtung»
Die BVG-Reform sei ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, sagte Mäder. Auch das Kapitaldeckungsverfahren in der beruflichen Vorsorge spüre die Folgen der demografischen Entwicklung – die Rentenjahre nähmen zu. Folglich sei es zweckmässig, den BVG-Mindestumwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent zu senken, wie dies die BVG-Reform vorsehe. Dies sei nötig, um die berufliche Vorsorge finanziell zu stabilisieren. Sie dürfe nicht zunehmend durch das Umlageverfahren unterwandert werden, wie dies heute aufgrund des zu hohen BVG-Umwandlungssatzes der Fall sei.
Positiv wertete Mäder auch, dass die BVG-Reform die berufliche Vorsorge für zusätzliche Anspruchsgruppen öffnet. Vor allem für Teilzeiterwerbstätige, für Arbeitnehmer mit mehreren Arbeitgebern sowie jene im Niedriglohnbereich seien Anpassungen in der beruflichen Vorsorge nötig. Mit der Reform soll die berufliche Vorsorge den gesellschaftlichen Veränderungen angepasst werden.
«Jede Säule in sich stabil finanziert»
Ein Scheitern der BVG-Reform an der Urne wäre ein schlechtes Signal, sagte Arbter. Dieses wäre so zu deuten, dass die Politik in der beruflichen Altersvorsorge keine mehrheitsfähigen Lösungen finden könne. Letztlich sei beim Drei-Säulen-System anzustreben, dass jede Säule in sich stabil finanziert sei. Der primäre Anpassungsbedarf liege jedoch bei der AHV und nicht bei der beruflichen Vorsorge.
«Kommt die BVG-Reform an der Urne durch, so sei diese wieder stabil finanziert», sagte Arbter. Die Vorsorgeeinrichtungen hätten zudem in den vergangenen Jahren die Umwandlungssätze und damit die Umverteilung von Erwerbstätigen zu Rentnern im Rahmen ihrer Möglichkeiten reduziert.