Millionär, aber doch knapp bei Kasse: Warum Wohneigentum im Alter zur Last werden kann Hypothekarkunden ab 65 oder 70 Jahren erleben oft finanzielle Engpässe. Im schlimmsten Fall droht der unfreiwillige Verkauf des Eigenheims. Dank einer Immo-Rente oder einer speziellen Rentenhypothek lässt sich dies vermeiden.

Hypothekarkunden ab 65 oder 70 Jahren erleben oft finanzielle Engpässe. Im schlimmsten Fall droht der unfreiwillige Verkauf des Eigenheims. Dank einer Immo-Rente oder einer speziellen Rentenhypothek lässt sich dies vermeiden.

(Bild: Unsplash)

An den allerbesten Wohnadressen, wo Villen mit gepflegten Gärten den Anschein von Wohlstand vermitteln, verbirgt sich eine überraschende Realität: Selbst Private, die nach der Steuerrechnung als Millionäre gelten, stehen vor finanziellen Herausforderungen. Höhere Hypothekarzinsen als noch vor zwei oder drei Jahren und steigende Lebenshaltungskosten setzen ältere Hauseigentümer unter Druck.

Natürlich gibt es viele Rentnerinnen und Rentner, die den Ruhestand in vollen Zügen geniessen. Es kommt aber auch vor, dass Private praktisch alle Mittel in der Immobilie gebunden haben und die Barreserven wesentlich schneller zur Neige gehen als erwartet.
 

Adrian Wenger, Finanzierungsexperte beim VZ Vermögenszentrum, sagt dazu: «Es gibt sogar Härtefälle, wo wir sagen müssen, dass ein Verkauf der Liegenschaft der einzige Ausweg ist.» Laut Wenger nimmt die Zahl der Problemfälle zu, ja es komme sogar zu Kündigungen der Hypothek durch die Bank.

Fragt sich auch, wie gross der Anreiz der Darlehensgeber ist, Ausnahmen zu gewähren und Überbrückungen anzubieten. Schliesslich winken mit Rentnern weniger Zusatzgeschäfte wie eine Säule 3a oder eine lukrative Vermögensverwaltung.

Liquiditätsprobleme nach der Pensionierung können viele Ursachen haben – eine mangelhafte oder gar keine Finanzplanung, Schicksalsschläge, Pflegekosten oder einfach die Tatsache, dass einem das Haus und alles Drum und Dran über den Kopf wächst.

Unfreiwilligen Verkauf vermeiden

Was gibt es für Lösungsansätze? Ein Hauseigentümer muss zuerst prüfen, ob noch anderweitig frei verfügbare Vermögenswerte vorhanden sind. Die meisten Banken bieten zum Beispiel Hand, die noch vorhandenen freien Mittel beim Tragbarkeitscheck für die Hypothek anzurechnen. Sofern der Wert der Liegenschaft gestiegen ist, hilft manchmal eine Neubewertung durch die Bank.

Wenn all dies scheitert, bietet sich eine sogenannte Reverse Mortgage oder auf Deutsch Umkehrhypothek an. Dabei wird, etwas vereinfacht gesagt, die Hypothek aufgestockt, um damit Geld für den Lebensunterhalt und die Zinszahlungen für die nächsten Jahre zu beschaffen. Im Todesfall könnten die Hinterbliebenen die restlichen Schulden aus dem Verkaufserlös der Immobilie finanzieren.

Hypothek 50+ und Immo-Rente

Ein Beispiel dafür ist die Hypothek 50+ der Sparhafen Bank. Reto Kyburz, Vorsitzender der Geschäftsleitung, erklärt: «Die Hypothek steht Kundinnen und Kunden ab Alter 50 offen.» Sie kann auch für die Ablösung bestehender Finanzierungen von anderen Instituten verwendet werden.

Mit der Hypothek 50+ ist eine Aufstockung bis zu 65 Prozent des Liegenschaftswertes möglich. Der Verwendungszweck muss klar definiert sein, wie etwa für Renovationen oder die Deckung von Lebenshaltungs- und Pflegekosten. Die Bank prüft jedes Dossier sorgfältig, um sicherzustellen, dass die Liegenschaft oder andere vorhandene Reserven genügend Sicherheit bieten. Ein solider Finanzplan ist dafür unerlässlich.

Ein ähnliches Angebot hat die Thurgauer Kantonalbank (TKB) mit ihrer Immo-Rente. Wenn die Hypothek schon weitgehend amortisiert wurde, kann sie wieder auf bis zu 66 Prozent des Liegenschaftswertes erhöht werden.

Immobilienrente erklärt

Auch das VZ Vermögenszentrum bietet eine Immobilienrente an: Sie sieht eine Aufstockung der Hypothek bis maximal 50 Prozent vor. Der gesamte Kreditbetrag wird als Festhypothek für 10 bis 15 Jahre aufgenommen. Im Unterschied zu einer normalen Hypothek wird nun das Geld verwendet, um dem Kunden mit einer Einmalzahlung Geld für den Lebensunterhalt zu verschaffen (siehe Tabelle unten).

Zweitens werden mit der Hypothek auch gleich sämtliche künftig anfallenden Zinsen auf einem Sperrkonto gesichert. Drittens wird das Geld soweit nötig verwendet, um eine allenfalls schon bestehende Hypothek abzulösen. Die nach zehn Jahren verbleibenden Schulden werden laut VZ meist aus dem Verkauf der Liegenschaft zurückbezahlt.

Eine Immobilienrente kann helfen, einen unfreiwilligen Verkauf zu vermeiden. Doch die damit verbundenen Zinskosten werden selten klar kommuniziert. Üblicherweise passen die Banken die Konditionen individuell und «risikogerecht» an, wie es in der Bankensprache heisst.

Solche Versprechen dienen zwar der Reputation – denn keine Bank möchte negative Schlagzeilen durch Kreditkündigungen riskieren. Doch das Hauptproblem bleibt ungelöst: Hauseigentümer können im Alter nicht auf das Kapital in Form der Liegenschaft zugreifen.

Wohnrente wie in Frankreich

Aufhorchen lässt ein Modell, das in Frankreich und jetzt auch in der Westschweiz unter dem Namen «vente en viager» bekannt ist. Es entspricht auf Deutsch der Idee einer Leibrente. Im Gegensatz zu der erwähnten Immobilienrente wird dabei das Haus an einen Investor verkauft. Im Gegenzug erhält der Bewohner ein lebenslanges Wohnrecht sowie einen regelmässigen Rentenbetrag. Fredy Hasenmaile, Chefökonom bei Raiffeisen Schweiz, sagt: «Ab einer gewissen Grösse wird dies für institutionelle Investoren wie Pensionskassen interessant.» Ein Westschweizer Fonds hat für solche Wohnrenten-Fälle in kurzer Zeit bereits 100 Millionen Franken eingesammelt.

Jürg Zulliger, «Neue Zürcher Zeitung»

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