Nachbarkantone lassen Zürich alt aussehen: Hier müssen KMU all ihre digitalen Steuerdaten ausdrucken, worauf das Steueramt sie mühsam einscannt Ein SVP-Kantonsrat mahnt den eigenen Finanzdirektor, die E-Steuererklärung für Firmen lasse zu lange auf sich warten.
Ein SVP-Kantonsrat mahnt den eigenen Finanzdirektor, die E-Steuererklärung für Firmen lasse zu lange auf sich warten.
Wenn Marc Bochsler die Steuererklärung eines KMU aus dem Kanton Zug oder dem Kanton Aargau einreicht, ist das eine Sache von einem Mausklick. Wenn er das gleiche für ein Zürcher Unternehmen tut, ist es … eine lange Geschichte. Der 41-Jährige aus Wettswil am Albis hat sich am Montag im Zürcher Parlament die Zeit genommen, sie zu erzählen.
Bochsler ist nicht nur Treuhänder, sondern seit eineinhalb Jahren auch SVP-Kantonsrat. Und er ist überzeugt: Zürich muss mit der Digitalisierung dringend vorwärts machen, sonst würden noch mehr Firmen abwandern als ohnehin schon. Der Papierkrieg, den das hiesige Steueramt verursache, sei eines Wirtschaftskantons nicht würdig.
Mit seinem Einwurf störte er im Kantonsrat die allgemeine Schulterklopferei angesichts der Tatsache, dass natürliche Personen hier ihre Steuerdaten schon seit über zehn Jahren auf elektronischem Weg einreichen können. Was die Illusion erzeugt, dass man allen anderen weit voraus sei.
Bei den Unternehmenssteuern sei das Gegenteil der Fall, sagt Bochsler. Da ist Zürich eine analoge Insel in einem Meer digitalisierter Nachbarkantone.
Dabei ist die Steuererklärung eines KMU laut dem Treuhänder nichts Kompliziertes. Man müsse maximal 15 Felder ausfüllen. Kein Vergleich also mit den wesentlich umfangreicheren Angaben, die von natürlichen Personen verlangt werden.
Zumal liegen alle Daten elektronisch vor. Bochsler berät mit seiner Treuhandfirma Kunden bei der digitalen Transformation, daher weiss er: Die meisten Unternehmen haben ihre Verwaltung längst umgestellt. Lohnausweise, Offerten, Lieferantenrechnungen – alles papierlos. Das bedeutet weniger Aufwand und mehr Zeit für anderes.
Doch wenn Bochsler eine Steuererklärung für ein KMU ausgefüllt hat, muss er das Dokument ausdrucken, zusammen mit allen geforderten Beilagen wie etwa dem Jahresabschluss. Diesen Wust Papier schickt er dann seinem Kunden, der seine Signatur darunter setzt. Dann geht es per Post weiter zum Steueramt.
Dort folgt eine Szene wie bei Kafka: Sämtliche Steuerakten, die eigens für die kantonale Verwaltung von elektronischer Form auf Papier übersetzt wurden, werden von nimmermüden Angestellten eingescannt, in ein digitales Zentralarchiv eingespeist – und dann vernichtet.
Bochsler findet diesen Vorgang derart unglaublich, dass es als Beweisstück ein Schreiben des Steueramtes an sämtliche 123 000 Zürcher Unternehmen im Ratssaal hochhielt, in dem er beschrieben wird. Für ihn steht fest: «Die einzigen, die davon profitieren, sind die Pöstler.»
Zürich ist noch immer daran, die Grundlagen zu erarbeiten
Anlass für die Kritik bot eine Revision des kantonalen Steuergesetzes, bei der es im Kern um elektronische Verfahren ging. Dem SVP-Kantonsrat war aufgefallen, dass sich die Regierung in ihrem mehrseitigen Bericht dazu mit gerade mal einem Satz zu den Unternehmen äusserte. Inhalt: Für diese sei die elektronische Einreichung «noch nicht möglich».
In der Ratsdebatte stand folglich anderes im Zentrum.
Einerseits die Frage, wer die Kosten tragen soll, wenn künftig allen Gemeindesteuerämtern die Verwendung der gleichen, einheitlichen Software vorgeschrieben wird. (Antwort: Kanton und Gemeinden machen halbe-halbe.)
Andererseits die Frage, ob die Arbeitslosenkasse ihre Leistungsabrechnungen künftig direkt ans kantonale Steueramt übermittelt werden dürfen. (Antwort: Nein, das wäre ein Bruch mit der Eigenverantwortung und ein Misstrauensvotum gegenüber Erwerbslosen.)
Finanzdirektor Ernst Stocker, ein Parteikollege Bochslers, liess die Gelegenheit im Rat aus, den Zürcher Unternehmen ein effizienteres Steuererklärungsverfahren in Aussicht zu stellen. Stattdessen wandte sich der SP-Kantonsrat Harry Brandenberger aus Gossau an Bochsler und hielt ihm vor, er renne offene Türen ein, ein entsprechendes Geschäft stehe auf der Traktandenliste.
Tatsächlich wurde kurz darauf ein überparteilicher Vorstoss an die Regierung überwiesen, der eine Verbesserung der elektronischen Steuererklärung verlangt. Dieser wirft zwar unter anderem die Frage auf, ob Treuhänder die Daten ihrer Kunden ohne deren physische Unterschrift einreichen dürfen. Der Kontext sind allerdings nicht KMU, sondern verheiratete Paare.
Brandenberger räumt dies ein, sagt aber, er gehe davon aus, dass die Regierung im gleichen Zug auch die Situation der Unternehmen anschauen werden. Für Bochsler ist dies so oder so ungenügend, denn es bleiben der Regierung nun erst einmal zwei Jahre Zeit, um einen Bericht zu verfassen. «Das dauert viel zu lange», sagt er.
Ganz so zügig, wie er es sich wünscht, wird es kaum vorwärts gehen. Bei Stockers Finanzdirektion heisst es auf Anfrage, dass Zürich derzeit an den technischen Grundlagen für eine Lösung arbeite.
So beteilige sich der Kanton etwa am gesamtschweizerischen Projekt «eBilanz»: Unternehmen sollen damit ihre Daten direkt aus dem Buchhaltungssystem in die elektronische Steuererklärung übermitteln können. Ein anderes laufendes Projekt, das «Zürikonto», soll eine sichere Übermittlung von digitalen Dokumenten möglich machen.
Mit der Umsetzung einer elektronischen Steuererklärung für juristische Personen werde erst begonnen, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind.