Nachträgliche Einzahlungen in Säule 3a ab 2025 möglich Auf Befehl des Parlaments baut die Regierung die Steuerabzüge für Einzahlungen ins gebundene Vorsorgesparen aus. Ab 2025 sind steuerbegünstigte Einkäufe zur Kompensation von «Beitragslücken» möglich. Dabei will der Bundesrat eigentlich die Steuerprivilegien für die Säule 3a einschränken.

Auf Befehl des Parlaments baut die Regierung die Steuerabzüge für Einzahlungen ins gebundene Vorsorgesparen aus. Ab 2025 sind steuerbegünstigte Einkäufe zur Kompensation von «Beitragslücken» möglich. Dabei will der Bundesrat eigentlich die Steuerprivilegien für die Säule 3a einschränken.

Künftig kann man auch nachträglich in seine Säule 3a einzahlen. (Illustration: NZZ)

Das nennt man pikantes Timing. Eigentlich will der Bundesrat sparen. Gemäss den derzeitigen Planrechnungen müsste der Bund ohne Gegenmassnahmen ab 2027 mit strukturellen Defiziten von rund 3 Milliarden Franken oder sogar noch deutlich mehr rechnen. Im September entschied sich die Regierung auf Basis von Empfehlungen einer Expertengruppe für ein Bündel mit Dutzenden von Massnahmen, die vor allem durch Bremsung des Ausgabenwachstums die drohenden Defizite abwenden sollen. Bis Ende Januar will der Bundesrat seine konkreten Vorschläge in die Vernehmlassung schicken.

Zu den geplanten Massnahmen gehört auch eine Reduktion der Steuersubventionen für Kapitalbezüge aus der Pensionskasse und der Säule 3a. Doch nun macht die Regierung einen Schritt in die Gegenrichtung. Am Mittwoch hat sie per Verordnung beschlossen, auf Anfang 2025 eine Möglichkeit des nachträglichen Einkaufs in die steuerbegünstigte Säule 3a einzuführen.

Bis zehn Jahre rückwirkend

Wer in der Vergangenheit nicht jährlich den maximal zulässigen Betrag in die Säule 3a einbezahlt hat, kann diese «Lücken» künftig nachträglich noch auffüllen, und zwar bis zu zehn Jahre rückwirkend. Allerdings beschränkt die Regierung diesen zusätzlichen Einkaufsbetrag pro Jahr auf das Maximum des ordentlichen Einkaufsbetrags für Erwerbstätige mit Pensionskasse; 2025 beträgt dieses Maximum 7258 Franken. Zudem beginnt die anrechenbare Periode für die Einkaufslücke erst ab 2025 zu laufen. Die frühestmögliche Wirkung der Reform käme damit 2026: Wenn ein Erwerbstätiger 2025 nicht einzahlt, könnte er dies 2026 nachholen und in jenem Jahr zusammen mit der ordentlichen Einzahlung total rund 15 000 Franken vom steuerbaren Einkommen abziehen.

Für Erwerbstätige ohne Pensionskasse (Selbständige) beträgt das Maximum der ordentlichen Einzahlung 20 Prozent des Erwerbseinkommens, aber höchstens 36 288 Franken pro Jahr. Die nun geschaffene nachträgliche Einkaufsmöglichkeit bei Beitragslücken will der Bundesrat jedoch auch für solche Erwerbstätige auf die genannten 7258 Franken pro Jahr beschränken.

Laut grober Bundesschätzung ist als Folge dieser Reform mit Einnahmeneinbussen bei der direkten Bundessteuer von 100 bis 150 Millionen Franken pro Jahr zu rechnen. Bei den Einkommenssteuern der Kantone und Gemeinden betragen die geschätzten Einbussen etwa 200 bis 450 Millionen Franken pro Jahr.

Strafaufgabe für Bundesrat

Der Beschluss der Regierung vom Mittwoch passt überhaupt nicht ins Bild der laufenden Diskussionen zum Sparprogramm des Bundes. Doch der Bundesrat stand unter Zwang. Das Parlament hatte der Regierung 2020 durch Überweisung einer Motion des Mitte-Ständerats Erich Ettlin befohlen, eine nachträgliche Einkaufsmöglichkeit in der Säule 3a zu schaffen. Der Bundesrat hatte jene Motion abgelehnt – unter anderem mit dem Argument, dass in der Praxis vor allem Versicherte mit hohen Einkommen von dieser Einkaufsmöglichkeit profitieren würden, da Geringverdiener gar nicht genügend Mittel für grosse Einzahlungen in die Säule 3a hätten. Doch das Parlament ist der Chef der Regierung, und Befehl ist Befehl.

Der Bundesrat hat den Befehl allerdings nur zum Teil ausgeführt. Die Motion wollte noch wesentlich weiter gehen. Zum einen sah sie keine Beschränkung des nachträglichen Einkaufs auf Beitragslücken der vorangegangenen zehn Jahre vor. Und zum anderen verlangte sie ein Maximum des in einem gegebenen Jahr möglichen Zusatzeinkaufs im Umfang der ordentlichen Maximaleinzahlung für Versicherte ohne Pensionskasse; 2025 liegt dieses Maximum wie erwähnt bei 36 288 Franken und damit fünfmal so hoch wie die vom Bundesrat festgelegte Deckelung. Im Gegenzug wollte die Motion indes nur nachträgliche Einkäufe alle fünf Jahre zulassen.

Der Bundesrat muss sich daher den Vorwurf der teilweisen Befehlsverweigerung gefallen lassen; bereits sein Vorschlag für die Vernehmlassung entsprach der stark abgespeckten Variante. Dies führte zu einer kuriosen Situation in der Vernehmlassung: Fast niemand sprach sich inhaltlich für den Regierungsvorschlag aus, doch die Kritik kam aus völlig gegensätzlichen Ecken.

Zu viel oder zu wenig

Stark vereinfacht gesagt: Die eine Hälfte der Vernehmlassungsteilnehmer wollte am geltenden System gar nichts ändern, und die andere Hälfte wollte eine Umsetzung in der Nähe der Motion. Bei den Parteien forderte die Linke den Verzicht auf die Umsetzung der Motion, während die FDP und die SVP den Gegenpol vertraten. Nicht geäussert hatte sich die Mitte-Partei, aus deren Kreis der ursprüngliche Vorstoss stammte. Eine Vernehmlassungsantwort kam stattdessen von den Mitte-Frauen, welche die Beschränkung der nachträglichen Einzahlungen auf Lücken aus den zehn vorangegangenen Jahre als zu eng kritisierten.

Unterschiedliche Signale kamen von den Parlamentskommissionen. Die Sozialkommission des Nationalrats sprach sich mehrheitlich für die volle Umsetzung der Motion Ettlin aus. Die Sozialkommission des Ständerats unterstützte mehrheitlich die Variante des Bundesrats. Und eine knappe Mehrheit der nationalrätlichen Finanzkommission war gegen die volle Umsetzung der Motion. Die grosse Mehrheit der Kantone war inhaltlich gegen die Umsetzung der Motion, sprach sich aber trotzdem für die Vorlage des Bundesrats aus, weil diese deutlich weniger weit ging als der Parlamentsvorstoss.

140 Milliarden Vermögen lagen schweizweit in der Säule 3a

Bei der Säule 3a geht es nicht um Kleinkram. 2022 lagen Werte von total rund 140 Milliarden Franken in 3a-Produkten von Banken und Versicherungen. 2020 wurden total knapp 11 Milliarden Franken einbezahlt. Gemäss Bundesdaten tätigt ein Drittel bis gut die Hälfte der Erwerbstätigen regelmässig Einzahlungen in die Säule 3a. Von der Steuervergünstigung profitieren vor allem Gutverdiener und der Finanzsektor. Gutverdiener haben mehr freie Mittel zur Einzahlung in die Säule 3a, und die Steuerersparnis fällt mit steigender Progressionsstufe stärker ins Gewicht.

2015 beanspruchten laut Bundesangaben nur 13 Prozent der Steuerpflichtigen den maximal möglichen Abzug. Gemäss Steuerdaten für 2021 entfiel auf die untere Einkommenshälfte nur rund ein Sechstel der eingezahlten Volumen. Salopp gesagt: Vom Steuerprivileg in der Säule 3a profitieren vor allem jene, die es nicht nötig hätten und bei denen es keinen Grund für eine staatliche Sparförderung gäbe.

Der Finanzsektor bekommt derweil dank der Steuervergünstigung von den Kunden langfristig gebundene Mittel zu günstigeren Bedingungen, als dies ohne Steuerprivileg möglich wäre. Dass der Finanzsektor für den Ausbau und gegen den Abbau der Steuervergünstigung der Säule 3a kämpft, ist deshalb nicht verwunderlich.

Starke Verlagerung zu steuerbegünstigten Vehikeln

Die internationale Forschungsliteratur lässt mutmassen, dass Steuervergünstigungen für das Sparen grossenteils nicht zu erhöhten Sparquoten führen, sondern nur zu einer Verlagerung zu steuerbegünstigten Vehikeln aus anderen Spartöpfen. Dies gilt besonders stark bei Bezügern höherer Einkommen. Unterschiedliche Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Doch ein Forschungsüberblick des Ländervereins OECD von 2018 nennt als «vernünftige Schätzung», dass etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Gelder in steuerbegünstigten Vehikeln keine zusätzlichen Ersparnisse darstellen.

Hansueli Schöchli, «Neue Zürcher Zeitung»

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