Was Grossverdiener und Firmen in der Schweiz 2024 an Steuern bezahlen: Rangliste der Kantone mit den tiefsten und den höchsten Belastungen Die steuerlich teuersten Gemeinden verlangen von betuchten Privatpersonen und Unternehmen etwa doppelt so hohe Steuern wie die günstigsten Orte. Im Durchschnitt liefern die Grossverdiener unter den Angestellten etwa 40 bis 45 Prozent ihrer Einkommen als Steuern ab.
Die steuerlich teuersten Gemeinden verlangen von betuchten Privatpersonen und Unternehmen etwa doppelt so hohe Steuern wie die günstigsten Orte. Im Durchschnitt liefern die Grossverdiener unter den Angestellten etwa 40 bis 45 Prozent ihrer Einkommen als Steuern ab.
Die Ansprüche von Lobbyisten und dem breiten Publikum an die Staatskassen sind enorm, doch die Mittel des Staats sind begrenzt. Diese Diskrepanz steht für einen der ewigen Kernkonflikte in der Politik.
In der Schweiz entfallen über 60 Prozent der Fiskaleinnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden auf direkte Steuern. Diese umfassen vor allem die Einkommens- und Vermögenssteuern von natürlichen Personen sowie die Gewinnsteuern von Unternehmen (juristische Personen). Die Spitzensteuersätze auf den Einkommen natürlicher Personen belaufen sich heuer im Durchschnitt aller Kantonshauptorte auf 33,3 Prozent. Das zeigen die Daten zur Steuerbelastung 2024. Erhoben hat diese Daten Pascal Hinny, Steueranwalt in Zürich und Professor an der Universität Freiburg.
Der Durchschnitt der Spitzensteuersätze ist im Vorjahresvergleich um 0,3 Prozentpunkte gesunken. Diverse Kantone haben die Steuern gesenkt (GR, LU, NE, VD, ZH), in anderen Kantonen gab es leichte Erhöhungen (NW, OW, ZG). Hinter der Durchschnittsbelastung stecken wie üblich grosse Unterschiede. Die Bandbreite der Spitzensteuerbelastung reicht von 20 Prozent (Freienbach im Kanton Schwyz) bis 46 Prozent (diverse Gemeinden im Kanton Genf).
Grossverdiener wohnen eher an steuergünstigen Orten. Gemäss älteren Analysen ist dieser Steuertourismus ab Einkommen von einigen hunderttausend Franken statistisch sichtbar. Die durchschnittliche Steuerbelastung der Grossverdiener liegt deshalb effektiv einige Prozentpunkte tiefer als der Durchschnitt aller Spitzensteuersätze. Ein Teil der Steuerersparnis der Betroffenen wird durch höhere Wohnkosten kompensiert.
Versteckte Steuern via AHV
Trotz dem Steuertourismus liegt die effektive Belastung der Grossverdiener über dem ausgewiesenen Durchschnitt der Steuersätze. Denn nicht erfasst sind in den offiziellen Steuersätzen die Zwangsabgaben für die AHV: Abzüge auf Lohnteilen über etwa 100 000 Franken sind faktisch Steuern, denn sie erhöhen die Rente des Betroffenen nicht. Das erhöht den effektiven Steuersatz auf den betroffenen Löhnen um rund 10 Prozentpunkte.
Hinzu kommt noch die Vermögenssteuer, die auf hohen Vermögen je nach Kanton 0,1 bis etwa 0,7 Prozent ausmacht. Bei einer Belastung von 0,3 Prozent und einer angenommenen Vermögensrendite von 3 Prozent ergäbe dies faktisch eine Steuer von 10 Prozent der Kapitalerträge; diese kommt zur normalen Einkommenssteuer auf Vermögenserträgen hinzu.
Alles in allem dürften angestellte Grossverdiener im Mittel etwa 40 bis 45 Prozent ihrer deklarierten Einkommen als Steuern abliefern.
Globale Mindeststeuer greift
Die Landschaft der Firmengewinnsteuern ist dieses Jahr durch die Einführung der globalen Mindeststeuer für Grosskonzerne von 15 Prozent des Gewinns geprägt. Im vergangenen Jahr lagen die ordentlichen Gewinnsteuerbelastungen in 18 von 26 Kantonen unter 15 Prozent; die Bemessungsgrundlage gemäss Globalstandard weicht allerdings von der Schweizer Praxis etwas ab.
In der Schweiz greift seit diesem Jahr bei Belastungen unter 15 Prozent eine Ergänzungssteuer für jene Firmen, die von der globalen Mindeststeuer betroffen sind (internationale Unternehmen mit Umsatz ab 750 Millionen Euro). Bisher haben vier Kantone beschlossen, ihre Steuerbelastung in die Nähe von 15 Prozent zu erhöhen (NE ab 2023, GE und SH ab 2024 und VD ab 2025). Bei eigener Erhöhung erhalten die Kantone die vollen Zusatzerträge. Bei Anpassung an die globale Mindeststeuer via Ergänzungssteuer müssen die Kantone einen Viertel der Zusatzerträge dem Bund abliefern.
Gemessen an den Kantonshauptorten liegt heuer die durchschnittliche ordentliche Gewinnsteuerbelastung bei 14,6 Prozent. Seit 2008 ist dieser Durchschnitt laut einer Aufstellung der Beratungsfirma KPMG um fast 5 Prozentpunkte gesunken. Im Gegenzug gab es weniger Steuerprivilegien.
Gemessen an den ordentlichen Gewinnsteuersätzen ist die Belastung in der teuersten Gemeinde (Schelten im Kanton Bern) rund doppelt so hoch wie am günstigsten Ort (Meggen im Kanton Luzern). Unter Berücksichtigung von immer noch möglichen Sondervergünstigungen sind die Differenzen zwischen den teuersten und den günstigsten Kantonen geringer.
Insgesamt sei die Schweiz nach wie vor ein attraktiver Standort, sagt Pascal Hinny. Die globale Mindestbesteuerung werde aber den Unternehmensstandort schwächen, «da die relativ tiefe Unternehmensbesteuerung bisher ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal gegenüber vielen anderen Staaten war».
Ansturm auf Bundeskasse
Die Finanzlage in den Kantonen war jüngst im Mittel ziemlich gut. Mehr unter Druck stand und steht die Bundeskasse. Dies nicht nur, weil der Bund den Grossteil der Corona-bedingten Sonderausgaben schultern musste, sondern auch wegen enormer Zusatzansprüche für die kommenden Jahre. Die zwei grössten Brocken sind dabei die AHV und die Armee, wo je ein Ausgabenwachstum deutlich über dem erwarteten Wirtschaftswachstum vorgesehen ist.
Da Sparübungen in der wohlstandsverwöhnten Schweiz schon fast als Verstoss gegen grundlegende Menschenrechte gesehen werden, dürfte früher oder später die Frage von Steuererhöhungen aufs Tapet kommen. Das könnte zum Beispiel die Einkommenssteuer, die Firmengewinnsteuer oder die Mehrwertsteuer betreffen.
«Die Gewinnsteuern sind für Standortentscheide in der Praxis regelmässig am wichtigsten», sagt Pascal Hinny zum Vergleich dieser Steuern. Bedeutend sei auch, ob Dividenden und Finanzierungszinsen der Verrechnungssteuer unterliegen. Die Einkommenssteuern seien derweil «erst in zweiter Linie ein Faktor». Und: «Die Höhe der Mehrwertsteuer ist für Standortentscheide von Unternehmen praktisch irrelevant.» Lies: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer täte am wenigsten weh.
In der Schweiz scheint aber die Standortattraktivität für Unternehmen zurzeit keine grosse politische Bedeutung zu haben: Man nimmt den Wohlstand als gottgegeben, kritisiert den Preis des Wirtschaftserfolgs (hohe Einwanderung) und zelebriert in erster Linie den internen Verteilungskampf.
Zielkonflikt wahrscheinlich
Je nach Ausgestaltung der Progression würde eine Erhöhung der Einkommenssteuer unter Umständen eine deutlich stärkere Umverteilung von oben nach unten bringen als eine Erhöhung der Mehrwertsteuer – welche wegen der höheren Sparquote der Gutbetuchten eher degressiv wirkt. Die Verteilungswirkungen der Firmengewinnsteuer sind schwieriger abzuschätzen, weil Firmen eine Steuererhöhung wohl mindestens zum Teil auf die Löhne abwälzen. Dennoch dürfte die Gewinnsteuer mehr Umverteilung von oben nach unten bringen als die Mehrwertsteuer.
2022 machten die Steuern und die Abgaben für öffentliche Sozialversicherungen total 27 Prozent der Wirtschaftsleistung aus – praktisch gleich viel wie im Jahr 2000. Im internationalen Vergleich ist diese Fiskalquote unterdurchschnittlich. Doch einschliesslich Zwangsabgaben für die Krankenkassen und Pensionskassen ist die Schweiz laut dem Länderverein OECD in der oberen Hälfte der OECD-Mitgliedstaaten.
Hansueli Schöchli, «Neue Zürcher Zeitung»