«Zu selbstbewusstes Auftreten ist kontraproduktiv» – die fünf grössten Mythen bei Lohnverhandlungen Einige populäre Tipps darüber, wie und wann man am besten nach mehr Lohn fragt, führen in die Irre. Eine kurze Aufklärung.
Einige populäre Tipps darüber, wie und wann man am besten nach mehr Lohn fragt, führen in die Irre. Eine kurze Aufklärung.
Fast alle möchten mehr Lohn, doch danach zu fragen, ist vielen unangenehm. Wohl gerade deshalb halten wir uns gerne an Tipps, wie man sein Gehalt aufbessern kann. Doch manche davon sind irreführend. Das sind die fünf grössten Mythen zu Lohngesprächen.
1. Wer hoch pokert, bekommt mehr
Wenn man geschickt verhandelt, gibt es nach oben keine Grenze bei den Löhnen, glauben viele. Das stimmt so heute nicht mehr. Viele Unternehmen weisen fixe Lohnspannen aus, in denen sich Saläre bewegen. Vereinzelte legen den Lohn auch in den Stellenausschreibungen offen, darunter Helsana und Postfinance. Die Zürcher Gastronomiefirma FWG, die fast tausend Mitarbeitende beschäftigt, hat einen Lohnrechner auf ihrer Website, bei dem man den Lohn einer Stelle erfährt, noch bevor man sich bewirbt. Das begrenzt den Spielraum, den Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen bei Verhandlungen haben.
In der Privatwirtschaft kenne man in vielen Branchen die Gehaltniveaus. Diese seien nicht einfach zu überbieten, sagt Roger Nellen, Inhaber Inhaber der auf Führungskräfte spezialisierten Executive-Search-Firma Nellen & Partner. Nellen & Partner. «Senior Manager und Partner grosser Firmen wissen in der Regel, was andere in ähnlichen Positionen verdienen.» Bei KMU sei es schwieriger, da es je nach Region grosse Unterschiede gebe: «In Zürich werden höhere Gehälter gezahlt als in der Ostschweiz», sagt Nellen.
In jedem Bereich können sich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aber an Richtwerten orientieren. Diese sind dank Vergleichsplattformen wie lohncheck.ch oder dem Kununu-Gehaltscheck heute einfacher in Erfahrung zu bringen als noch vor zehn Jahren.
2. Wer am lautesten ruft, setzt sich durch
Zu selbstbewusstes oder gar forsches Auftreten ist gemäss Nellen kontraproduktiv. «Man sollte seinen Marktwert kennen und den auch kommunizieren. Doch eine bestimmte Summe kompromisslos einzufordern, halte ich für keine gute Strategie.» Dann verhärteten sich die Fronten.
Auch der Vergütungsexperte Urs Klingler rät davon ab, mit forschen Forderungen auf einen möglichst hohen Lohn zu spekulieren. «So jemandem würde ich sagen: Sie passen nicht in unser Lohngefüge, gehen Sie woandershin.»
Externe Faktoren wie eine teure Wohnung, die Steuersituation oder den langen Arbeitsweg solle man nicht als Gründe aufführen, warum man einen höheren Lohn verdiene. Das könne beim Gegenüber den Eindruck erwecken, man bringe zu wenig Motivation mit, sagen die Experten.
3. Wer beim Salär scheitert, versucht es bei Benefits
Unbeirrbare können nach einer gescheiterten Lohnverhandlung versuchen, Benefits wie ein Geschäftsauto, ein Generalabonnement oder teure Weiterbildungen zu fordern. «Solche ‹Goodies› wurden vor zehn bis zwanzig Jahren häufig genutzt, um Stellen attraktiver zu machen und qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen», sagt der Headhunter Roger Nellen.
Heutzutage sei das schwieriger. Die meisten Unternehmen verfügen über klare Richtlinien zu solchen Leistungen, die auch steuerlich geregelt sind. Dahinter stehen Transparenz- und Fairnessgründe, aber auch die Einsicht, dass die Vergabe grosszügiger «Goodies» die Zufriedenheit am Arbeitsplatz nur kurzfristig erhöht. Vielen Arbeitnehmern werde der Wert von Nebenleistungen erst bei einem Stellenwechsel bewusst, sagt Nellen.
Der Vergütungsexperte Urs Klingler empfiehlt: «Sollte man dennoch versuchen, Benefits in die Verhandlungen mit einzubeziehen, hat man noch die besten Chancen bei Transportleistungen wie einem GA oder einem Halbtax.»
4. Wer häufig die Stelle wechselt, kann den Lohn in die Höhe treiben
Auch andere vermeintliche Meisterstreiche könnten nach hinten losgehen. Mit häufigen Stellenwechseln den Lohn in die Höhe treiben zu wollen, könne sich im schlimmsten Fall negativ auf die Karriere auswirken, sagt Nellen warnend.
«Man kann bei einem Wechsel der Stelle zwar tendenziell einen höheren Lohnsprung machen als bei einer internen Gehaltsverhandlung. Dies funktioniert jedoch nur, wenn man die nötige Expertise mitbringt und der Wechsel auch tatsächlich zur Karriere passt.» Wechsle jemand jedes oder jedes zweite Jahr die Stelle, könne dies bei Arbeitgebern Misstrauen erwecken.
5. Wer wartet, bis der Arbeitgeber den Lohn anspricht, wirkt seriös
«Im Bewerbungsprozess würde ich den Lohn relativ früh ansprechen», rät Klingler. «Wenn man das Salär erst nach dem vierten oder fünften Interview thematisiert und die Anstellung dann an entgegengesetzten Vorstellungen scheitert, hätte man sich die Zeit sparen können.» Optimal sei es, das erste Gespräch für ein gegenseitiges Kennenlernen zu nutzen und die Lohnvorstellungen im zweiten Gespräch anzubringen, empfiehlt auch Nellen. Hierbei müsse man nicht warten, bis sich der Arbeitgeber erkundige, sondern dürfe das Thema selber ansprechen.
Und wenn man bereits angestellt ist?
Mit Vorteil bringt man das Thema Lohnerhöhung ausserhalb der offiziellen Lohnrunde auf den Tisch. Diesen Tipp gibt der Vergütungsexperte Klingler: «Die meisten jährlichen Lohnanpassungen werden im Frühling gemacht. Als Arbeitnehmer würde ich bis nach den Sommerferien warten und dann das Thema Lohn aufbringen.» Habe man in der Zwischenzeit neue Verantwortungsbereiche oder Funktionen übernommen, stünden die Chancen auf eine Lohnerhöhung gut.