Für die Shrimps-Produzenten wird es eng – ist eine profitable Garnelenzucht in unseren Breitengraden überhaupt möglich? Hiesige Produzenten kämpfen ums Überleben, dabei sind ihre antibiotikafreien Shrimps eigentlich gefragt. Im Gegensatz zu anderen landwirtschaftlichen Produkten können sie nicht von staatlicher Unterstützung profitieren.

Hiesige Produzenten kämpfen ums Überleben, dabei sind ihre antibiotikafreien Shrimps eigentlich gefragt. Im Gegensatz zu anderen landwirtschaftlichen Produkten können sie nicht von staatlicher Unterstützung profitieren.

Reich an Protein, arm an fett: Shrimps sind begehrt. (Foto: Bruno Augsburger)

Platzt da gerade ein Traum? Stirbt die Hoffnung auf eine ökologische und Antibiotika-freie Garnelenzucht in der Schweiz? Der Aktionärsbrief, den die Eigentümer der Firma Swiss Shrimp vor kurzem erhalten haben, schildert einen betriebswirtschaftlichen Albtraum.

Die Liquiditätssituation sei «äusserst schlecht geworden», ein Betreibungsbegehren liege auf dem Tisch, schreiben da der Präsident des Verwaltungsrates und der Geschäftsführer. Wenn die Firma «nicht bis spätestens 22. April 2024 eine Finanzspritze von mindestens 500 000 Franken erhält, sieht sich der Verwaltungsrat gezwungen, die Bilanz zu deponieren und Konkurs anzumelden».

Ein Hilferuf

Das Swiss-Shrimp-Management bittet inständig um Hilfe: «Möchten Sie allein oder gemeinsam mit anderen Investoren die Swiss Shrimp AG retten? Dann zögern Sie keine Sekunde und melden sich bitte umgehend bei Matthias Laube, CEO.»

Der Hilferuf scheint gefruchtet zu haben: «Dank Unterstützung aus dem Aktionariat und von Partnern ist der Konkurs vorläufig abgewendet», schreibt Laube in einer E-Mail auf eine Anfrage der «NZZ am Sonntag». Details will er keine nennen.

Sobald man Konkretes zur Reorganisation sagen könne, informiere man wieder, so Laube. Im Aktionärsbrief wird eine Sanierungsvariante «Phoenix» skizziert, welche die Anteile der bestehenden Aktionäre komplett verwässern würde.

Die ganze Branche hat Probleme

Die Probleme von Swiss Shrimp, die in Rheinfelden (AG) produziert und dabei die überschüssige Wärme einer benachbarten Saline bezieht, kennt man in der ganzen Branche – ja, im Binnenland Schweiz gibt es mittlerweile ein halbes Dutzend Produzenten, die weitab vom Meer Garnelen grossziehen. Dabei benötigen sie nicht nur entsprechende Larven, Tierfutter und Salz, sondern auch Temperaturen um die dreissig Grad.

«Shrimps in der Schweiz zu halten, ist schwierig. Alle Firmen sind am Kämpfen und müssen sich nach der Decke strecken», sagt Patrick Bregenzer, Chef von Greenfish. Das Unternehmen betreibt eine Farm in St. Margrethen (SG). «Eine der grössten Schwierigkeiten ist, dass wir nicht einfach Frischwasser aus dem Meer holen können, sondern unser Wasser immer aufwendig rezyklieren und wiederaufbereiten müssen.»

Migros schliesst ihre Fischzucht

«Nicht nur Shrimp-Zuchtanlagen, sondern generell Aquakulturen haben in der Schweiz wirtschaftlich einen schweren Stand», sagt Andreas Zaugg, Mitgründer von Lucky Shrimp, einer Firma aus Winterthur. Er verweist auf die bevorstehende Schliessung der Fischzucht der Migros-Tochter Micarna in Birsfelden (BL). Dort sind jährlich 240 Tonnen Egli und Felchen aufgezogen worden.

Wildfang und Importe setzten den hiesigen Betrieben zu, da diese zu wesentlich günstigeren Bedingungen, wenn auch oft weniger nachhaltig produzierten, sagt Zaugg. «Dazu kommt: Im Gegensatz zu anderen landwirtschaftlichen Produkten können Schweizer Produzenten nicht von staatlicher Unterstützung profitieren.»

Wenn die Migros bereits am Geschäft mit heimischen Süsswasserfischen scheitert, ist dann eine wirtschaftlich nachhaltige Zucht von Shrimps – die Tiere sind eigentlich am Äquator zu Hause – überhaupt möglich?

Auch in der Branche selbst gibt es mittlerweile Zweifel, ob dies je gelingen kann. Zumindest ist man noch immer auf der Suche nach der Erfolgsformel. «Wir versuchen derzeit, den Output unserer Anlage zu erhöhen», sagt Bregenzer von Greenfish. Eine Nachfrage nach proteinreichen und fettarmen Garnelen made in Switzerland ist grundsätzlich vorhanden.

Es gibt offenbar genügend Kunden, die sich der ökologischen Probleme herkömmlich produzierter Shrimps bewusst sind: dass für ihre Zucht Mangroven-Wälder abgeholzt werden, die Transportwege lang sind und viel Antibiotika eingesetzt wird. Und dass beim Wildfang viele andere Tiere in den Netzen verenden, die dann ungenutzt zurück ins Meer gekippt werden.

Viele Bestellungen vor Ostern

Auch Swiss Shrimp ist wohl nicht aufgrund der fehlenden Nachfrage zum Sanierungsfall geworden. In ihrem Aktionärsbrief berichtet die Firma, dass sie dank vielen Bestellungen vor Ostern sämtliche «erntereifen» Shrimps haben verkaufen können. Nur reiche der operative Erfolg halt nicht aus, um die monatlichen Produktionskosten zu decken.

Einige in der Branche berichten von einem Trial-and-Error-Vorgehen im Ringen um mehr Effizienz und Grössenvorteile. Auch bei Greenfish, die gerade versucht, mehr aus der bestehenden Anlage herauszuholen, ist das so: «Wenn man eine Grösse verändert, dann muss man auch an anderen Stellen schrauben. Es kommt immer irgendwo zu einem Engpass. Wir lernen nach wie vor viel dazu», sagt Bregenzer.

Derzeit produziert die Firma zwischen drei bis vier Tonnen pro Jahr, die sie im eigenen Hofladen verkauft oder über Partnerfirmen wie Bianchi vertreibt. Letztes Jahr hat Greenfish ihre Preise anheben müssen.

Ein Umfeld zu schaffen, in dem die tropischen Tiere bei möglichst tiefem Ressourcen-Input gedeihen können, ist schwierig – das sagen alle in der Branche. Lucky Shrimp sieht sich trotzdem am Ziel. Die Firma betreibt seit 2019 eine Pilotanlage, die zu den effizientesten und ökologisch nachhaltigsten in ganz Europa gehöre und deshalb weniger Ressourcen verbrauche als konventionelle Kreislaufanlagen, sagt Zaugg.

«Als interdisziplinäres Team, das sich aus Ingenieuren aus den Bereichen Umweltwissenschaften, Maschinenbau und IT zusammensetzt, konnten wir die Technologie stark optimieren.» Der Mitgründer von Lucky Shrimp ist gerade auf der Baustelle, als wir ihn am Telefon erreichen. «Wir skalieren dieses Jahr unsere Zuchtanlage – das würden wir natürlich nicht tun, wenn wir nicht von einem profitablen Betrieb ausgehen könnten.»

Markus Städeli, «NZZ am Sonntag»

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