Weniger Rente für Kinderlose: eine radikale Idee – aber teilweise richtig Die Finanzierung der Altersvorsorge wird immer mehr zum Problem. Eine ob ihrer Radikalität politisch kaum realisierbare Rentenkürzung für Kinderlose gliche die finanzielle Schieflage zwischen Menschen mit und solchen ohne Kinder etwas aus.
Die Finanzierung der Altersvorsorge wird immer mehr zum Problem. Eine ob ihrer Radikalität politisch kaum realisierbare Rentenkürzung für Kinderlose gliche die finanzielle Schieflage zwischen Menschen mit und solchen ohne Kinder etwas aus.
Unlängst ist in der Schweiz der Vorschlag hochgekocht, kinderlosen Frauen und Männern eine kleinere AHV-Rente auszuzahlen als jenen, die Kinder grossgezogen haben. Die Idee hat der deutsche Starökonom Hans-Werner Sinn schon vor Jahrzehnten lanciert. Sie schürt Emotionen. Die Leserbriefe sind gehässig, von «Blödsinn» ist die Rede. Schliesslich geht es um sehr viel und um sehr Persönliches.
Aber als Denkanstoss ist die Idee trotzdem wertvoll, auch wenn die politische Realisierbarkeit gering ist. Die Einwände überzeugen jedenfalls alle nicht. Offensichtlich falsch ist etwa die Meinung, mit seinem Beitrag finanziere man die eigene AHV. Im sogenannten Umlageverfahren bezahlt man mit den Beiträgen die AHV-Rente der Generation der Eltern. Wenn man selbst Rente bezieht, tragen die dannzumal Erwerbstätigen, also die Generation der Kinder, die Last. Sie finanzieren auch die Renten der Kinderlosen.
Generationenvertrag in beide Richtungen
Ein weiterer Einwand lautet, der gesellschaftliche Generationenvertrag umfasse nicht nur die Finanzierung der Altersvorsorge, sondern – in umgekehrter Richtung – auch die Bildungsfinanzierung, Zuschüsse an Kitas, Familienzulagen und steuerliche Vorteile. Hier zahlten die Kinderlosen kräftig mit. Das ist richtig. Das Beziehungsgeflecht zwischen den Alterskohorten ist aber komplexer.
Die militärische Sicherheit wird weitgehend von einem Teil der jungen Männer geschultert, und die im Alter hohen Gesundheitskosten, die Kosten der Pflege oder Ergänzungsleistungen werden in dem Ausmass, in dem Steuermittel beansprucht werden, stark von den Erwerbstätigen finanziert. Schliesslich hinterlässt jede Generation – einschliesslich der Kinderlosen – der nachkommenden Generation Schulden.
Verschuldung für Konsum statt Bleibendes
Das wäre unproblematisch, wenn Bleibendes finanziert würde, in erster Linie Infrastruktur. Die Verschuldung der Staaten, zumal die implizite, dient aber zunehmend der Umverteilung und dem Konsum, also der Gegenwart. In einer Gesamtschau dürften somit auf gesellschaftlicher Ebene mehr Leistungen von Jung zu Alt fliessen als umgekehrt.
In dieser Gemengelage profitieren Kinderlose finanziell. Auf der Ebene der einzelnen Familie sieht es dagegen anders aus. Da fliesst dank Erbschaften oder Kinderhüten unter Umständen mehr in die andere Richtung.
Eine halbe Million pro Kind
Die heftigste Kritik an der Rentenkürzung für Kinderlose lautet, viele Menschen seien unfreiwillig kinderlos. Mit einer Kürzung ihrer Rente würden sie zusätzlich zu ihrem Leid noch bestraft. Doch abgesehen davon, dass die Zahl der freiwillig Kinderlosen zunimmt, ist es klar, dass Kinder trotz allen staatlichen Zuschüssen viel Geld kosten. Man spricht von einer halben Million Franken pro Kind, bis es flügge wird.
Dieses Geld können Kinderlose sparen. Tun sie es, stehen sie – bei sonst ähnlichen Einkommensverhältnissen – beim Eintritt ins Rentenalter finanziell deutlich besser da als Eltern von Kindern. Die Berücksichtigung der Kinderlosigkeit bei der Festlegung der Rente würde somit helfen, die AHV auf eine stabilere Grundlage zu stellen, und könnte die bestehende finanzielle Schieflage zwischen Menschen mit und solchen ohne Kinder teilweise beheben.