Auf drei Rädern nachhaltig durch die Innenstadt Das neuartige Kleinfahrzeug Roo könnte die Zukunft des städtischen Individualverkehrs mitverändern – ein Erfahrungsbericht der letzten Stufe der Entwicklung des Schweizer Start-ups.
Das neuartige Kleinfahrzeug Roo könnte die Zukunft des städtischen Individualverkehrs mitverändern – ein Erfahrungsbericht der letzten Stufe der Entwicklung des Schweizer Start-ups.
Dass sich der Individualverkehr in den Innenstädten weiter radikal verändern wird, daran zweifelt heute kaum jemand mehr. Doch was sind Alternativen zu den viel zu sperrigen Personenkraftwagen und den schweisstreibenden Fahrrädern? Nach ganz weit vorne haben sich in diese Lücke vor Jahren die elektrisch betriebenen E-Bikes gemausert, um nur wenig später Gesellschaft von den stets falsch geparkten E-Trottinetts zu erhalten. Was die beiden gut gemeinten Varianten ausser dem elektrischen Antrieb gemein haben? Man ist als Freund der Natur unterwegs, ist ihr bei der Fahrt aber auch bedingungslos ausgeliefert.
Eine Antwort auf dieses Problem und ein Lückenfüller ist das neue dreirädrige Gefährt Roo aus der Schweiz. Solch auf den ersten Blick ähnlich aufgebaute Motorräder kennt man bereits aus dem Ausland, zum Beispiel vom französischen Hersteller Peugeot. Doch anders als die nach Benzinabgas stinkenden und knatternden Franzosen surrt der Roo beinahe geräusch- und geruchlos über die Strassen.
Doppelt so schnell realisiert als gefordert
Vor acht Jahren begann die Entwicklungsphase an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit der Aufgabe, bis spätestens 2030 eine praktische, nachhaltige und kostengünstige Mobilitätslösung zu schaffen. Das Zukunftsprojekt wurde fast doppelt so schnell zu einem äusserst realistischen Projekt der Gegenwart. Bereits heute, sieben Jahre vor 2030, steht der fertige Prototyp aufrecht auf seinen drei Rädern und ist bereit für die Produktion in Serie, die nun beginnt.
Mit einem emissionsfreien Antrieb und einer patentierten Neigetechnik ausgerüstet, versprechen die Hersteller einen agilen und rasanten Fahrspass. Eine leichte Betätigung des Gashebels beweist, dass es sich nicht um leere Versprechen handelt. Beinahe zu agil scheinen die ersten 100 Testmeter mit dem ungewöhnlich konstruierten Fahrzeug. Trotz der drei stabilisierenden Räder verleiht die bis zu 40 Grad mögliche Neigung in den Kurven das Gefühl, zur Seite zu kippen. Hat man aber ein gewisses Tempo erreicht und sich auf dieses neue Fahrgefühl eingelassen, findet man mehr und mehr Spass an der Sache und wird vom kindlichen Drang, Slalom zu fahren, übermannt. 45 km/h gesteht ihm das Datenblatt zu – dies wurde in der 30er-Zone nicht getestet, die rasante Beschleunigung vermochte aber auch so zu überzeugen.
Unterschiede zu E-Bikes und E-Autos
Durchaus gelegen kommt bei der Probefahrt der eingebaute Sicherheitsgurt. Dieser sorgt nicht nur für den nötigen Halt im Sitz, sondern hat den praktischen Vorteil, keinen Helm tragen zu müssen, wie das etwa bei E-Bikes der Fall ist. Wer also viel Wert auf seine Frisur legt und sich auch beim Fahrrad noch schwertut, einen Helm zu tragen, kommt mit dem Roo auf seine Kosten. Ebenfalls ein Pluspunkt für die Haarpracht und eine trockene Ankunft am
Ziel ist die ausgeklügelte Überdachung. Es mangelt dem Roo im Gegensatz zu E-Autos zwar an Türen und doch kommt der Fahrer nicht mit dem Wetter in Berührung. Auch in der sportlichen 40-Grad-Neigung in den Kurven bleiben Mensch und Gepäck trocken.
Bis zu 25 Kilogramm lassen sich laut den Entwicklern bequem hinter dem Lenker verstauen. Ein Packesel ist der Roo nicht unbedingt. Für einen Rucksack und ein paar Kleinigkeiten reicht es aber allemal. Sind regelmässige Grosseinkäufe mit dem Roo geplant, empfiehlt es sich daher für 210 Franken zusätzlich einen Gepäckträger montieren zu lassen. Ebenfalls für einen Aufpreis lässt sich ein Solarpanel auf dem Dach installieren. Die vom Hersteller genannte Reichweite von 90 Kilometer lässt sich damit locker übertrumpfen – vorausgesetzt die Sonne wird nicht von Wolken verdeckt. Geht dem platzsparenden Flitzer dennoch der Saft aus, lässt er sich unkompliziert an jeder Haushaltssteckdose aufladen. Die Garage muss also nicht extra umgebaut und die Wegstrecke nicht entlang von E-Ladestationen geplant werden. Für den ununterbrochenen Dauereinsatz lohnt es sich aber, eine Zweitbatterie zu kaufen. Diese kann, wie beim E-Bike, während einem kurzen Boxenstopp ausgetauscht werden.
Die ersten 100 Roo gehen in Produktion
Nach einem ersten Kennenlernen mit dem Roo ist man überzeugt, dass es sich hier durchaus um eine Mobilitätslösung der nahen Zukunft handeln könnte. Ganz ohne CO2 auszustossen, bewegt man sich flexibel und platzsparend durch die Innenstadt. Beim kurzen Test lässt sich der Roo in die engsten Parkplätze, die sonst für Fahrräder oder Motorräder reserviert sind, spielend rein und raus manövrieren. Netter Nebeneffekt: Dies schont das Portemonnaie bei den Parkgebühren. Dem täglichen Stau am Abend weicht man gekonnt aus, denn das Fahrzeug lässt sich überall dort fahren, wo sonst nur Velos und Mofas erlaubt sind. Schmale Fahrradwege und -brücken werden Teil der Strasse und lassen so zu, dass die kürzest mögliche Route zum Ziel gewählt werden kann.
Die ersten 100 Roos des Schweizer Start-ups werden bereits produziert und sollen bis im Herbst an Kunden ausgeliefert werden. Es ist zu empfehlen, vor der Bestellung eine Probefahrt zu vereinbaren, um das einzigartige Fahrgefühl besser kennenzulernen und um die Möglichkeiten der Ausstattung direkt mit dem Team vor Ort zu besprechen.
Technische Informationen
Masse: | Länge 1,45 m / Breite 0,8 m / Höhe 1,9 m |
Leistung: | 2 kw |
Batterie: | 3,3 kWh oder 5,1 kWh (austauschbar) |
Geschwindigkeit: | 45 km/h |
Gepäck: | 25 kg vorne, plus 25 kg hinten (optional) |
Reichweite: | 60 km oder 90 km |
Agiles Fahren: | 40-Grad-Neigung in der Kurve möglich |
Preis: | 10’000 Franken |