Bidirektionales Laden: Es braucht geeignete Elektroautos und günstigere Ladestationen Das Projekt «V2X Suisse» von Mobility ist zu Ende. Fazit: Die Elektromobilität der Zukunft ist geteilt, bidirektional und netzdienlich. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum bislang grössten schweizweiten Test.

Das Projekt «V2X Suisse» von Mobility ist zu Ende. Fazit: Die Elektromobilität der Zukunft ist geteilt, bidirektional und netzdienlich. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum bislang grössten schweizweiten Test.

Nebst dem Honda e existieren nach wie vor kaum bidirektionale E-Autos. (Foto: André Maurer)

Was ist bidirektionales Laden?

Bidirektionales Laden ermöglicht Elektroautos, nicht nur Energie aus dem Netz zu beziehen, sondern auch Energie zurück ins Netz oder in andere elektrische Systeme wie Haushalte zu speisen. Das E-Auto wird dadurch zur mobilen Powerbank, die zur Netzstabilisierung der Schweiz beitragen kann.

Worum geht es bei «V2X Suisse»?

Das Pilotprojekt lief operativ von Herbst 2022 bis Frühling 2024. Dabei wurden 50 Honda-e-Autos in den regulären Carsharing-Betrieb von Mobility integriert. Es war der erste grossflächige Test mit bidirektional ladenden E-Autos in der Schweiz. Er sollte unter anderem zeigen, wie sich dank dieser Technologie das Stromnetz stabilisieren lässt, sowie das betriebswirtschaftliche Potenzial von bidirektionalen Fahrzeugen im Carsharing-Betrieb in der Schweiz zu untersuchen. Für die Mobility Genossenschaft stellte das Projekt eine Chance dar, viel über Entwicklungen und Technologien der Elektromobilität und der Energiemärkte zu lernen.

Wofür steht V2X?

Wechseln wir dafür ins Englische. V steht für Vehicle (Fahrzeug), die Ziffer 2 wird ausgesprochen zu einem to (nach) und das X bedeutet x-beliebig. Will heissen: Der Strom fliesst vom Elektrofahrzeug an einen beliebigen Ort, z.B. geht ins Stromnetz oder in deinen privaten Stromkreis (zu Hause). Aus diesen Verwendungszwecken haben sich die Bezeichnungen Vehicle-to-Grid (vom Fahrzeug ins Stromnetz) und Vehicle-to-home (vom Fahrzeug ins Haus) etabliert.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Es wurde nicht nur die technische Machbarkeit bewiesen, sondern auch der bidirektionalen Technik Schwung und Aufmerksamkeit verliehen. Es wurde erstmals gezeigt, dass es möglich ist, zahlreiche E-Autos zu einem virtuellen Speicher zusammenzunehmen und den Energiefluss in Echtzeit zu steuern. V2X funktioniert technisch im Carsharing-Anwendungsfall. Gleichzeitig wurde klar, dass sich ein wirtschaftlicher Betrieb einer bidirektionalen E-Auto-Flotte für ein Carsharing-Unternehmen aktuell noch nicht rechnet. Mobility wird die bidirektionale Ladetechnologie vorerst nicht weiterverfolgen.

Lässt sich mit bidirektionalen Autos, die Strom ins Netz speisen, Geld verdienen?

Vor Projektstart wurde angenommen, dass ein «Stehzeug» im Schnitt ein bis zwei Franken Flexibilitäts-Umsatz pro Tag erwirtschaftet. Heute können wir sagen: Abhängig von den Marktpreisen hat sich gezeigt, dass bis zu 2000 Franken Einnahmen pro Jahr und Fahrzeug generiert werden könnten. Weil die Investitions- und Betriebskosten allerdings noch zu hoch sind, übersteigen die Kosten die möglichen Einnahmen. Ein wirtschaftlicher Betrieb ist folglich (noch) nicht möglich.

Welche Rückschlüsse lässt der Betrieb bei Mobility auf den Alltagsfall zu?

Wenn V2G (Vehicle-to-Grid) im anspruchsvollen Carsharing-Betrieb funktioniert, ist es naheliegend, dass V2G für alle Flottenbetreiber funktionieren kann.

Wie schaut die nahe Zukunft aus?

Das Stromgesetz, welches am 9. Juni 2024 vom Schweizer Volk angenommen wurde, verbessert die Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlichen Betrieb. Es ermöglicht etwa die Rückerstattung der doppelten Netzgebühren und die Schaffung eines Flexibilitätsmarktes bei den lokalen Verteilnetzbetreibern. Jedoch wird es noch einige Jahre benötigen, bis sich auch andere Voraussetzungen verbessert haben und sich die Technologie auf breiter Ebene durchsetzen kann.

Welche Hürden müssen überwunden werden, um die Technik zu verankern?

  • Die Kosten für bidirektionale Ladestationen müssen sinken.
  • Die Auswahl an bidirektionalen E-Autos ist klein, da sich der Markt weniger schnell entwickelt hat als erhofft. Die Autohersteller sind gefordert, mehr und günstigere dieser Fahrzeuge auf den Markt zu bringen.
  • Verteilnetzbetreiber müssen attraktivere Bedingungen schaffen für die Rückspeisung von Strom ins Netz.
  • Einführung einer interoperablen Norm, damit ein Flottenbetrieb mit verschiedenen Automarken und Ladestationen möglich ist.

Es gibt nach wie vor kaum Autos, die bidirektional laden können. Wird sich das in naher Zukunft ändern?

Ja, denn die Fahrzeughersteller werden vermutlich künftig eine weltweite, interoperable Norm einführen. Dann könnten verschiedene Automarken an einer einzigen standardisierten Ladestation geladen und entladen werden.

Was hat das Projekt Mobility gebracht?

Aus Sicht von Mobility war V2X ein voller Erfolg, es lieferte spannende Antworten auf noch offene Fragen. Darüber hinaus wurde die bidirektionale Ladetechnik in der Öffentlichkeit bekannt gemacht, was hilft, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Zudem liegen viele Daten vor, die künftig einen Mehrwert bieten. Die Erkenntnisse aus dem Projekt werden genutzt, um die eigene Elektroflotte intelligenter zu laden. Dies ist nicht nur finanziell interessant, sondern schont auch die Batterien. Gleichzeitig treibt Mobility den Wechsel auf Elektroautos weiter voran. Bereits rund 600 der 3000 Mobility-Fahrzeuge sind rein elektrisch unterwegs.

Was ist V2X?

Hinter «V2X Suisse» stehen sieben Unternehmen, wobei der Projektlead bei Mobility liegt. Zudem dabei: Automobilhersteller (Honda), Software-Entwickler (sun2wheel), Ladestationen-Entwickler (EVTEC), Aggregatoren (tiko), wissenschaftliche Begleitung (novatlantis, in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich). Das Projekt wird durch das Pilot- und Demonstrationsprogramm des Bundesamts für Energie BFE unterstützt. Der Schlussbericht ist ab Spätsommer auf der ARAMIS-Datenbank des Bundes öffentlich einsehbar: aramis.admin.ch

Mehr Infos auf: www.mobility.ch/v2x

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