Die Schweizer Raffinerie Cressier kommt längst ohne russisches Erdöl aus Die EU-Kommission schlägt nach langer Diskussion vor, ein Erdölembargo gegen Russland zu verhängen. Der Chef des Schweizer Raffineriebetreibers Varo Energy erläutert, wie sich die Branche bereits darauf vorbereitet hat.

Die EU-Kommission schlägt nach langer Diskussion vor, ein Erdölembargo gegen Russland zu verhängen. Der Chef des Schweizer Raffineriebetreibers Varo Energy erläutert, wie sich die Branche bereits darauf vorbereitet hat.

 

Blick auf die einzige Schweizer Erdölraffinerie in Cressier im Kanton Neuenburg. (Bild: PD)

Dev Sanyal dürfte sich seinen Wechsel vom britischen Energiekonzern BP zum in Zug angesiedelten Unternehmen Varo Energy anders vorgestellt haben. Seit Januar leitet der indische Manager mit mehr als 30 Jahren Branchenerfahrung den Betreiber der einzigen Erdölraffinerie in der Schweiz in Cressier. Diese deckt bis zu 30 Prozent des Erdölbedarfs der Schweiz. Zudem hält Varo die Mehrheit an der Raffinerie Bayernoil und ist dabei für rund 10 Prozent des Gesamtkonsums in Deutschland zuständig.

Voll ausgelastete Kapazitäten

Sanyal trat den Posten vor allem an, um die Energiewende des Unternehmens, das neben den Raffinerien Erdölspeicher und ein Tankstellennetz unterhält, voranzutreiben. Biokraftstoffe, Biomethan oder Wasserstoff sollen die Zukunft sein. Vor seinem Wechsel in die Schweiz hatte der indischstämmige Sanyal bei BP die Verantwortung für den Bereich der erneuerbaren Energien und auch für Erdgas. Hinter Varo stehen die Private-Equity-Gesellschaft Carlyle Group und Vitol, der grösste unabhängige Erdölhändler der Welt. Carlyle hält zwei Drittel am Unternehmen, Vitol gehört ein Drittel.

Durch die russische Invasion der Ukraine binden jedoch das bisherige Geschäft mit den fossilen Brennstoffen und die Versorgungslage seine Aufmerksamkeit. Sanyal ist zwar davon überzeugt, dass die gegenwärtige Krise den alternativen Energien einen Schub geben wird: «Versorgungssicherheit und Energiewende sind nicht zwei Säulen, die voneinander getrennt sind. Vielmehr laufen sie zusammen.»

Zunächst gilt es aber, auf die jüngsten Ereignisse zu reagieren: Am Mittwoch hat die EU-Kommission ein Embargo für russisches Erdöl vorgeschlagen, das einen Importstopp für Rohöl innerhalb von sechs Monaten und für Erdölprodukte bis Ende Jahr vorsieht. Für Varo dürfte dies kein Problem sein. «Wir haben uns bereits am ersten Tag nach der Invasion dazu entschieden, kein russisches Rohöl mehr zu kaufen», sagt Sanyal im Gespräch. Die Mengen aus Russland seien nicht unbedeutend gewesen. Varo habe es aber geschafft, in kurzer Zeit den Prozess zu rekalibrieren, meint Sanyal. Derzeit seien die Kapazitäten des Unternehmens voll ausgelastet.

Grund für Optimismus

Dabei hilft sicherlich, dass Cressier über eine Pipeline aus Marseille und Bayernoil über Lieferungen vom Hafen in Triest versorgt werden. Dadurch kann auf Rohöl aus der ganzen Welt zurückgegriffen werden. Raffinerien, die direkt an einer Pipeline aus Russland hängen und die keinen anderen direkten Zugang zu Lieferungen per Schiff haben, wie in der Slowakei, Ungarn oder am deutschen Standort Schwedt, stehen vor grösseren Problemen. Varo hält an Bayernoil 51,43 Prozent, der russische Staatskonzern Rosneft 28,57 Prozent und Eni 20 Prozent. Die Anteilseigner entscheiden dabei selbst darüber, welche Art Rohöl sie verarbeiten wollen.

Voll ausgelastete Kapazitäten

Sanyal trat den Posten vor allem an, um die Energiewende des Unternehmens, das neben den Raffinerien Erdölspeicher und ein Tankstellennetz unterhält, voranzutreiben. Biokraftstoffe, Biomethan oder Wasserstoff sollen die Zukunft sein. Vor seinem Wechsel in die Schweiz hatte der indischstämmige Sanyal bei BP die Verantwortung für den Bereich der erneuerbaren Energien und auch für Erdgas. Hinter Varo stehen die Private-Equity-Gesellschaft Carlyle Group und Vitol, der grösste unabhängige Erdölhändler der Welt. Carlyle hält zwei Drittel am Unternehmen, Vitol gehört ein Drittel.

Durch die russische Invasion der Ukraine binden jedoch das bisherige Geschäft mit den fossilen Brennstoffen und die Versorgungslage seine Aufmerksamkeit. Sanyal ist zwar davon überzeugt, dass die gegenwärtige Krise den alternativen Energien einen Schub geben wird: «Versorgungssicherheit und Energiewende sind nicht zwei Säulen, die voneinander getrennt sind. Vielmehr laufen sie zusammen.»

Zunächst gilt es aber, auf die jüngsten Ereignisse zu reagieren: Am Mittwoch hat die EU-Kommission ein Embargo für russisches Erdöl vorgeschlagen, das einen Importstopp für Rohöl innerhalb von sechs Monaten und für Erdölprodukte bis Ende Jahr vorsieht. Für Varo dürfte dies kein Problem sein. «Wir haben uns bereits am ersten Tag nach der Invasion dazu entschieden, kein russisches Rohöl mehr zu kaufen», sagt Sanyal im Gespräch. Die Mengen aus Russland seien nicht unbedeutend gewesen. Varo habe es aber geschafft, in kurzer Zeit den Prozess zu rekalibrieren, meint Sanyal. Derzeit seien die Kapazitäten des Unternehmens voll ausgelastet.

Grund für Optimismus

Dabei hilft sicherlich, dass Cressier über eine Pipeline aus Marseille und Bayernoil über Lieferungen vom Hafen in Triest versorgt werden. Dadurch kann auf Rohöl aus der ganzen Welt zurückgegriffen werden. Raffinerien, die direkt an einer Pipeline aus Russland hängen und die keinen anderen direkten Zugang zu Lieferungen per Schiff haben, wie in der Slowakei, Ungarn oder am deutschen Standort Schwedt, stehen vor grösseren Problemen. Varo hält an Bayernoil 51,43 Prozent, der russische Staatskonzern Rosneft 28,57 Prozent und Eni 20 Prozent. Die Anteilseigner entscheiden dabei selbst darüber, welche Art Rohöl sie verarbeiten wollen.

Viele Kunden meiden bereits Erdölprodukte aus russischem Rohöl. Der Ausfall der gesamten Exporte russischen Öls nach Europa dürfte aber sicherlich kurzfristig zu höheren Preisen führen. Entweder geht dann die Nachfrage zurück, oder neue Anbieter werden gefunden.

Europa hat einen grossen Hebel

Warum sich in dieser Gemengelage die meisten EU-Länder wohl zu einem Erdölembargo durchgerungen haben, lässt sich mit Zahlen erklären: 63 Milliarden Euro – so viel hat Russland laut der Organisation Centre for Research on Energy and Clean Air (Crea) in den ersten zwei Monaten nach der Invasion durch den Export fossiler Brennstoffe eingenommen. Rund 70 Prozent entfallen dabei auf die EU-Staaten, angeführt von Deutschland, Italien, den Niederlanden und Frankreich. Damit hat die EU den grössten Hebel, um Moskau mit Energieembargos zum Einlenken zu zwingen.

Der Import von russischer Kohle in die EU ist bereits gebannt, jetzt folgen Massnahmen gegen Erdölimporte. Beim russischen Erdgas, das für die europäischen Staaten am schwierigsten zu ersetzen ist, hat vielmehr Moskau schon Lieferstopps gegenüber Polen und Bulgarien verhängt. Ausserdem haben sich die USA, Grossbritannien, Australien und Kanada bereits vor einiger Zeit für ein Importverbot von russischem Erdöl entschieden.

Schneller als die Regierungen

Europäische Firmen wie Varo zeigen aber, dass es auch ohne offizielles Verbot Reaktionen in der Branche gegeben hat. «Ich habe noch nie ein solches Ausmass an Eigensanktionen wie jetzt erlebt. Die Unternehmen und Kunden reagierten schneller als viele Regierungen», sagt der Varo-Chef Sanyal. Laut der Internationalen Energieagentur exportierte Russland bis anhin täglich gut 5 Millionen Fass Rohöl und rund 2,85 Millionen Fass Erdölprodukte. Rund 60 Prozent der Exporte gehen nach Europa, 20 Prozent nach China.

Der BP-Chef Bernard Looney sagte kürzlich, dass wegen der Eigensanktionen rund 1 Million Fass russischen Erdöls pro Tag weniger nachgefragt werde. Dies könnte sich auf 2 Millionen Fass ausweiten. Zahlen von Crea, die sich auf Verschiffungen russischer Energiegüter beziehen, belegen diese Neigung zu Eigensanktionen. Diese schlägt sich auch darin nieder, dass der Preis für die russische Erdölsorte Urals um rund 35 Dollar je Fass niedriger ist als die Notierung für das Nordsee-Erdöl Brent, was unüblich ist.

Attraktiv für andere

Dieser Preisabschlag lockt jedoch auch andere Käufer an. Zahlen von Crea zeigen, dass China und Indien verstärkt russisches Erdöl kaufen, allerdings noch nicht in grossem Stil. Im Fall von China stellte Crea für die ersten drei April-Wochen im Vergleich mit den Mengen im Januar und Februar gar einen Rückgang fest. China ist aber bereits das Land, das am meisten russisches Rohöl importiert. Zudem ist die Öl-Nachfrage in China wegen der strikten Null-Covid-Politik gesunken.

Auf längere Sicht könnte es für China durchaus attraktiv sein, vermehrt russisches Erdöl zu importieren. Dies gilt auch für Indien, zumal Moskau und Delhi über Zahlungsmechanismen in Rupien und Rubel diskutieren, um den Dollar zu umgehen. Die Volumen sind gegenüber früher gestiegen. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg versucht Indien derzeit, den Preis noch mehr zu drücken. Eine Hürde, die beide Länder überspringen müssen, sind die Verfügbarkeit und die Kosten von Erdöltankern. Zudem besteht noch die Gefahr, dass die westlichen Länder zu weiteren Sanktionen greifen könnten, um solche «Umgehungsgeschäfte» zu verhindern.

Gerald Hosp, «Neue Zürcher Zeitung»

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