Kommt bald die Hypothek auf Maschinen, Fahrzeuge und Warenlager für Schweizer KMU? Hypotheken auf Liegenschaften sind gängig. Schwieriger ist in der Schweiz die Besicherung mobiler Güter. Laut einem Expertenbericht sind Schweizer Unternehmen im internationalen Vergleich benachteiligt. Die vom Bericht empfohlene Reform könnte für einige zehntausend KMU die Finanzierung erleichtern.

Hypotheken auf Liegenschaften sind gängig. Schwieriger ist in der Schweiz die Besicherung mobiler Güter. Laut einem Expertenbericht sind Schweizer Unternehmen im internationalen Vergleich benachteiligt. Die vom Bericht empfohlene Reform könnte für einige zehntausend KMU die Finanzierung erleichtern.

 

Die Unternehmen sollen laut einem Expertenbericht Warenlager und andere mobile Aktiven leichter als Kreditsicherheit verwenden können. (Bild: unsplash.com)

KMU gehören zu den Säulenheiligen der Schweizer Politik. Das Kürzel steht für «kleine und mittlere Unternehmen». 2019 gab es gemäss Bundesamt für Statistik rund 600 000 marktwirtschaftliche Unternehmen in der Schweiz; von diesen zählten 99,7 Prozent zu den KMU (unter 250 Angestellte). Über 60 Prozent aller Beschäftigten arbeiten für KMU.

Auf der Bundesberner Politikbühne will von links bis rechts kaum jemand dabei gesehen werden, wie er «den KMU schadet». In Abstimmungskämpfen zu wirtschaftlichen Themen spielen die erwarteten Folgen für «die KMU» oft eine erhebliche Rolle. Und mit dem Gewerbeverband haben die KMU einen Gralshüter ihrer Interessen, der sich nicht zu vornehm ist, bei jeder Gelegenheit lautstark Forderungen zu stellen.

«Regulierungsversagen»

Vor diesem Hintergrund mag das Folgende erstaunen: Die Schweizer KMU sind im internationalen Vergleich mit einem Wettbewerbsnachteil konfrontiert, der sich im Prinzip ohne hohe Kosten beseitigen liesse und trotzdem politisch bisher kaum ein Thema war. Konkreter gesagt: In der Schweiz ist es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern für Unternehmen viel schwieriger, mobile Produktionsmittel wie Maschinen, Fahrzeuge, Rohmaterialien und Lagerbestände als Sicherheiten gegenüber Lieferanten und sonstigen Kreditgebern einzusetzen und damit faktisch eine günstige Hypothek auf wesentliche Teile der Bilanzaktiven zu erhalten.

Zu diesem Befund kam im vergangenen Jahr eine Studie des Luzerner Forschungs- und Beratungsbüros Interface im Auftrag des Bundes. Das Papier spricht von einem «Regulierungsversagen». Hierzulande seien Sicherheiten an mobilen Gütern in der Regel gemäss dem geltenden «Faustpfandprinzip» nur durch Besitzübertragung vom Schuldner auf den Gläubiger übertragbar; die theoretische Alternative des Eigentumsvorbehalts sei wenig praxistauglich – «weil das entsprechende Register durch 400 lokale Betreibungsämter separat geführt wird». Das Schweizer Regelwerk habe für hiesige KMU oft zur Folge, dass ausländische Lieferanten Vorauszahlungen verlangten. Im internationalen Vergleich sei die Schweiz mit ihren restriktiven Regeln ein «Sonderfall».

Die Autoren empfehlen eine Reform mit Erleichterungen beim Eigentumsvorbehalt und bei einer allgemeinen Mobiliarhypothek mit einem elektronischen Register; dies zunächst beschränkt auf Unternehmen und damit unter Ausklammerung von privaten Einzelpersonen. Die Autoren erwarten durch eine solche Reform einen volkswirtschaftlichen Impuls von einigen Milliarden Franken bei nur geringen Kosten.

Die Kernüberlegung dahinter geht etwa so: Die vorgeschlagenen Erleichterungen bringen für Jungfirmen und andere KMU einen besseren Finanzierungszugang, mehr Umsatz und Innovation und eine international gestärkte Wettbewerbsfähigkeit. Die Theorie eines Nullsummenspiels nach dem Motto «mehr besicherte Mobilien heisst weniger Sicherheiten für die anderen Gläubiger» könne heute aufgrund der Erfahrungen als widerlegt gelten, heisst es in der Studie: Auch ungesicherte Gläubiger profitierten, wenn ein Schuldner gesicherte Kredite erhalte.

Bundesrat im Zwiespalt

Der Schweizerische Juristenverein hatte die geltenden Regeln schon vor 15 Jahren in einer Resolution als «reformbedürftig» bezeichnet. Die Sache wird bald das Parlament beschäftigen. Eine Motion des Walliser Mitte-Ständerats Beat Rieder vom Dezember 2021 verlangt vom Bundesrat mit Bezug auf die erwähnte Studie einen Vorschlag für eine entsprechende Gesetzesrevision. In der Bundesverwaltung scheinen die Meinungen auseinanderzugehen. Befürworter erhoffen sich Impulse für die KMU. Skeptiker zweifeln, ob das Problem in der Praxis wirklich so gross ist wie in der Theorie.

Der Zwiespalt zeigt sich auch in der Stellungnahme des Bundesrats zu Rieders Vorstoss. Die Regierung räumt ein, dass die heutigen Regeln zum Eigentumsvorbehalt «nicht mehr praxistauglich sind». Aber sie betrachtet den Vorstoss als «verfrüht», da zuerst die Bedürfnisse der Banken und Unternehmen sorgfältig abzuklären seien. Gleichzeitig kündigte der Bundesrat allerdings an, von sich aus tätig zu werden: Er sei bereit, dem Parlament Handlungsoptionen zu unterbreiten. Der Motionär Rieder erwartet, dass diese Optionen auf dem Tisch liegen, wenn sich die zuständige Ständeratskommission mit seinem Vorstoss befasst.

Doch brennt das Thema den KMU tatsächlich unter den Nägeln? «Man kann hier mit einfachen Schritten ohne bürokratische Folgen den KMU die Arbeit erleichtern», sagt Beat Rieder: «Aber das Thema hat keine Lobby, weil viele Betroffene die Zusammenhänge nicht kennen und sich mit dem Status quo eingerichtet haben.» Hinzu kommt, dass Politiker und Lobbyisten mit Forderungen nach einer «Revision des Mobiliarsicherungsrechts» nicht mit fetten Schlagzeilen in den Populärmedien rechnen können.

Gibt es einen Bedarf?

Ständerat Rieder nennt im Gespräch drei Anstösse für seine Motion: die eigenen Erfahrungen als Prozessanwalt im Zusammenhang mit Eigentumsvorbehalten und dem Register dazu, Rückmeldungen von KMU-Vertretern zur mangelnden Praktikabilität des existierenden Registers und der Modalitäten sowie den Austausch mit seinem Bruder Stefan Rieder, der Co-Autor der erwähnten Interface-Studie war.

Jene Studie schätzte auf Basis einer älteren Umfrage und von zusätzlichen Expertenbefragungen, dass die vorgeschlagene Reform etwa 20 Prozent der KMU direkt helfen könnte. Eine neuere KMU-Erhebung durch die Hochschule Luzern lässt diese Schätzung als hoch erscheinen. Die im November 2021 publizierten Ergebnisse zur KMU-Finanzierung zeigten folgendes Bild zum Bedarf nach zusätzlicher Kreditfinanzierung via Mobiliarsicherheiten: Rund die Hälfte hatte generell keinen Bedarf an zusätzlichen Kreditfinanzierungen, knapp ein Viertel hat kaum genügend Mobiliarsicherheiten oder will solche Aktiven nicht besichern lassen, 4 bis 5 Prozent meldeten ein grosses Bedürfnis an, und gut 20 Prozent gaben keine konkrete Antwort. Viele KMU wüssten gar nicht, dass sie im internationalen Vergleich benachteiligt seien, sagen dazu mehrere Beobachter.

Immerhin lässt auch die jüngste Erhebung mutmassen, dass eine Reform der Regeln für einige zehntausend Schweizer KMU nützlich sein könnte. Der Gewerbeverband unterstütze die Idee, sagt dessen stellvertretender Direktor Henrique Schneider. Eine solche Reform habe für den Verband aber nicht die gleiche Priorität wie die Regulierungsbremse, und die zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit sei nur für eine Minderheit von KMU von praktischem Nutzen, fügt Schneider an. Aber eine zusätzliche Option für die Unternehmen sei grundsätzlich zu begrüssen. Aus Sicht des Verbands übersteige der Nutzen einer Reform die Kosten, doch es werde noch auf die Details der Umsetzung ankommen.

Hansueli Schöchli, «Neue Zürcher Zeitung»

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