Schweizer Startup nimmt Grossanlage für umweltfreundliches Flugbenzin in Betrieb In der Flugindustrie ist der Ersatz von fossilen Treibstoffen besonders schwierig. Das ETH-Startup Synhelion setzt dafür nun auf eine völlig neue Technologie. Diese setzt solare Wärme ein, um einen klimafreundlichen Ersatz für Kerosin und Benzin herzustellen.

In der Flugindustrie ist der Ersatz von fossilen Treibstoffen besonders schwierig. Das ETH-Startup Synhelion setzt dafür nun auf eine völlig neue Technologie. Diese setzt solare Wärme ein, um einen klimafreundlichen Ersatz für Kerosin und Benzin herzustellen.

Die konzentrierte Kraft der Sonne nutzen: Luftaufnahme des Spiegelfeldes der neuen industriellen Solartreibstoffanlage von Synhelion. (Bild: Synhelion)

Ein Treibstoff, der aus Sonnenlicht, CO2 und Wasser hergestellt wird? Benzin für Autos oder Kerosin für Flugzeuge, das aber aus nachhaltiger und klimafreundlicher Produktion stammt? Genau das ermöglicht die Technologie des 2016 aus der ETH hervorgegangenen Schweizer Startups Synhelion.

Am Donnerstag hat das Unternehmen im deutschen Jülich seine erste Anlage eröffnet, welche diesen ökologischen Treibstoff im industriellen Massstab herstellen kann. Wobei «industriell» ein grosses Wort ist: Die neue Anlage wird pro Jahr nur mehrere tausend Liter Treibstoff produzieren. Insgesamt verbrauchten kommerzielle Fluggesellschaften letztes Jahr 291 Milliarden Liter Kraftstoffe, wie ein für die Eröffnung angereister ranghoher Beamter der deutschen Regierung vorrechnete.

Hohe Hitze nötig

Die von Synhelion entwickelte Technologie kann mithilfe von Solarwärme synthetische Treibstoffe herstellen. Sie basiert auf dem Einsatz von mehreren unterschiedlichen Technologien.

Da ist zum einen ein solarthermisches Kraftwerk, das mittels Spiegeln Hitze produziert. Dazu werden die Sonnenstrahlen auf einen von Synhelion entwickelten sogenannten Empfänger konzentriert. Dieser produziert Wärme mit Temperaturen von mehr als 1000 Grad Celsius. In einem weiteren Prozess wird aus Wasser und CO2 dann ein Grundstoff, aus dem wiederum die verschiedensten synthetischen Treibstoffe produziert werden können.

Die Anlage in Jülich wird synthetisches Rohöl produzieren, «Syncrude» genannt. Es ist ein Zwischenprodukt, das sich besonders gut transportieren lässt. Darum kann es in eine konventionelle Ölraffinerie gebracht werden, welche das Syncrude danach zu zertifizierten Treibstoffen verarbeitet.

Existierende Motorentechnologie nutzen

Das zeigt einen der grossen Vorteile der Technologie: Sie kann bestehende fossile Infrastruktur nutzen, etwa Pipelines oder Treibstofflager. Und nicht nur das: Es sind auch keine speziellen Motoren nötig, denn der Treibstoff eignet sich für konventionelle Verbrennungsmotoren und Flugzeugtriebwerke.

Trotz dem Verbrennungsprozess ist das Produkt von Synhelion klimafreundlich, denn es wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie zuvor für die Herstellung des Treibstoffs aus der Luft abgeschieden wurde. Ein weiterer Vorteil von Treibstoffen wie jenem von Synhelion: Sie bringen auch eine Besserung bei den klimawirksamen Nicht-CO2-Effekten des Fliegens. Diese – etwa die Bildung von Kondensstreifen – tragen ebenfalls zum Treibhauseffekt bei.

Das ermöglicht es zum Beispiel, klimafreundlich zu fliegen. Als strategische Partner von Synhelion sind denn auch die Lufthansa Group und die Fluggesellschaft Swiss als Investorin mit dabei. Die Nachfrage aus dem Flugsektor nach alternativen Treibstoffen ist besonders gross. Der CEO und Co-Gründer Philipp Furler rechnet damit, dass sein Unternehmen 2050 fast 50 Prozent seines Treibstoffes in der Luftfahrtindustrie absetzen wird, wie er an der Eröffnung sagte.

Laut Furler liegt das grösste Potenzial bei den Interkontinentalflügen, die 70 bis 80 Prozent der Emissionen in der Flugbranche verursachen. Hier bieten Batterien laut Furler auch langfristig keine Alternative, weil sie nie an die Energiedichte von synthetischen Treibstoffen herankommen könnten – das sei simple Physik.

Synhelion wird aber nicht nur solares Kerosin für die Luftfahrt produzieren, sondern auch solares Benzin und solaren Diesel für Anwendungen im Strassenverkehr und in der Schifffahrt herstellen. Der Co-Gründer Furler schätzt, dass 10 bis 15 Prozent der Anwendungen in diesem Sektor auch langfristig nicht mit der Batterietechnologie elektrifiziert werden können. So könnte sein Treibstoff im Schwerverkehr eingesetzt werden oder – daran arbeitet die Schweizer Autoimporteurin Amag – bei Oldtimern.

Die neue Anlage besteht aus einem 20 Meter hohen Solarturm und einem Spiegelfeld. In der Anlage kommen alle von Synhelion entwickelten Innovationen erstmals in industriellem Massstab integriert zum Einsatz. Teil davon ist auch ein thermischer Energiespeicher. Dieser ermöglicht es, auch dann Solartreibstoffe zu produzieren, wenn die Sonne untergegangen ist. Damit lässt sich die Anlage besser auslasten, und die Solartreibstoffe lassen sich kosteneffizient rund um die Uhr produzieren.

Der Schritt aus dem Labor

Mit der neuen Anlage will das Unternehmen beweisen, dass der Treibstoff den Schritt aus dem Labor schaffen und künftig in noch viel grösserem Ausmass hergestellt werden kann. Die nächsten Schritte sind bereits in Planung. Die erste kommerzielle Anlage soll ab 2025 in Spanien entstehen. Das Ziel: Die Produktion von 1000 Tonnen Treibstoff pro Jahr.

Doch auch das wird nur ein Zwischenschritt sein. Zukünftige Anlagen werden die Grösse der ersten beiden Anlagen «deutlich übertreffen und damit noch eine sehr viel höhere Produktionskapazität bieten», schreibt Synhelion. Innerhalb von zehn Jahren will das Startup ein jährliches Produktionsvolumen von rund einer Million Tonnen Solartreibstoff erreichen. Längerfristig sollen laut dem CEO Furler Fabriken von einer Grösse entstehen, mit der Synhelion zu einem wichtigen Player in diesem Markt wird.

Das wäre eine enorme Entwicklung für ein Unternehmen, das erst 2019 in einer Miniraffinerie auf dem Dach der ETH Zürich bewiesen hatte, dass sich Treibstoffe unter Einsatz von Solarwärme herstellen lassen. Zu den Unterstützern oder Investoren des Unternehmens gehören heute auch der Flughafen Zürich, die Pilatus Flugzeugwerke, der italienische Mineralöl- und Energiekonzern Eni und weitere Unternehmen.

Synhelion «klar an der Front»

Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme der Empa, findet lobende Worte für die Technologie. Aus seiner Sicht sei Synhelion bei den sogenannten Solar-Fuel-Technologien «klar an der Front der Technologieentwicklung». Bei dieser Technologie wandeln die Anlagen Sonnenenergie direkt in chemische Energie um, die dann in Form von flüssigem oder gasförmigem Brennstoff weiterverwendet werden kann. Ein Faktor, der für Synhelion spreche, sei die Integration einer Energiespeicherlösung in den ganzen Prozess.

Die «Dawn» (Morgenröte) genannte Demonstrationsanlage bringt erstmals alle Bausteine der Synhelion-Technologie gemeinsam zum Einsatz. (Bild: Synhelion)

Wie Bach erklärt, gibt es aber auch konkurrierende Ansätze, etwa jene, die einen strombasierten Pfad wählen. Dabei wird mit Sonnenlicht zuerst Strom produziert. Der Strom wird dann dafür eingesetzt, via Elektrolyse Wasserstoff zu produzieren.

Für Synhelion ist laut Bach nun das sogenannte Upscaling die grosse Herausforderung. Dabei geht es darum, zu zeigen, dass Grossanlagen nicht nur die künftig benötigten, enormen Mengen produzieren können, sondern dass dies auch zu konkurrenzfähigen Preisen möglich ist. «Ich hoffe sehr, dass die Investoren die Zeichen der Zeit erkennen und den Schnauf aufbringen, um die lange Aufbauarbeit zu stemmen», sagt Bach.

Der CEO Philipp Furler zeigte sich an der Medienkonferenz überzeugt: Mit dem Bau von Grossfabriken könnten nicht nur die benötigten Mengen an umweltfreundlichen Treibstoffen bereitgestellt, sondern auch der Preis gesenkt werden. «Auch wenn es um den Preis noch harte Verhandlungen geben wird», wie er mit einem Blick auf die an der Eröffnung vertretenen Airline-Managerinnen und -Manager sagte.

Jürg Meier, «Neue Zürcher Zeitung»

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