Weite Lieferwege, hoher Wasserverbrauch – so schmutzig sind die Rosen am Valentinstag Der Blumenanbau in Kenya ist problematisch. Kritiker beklagen, dass wegen des Einsatzes von Pestiziden Böden und Gewässer stark belastet werden. Doch ein Anbau in Europa wäre insgesamt wohl auch nicht besser.
Der Blumenanbau in Kenya ist problematisch. Kritiker beklagen, dass wegen des Einsatzes von Pestiziden Böden und Gewässer stark belastet werden. Doch ein Anbau in Europa wäre insgesamt wohl auch nicht besser.
Ihre Blätter seien wie Lider, die sie selig aufschlage, schreibt Rilke, bis sie dastehe wie eine Venus. Als «jung und wunderschön» bezeichnet sie Goethe. Und Antoine de Saint-Exupéry schreibt, sie wolle «nur im vollen Glanz ihrer Schönheit erscheinen».
Die Rose steht für Romantik, Weiblichkeit, Perfektion und Jugend. Antike Sagen beschreiben ihre Entstehung als Überbleibsel der Morgenröte auf Erden. Auch heute ist sie überall. Sie steckt in Düften, prangt auf Bettwäsche und Vorhängen oder wird im Fernsehen von Bachelors und Bachelorettes überreicht.
Am Valentinstag, dem «Tag der Liebenden», ist die Rose besonders präsent. Alleine in der Schweiz werden am 14. Februar geschätzt vier Millionen Rosen verkauft – für jede Schweizer Frau eine, um beim Bild des Bachelors zu bleiben.
Doch bevor die Geliebten das zarte Geschenk in den Händen halten, legt die Rose eine lange Reise zurück.
Die Reise
Eine Rose, die am Valentinstag verschenkt wird, befindet sich sechs Tage vorher, also am 8. Februar, noch auf einer Farm in ihrem Herkunftsland. Das sind in aller Regel Kenya oder Ecuador, die zu den grössten Export-Ländern gehören. Das hängt auch mit den preiswerten Lohn- und Produktionsbedingungen zusammen. Aber nicht nur.
Ideale Bedingungen am Äquator
Beide Länder bieten ideale geografische Bedingungen für den Anbau der Rose. Erstens liegen sie am Äquator. Die Tage sind über das ganze Jahr hinweg etwa gleich lang, die Rosen bekommen ähnlich viel Sonne. Zweitens wachsen Rosen besser in der Höhe, wo das Licht besser ist. In Kenya werden sie meist auf etwa 2000 Meter Höhe angebaut, in Ecuador sogar auf 3000. Als Faustregel gilt: Je weiter oben, desto grösser die Rosenköpfe. Deshalb sind Rosen aus Ecuador im Durchschnitt teurer.
Obwohl Rosen auch in der Schweiz in zahlreichen Gärten wachsen, werden etwa 90 Prozent importiert. Die grosse Mehrheit davon stammt aus Kenya oder aus den Niederlanden – wobei Letztere in der Regel nur Zwischenstation für den Handel sind.
Kenya exportiert jährlich 210 000 Kilo Schnittblumen. Die Blumenindustrie ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige und schafft Zehntausende Arbeitsplätze. Vor allem im nördlich von Nairobi gelegenen Naivasha, das direkt am gleichnamigen See liegt, und darum herum haben sich viele Gärtnereibetriebe niedergelassen. Auf geschätzt rund 2000 Hektaren werden hier Blumen angebaut.
Der Wasserverbrauch der Rosen ist hoch
Das liegt vor allem am Wasserbedarf der Pflanzen. Rund vier Liter Frischwasser verbraucht eine Rose, schätzt der WWF. Der Wasserspiegel des Naivasha-Sees ist darum über die Jahre kontinuierlich gesunken. Laut Fairtrade Deutschland wurde dem See 2017 sechsmal mehr Wasser entnommen, als zugeflossen war – auch, weil aufgrund der boomenden Rosen-Industrie die Bevölkerungszahlen in der Gegend rasant gestiegen sind.
Der Blumenanbau in Kenya sorgt auch aus anderen Gründen für Kritik. Naturschutzorganisationen beklagen, dass wegen des Einsatzes von Pestiziden Boden und Gewässer in der Region stark belastet seien. Ausserdem seien die Arbeitsbedingungen häufig prekär und die Löhne tief, heisst es etwa von der Max-Havelaar-Stiftung.
Andere Experten halten dagegen, die Situation habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. So werde mittlerweile sparsamer mit Wasser und Pestiziden umgegangen und verschiedene Fairtrade-Label sorgten dafür, dass sich auch die Arbeitsbedingungen verbessert hätten.
Der Grossteil des Handels läuft über die Niederlande
Eine Rose für den Valentinstag wird erst wenige Tage vorher in Kenya geerntet. Danach wird sie mit dem Flugzeug nach Europa gebracht, in vielen Fällen nach Deutschland oder in die Niederlande.
Die Niederlande sind das grösste Drehkreuz für den weltweiten Rosenhandel. Das kleine Land ist für 70 Prozent aller Rosen-Einfuhren in die EU verantwortlich. Wenn die Blumen anschliessend weiterverschickt werden, ist es oft schwer nachzuvollziehen, woher sie ursprünglich kamen. 2017 stammten 51 Prozent der in die EU importierten Rosen aus Kenya.
Aalsmeer, eine kleine Stadt in der Nähe des Amsterdamer Flughafens Schiphol, ist das wichtigste Zentrum für den Blumenhandel in Europa. Hier steht die weltgrösste Blumenbörse, an der täglich rund 21 Millionen Schnittblumen gehandelt werden – 60 Prozent aller Blumen weltweit. Meist werden die Blumen hier noch am selben Tag zu Zielorten in Europa verladen.
Während die Niederlande als Handelsplatz weiter dominieren, verliert die Produktion in eigenen Gewächshäusern immer mehr an Bedeutung. Vor 20 Jahren gab es in den Niederlanden noch etwa 1000 Hektaren mit Gewächshäusern für den Rosenanbau. Heute, schätzt die Rabobank, sind es noch 160. Die Energiekrise dürfte die Entwicklung weiter beschleunigen.
Denn in den Niederlanden ist der Rosenanbau wegen der tieferen Temperaturen deutlich energieintensiver als in den Ländern am Äquator. Darum – und wegen des tieferen Lohnniveaus – ist es kostengünstiger, die Blumen im globalen Süden anzubauen und mit dem Flugzeug zu transportieren.
Die Ankunft
Wenn die Rosen aus Kenya in der Schweiz ankommen, haben sie über 6500 Kilometer zurückgelegt. Sie landen dann zum Beispiel zweieinhalb Kilometer vom Zürcher Flughafen entfernt bei der Firma Agrotropic in Oberhasli. Agrotropic ist der drittgrösste Importeur von Schnittblumen in der Schweiz und laut eigenen Angaben der grösste Importeur von Fairtrade-Rosen.
Die meisten Schweizer Rosen kommen aus Kenya
Die Rosen, die an einem kalten Februarmorgen bei Agrotropic ankommen, sind vier Tage zuvor in Kenya geerntet worden. Von Nairobi führte der Weg per Flugzeug zum Frankfurter Flughafen und dann mit dem LKW weiter in die Schweiz.
35 Millionen Schnittblumen werden jährlich in Oberhasli verarbeitet, etwa 85 Prozent sind Rosen. Geschäftsführer Matthias Haudenschild steht zwischen den gelieferten Kartons, die von seinen Mitarbeitenden begutachtet werden. Im Büro der Firma hängt ein A4-Zettel, auf dem der Countdown zum Valentinstag heruntergezählt wird.
Fünf Prozent des Umsatzes zum Valentinstag
«Valentinstag ist volumenmässig der wichtigste Tag des Jahres für uns», sagt Haudenschild. Im Vergleich zu einer normalen Woche wird in den Tagen um den 14. Februar die zwei- bis dreifache Menge an Blumen verarbeitet. Wer normalerweise im Büro arbeitet, hilft am Band oder beim Sträusse-Binden aus.
Erste Schritte wie das Entdornen oder Einpacken in Folie finden bereits im Herkunftsland der Blumen statt. Die Farmen bekommen genaue Anweisungen, wie eine Rose auszusehen hat, bevor sie auf die Reise geht. Nachdem die Kartons in Oberhasli eingetroffen sind, werden die Rosen angeschnitten, etikettiert, in Wasserbehälter gestellt und verpackt. Ein Teil wird zu handgemachten Sträussen für die Supermärkte oder Auftragsanfertigungen verarbeitet. Dann werden Coop, Migros oder Aldi beliefert. Auch der Fachhandel und die Tochterfirma Blume 3000 werden versorgt.
Obwohl die Rose als kitschig gilt, ist sie nach wie vor sehr gefragt. Laut der Vereinigung des Schweizerischen Blumengrosshandels war 2021 ein «absolutes Rekordjahr». Wohl, weil die Leute während der Pandemie mehr Zeit in der eigenen Wohnung verbrachten und diese mit Rosen und anderen Blumen aufhübschten. Im Jahr 2022 sei der Markt dann wieder etwas zurückgegangen. Die Vereinigung geht davon aus, dass rund fünf Prozent des Jahresumsatzes am Valentinstag gemacht werden.
Der Fussabdruck
Die lange Reise, der Wasserverbrauch, die Pestizide – was bedeutet das alles für den ökologischen Fussabdruck der Rose? Das ist schwer zu beantworten. Die Zahl der Studien, die sich mit den Umweltauswirkungen von Schnittblumen befassen, ist gering.
In der Industrie werden dieselben wenigen Studien immer wieder herumgereicht. Allerdings sind diese zum Teil veraltet, genügen nicht wissenschaftlichen Standards oder beziehen sich direkt aufeinander.
Nur einige grobe Schlussfolgerungen lassen sich ziehen: Rosen aus Übersee verbrauchen trotz langem Transportweg wohl tatsächlich weniger Energie als solche, die in einem niederländischen Gewächshaus heranwachsen. Das ist plausibel, weil der Anbau einen grösseren Effekt auf den ökologischen Fussabdruck hat als der Transport. Die niederländische Rose benötigt viel Energie für Heizung und Beleuchtung. Hier liegt zukünftig aber auch Potenzial. Ein stärkerer Einsatz von erneuerbaren Energien etwa durch Solaranlagen und LED in Gewächshäusern kann die Umweltauswirkungen deutlich verringern.
Gegen den Anbau in Ostafrika spricht dagegen vor allem, dass der Wasserverbrauch laut einzelnen Studien höher als im europäischen Gewächshaus sein soll.
Pestizide kratzen am Image der Rose
Damit die Rosen schön und makellos bleiben, müssen Schädlinge und Krankheiten von ihnen ferngehalten werden. Daten aus den Niederlanden zeigen: Der Pestizidverbrauch von Rosen ist höher als bei den meisten anderen Blumen.
Auf andere Länder übertragbar sind die Zahlen aufgrund der unterschiedlichen Anbaubedingungen nicht. Der Bedarf an Pestiziden ist in den Niederlanden wegen der modernen Gewächshäuser aber wohl geringer. Die Entwicklung ist allerdings positiv, bei Rosen ist die genutzte Menge in den vergangenen Jahren deutlich gesunken.
Für Haudenschild wird die Pestizid-Debatte insgesamt zu undifferenziert geführt. Er sagt: «Rosen sind Dauerkulturen, ein Anbau ohne Pflanzenbehandlungsmittel ist nicht möglich. Aber Farmen setzen alles daran, ihren Einsatz zu reduzieren. Die Behandlungsmittel hemmen das natürliche Wachstum der Blumen wesentlich.»
Die Pflanzenschutzmittel bringen die Rose immer wieder negativ in die Schlagzeilen. Laut Ökotest konnten an einem Rosenstrauss Rückstände von 21 verschiedenen Pestiziden nachgewiesen werden.
Haudenschild stört sich an der Wahrnehmung, wonach bei der Beurteilung einer Rose stark auf die Anzahl der nachgewiesenen Wirkstoffe fokussiert wird. «Damit Resistenzen der Schädlinge verhindert werden können, müssen die Wirkstoffe zwingend alterniert werden. Das führt zu mehr Wirkstoffen, aber wesentlich tieferen Konzentrationen an Rückständen und somit einem niedrigeren ökologischen Fussabdruck.»
Worauf können Konsumenten beim Rosenkauf achten? Laut der Max-Havelaar-Stiftung haben fair gehandelte Rosen aus Kenya, die das stiftungseigene Siegel tragen, die geringsten Auswirkungen beziehungsweise eine geringere solche auf die Umwelt als vergleichbar gezüchtete Rosen aus den Niederlanden und Ecuador.
Fairtrade-Siegel achten auf Arbeitsbedingungen
Das Fairtrade-Siegel für Rosen gibt es seit 2001, laut Angaben der Stiftung haben Rosen mit dem Siegel mittlerweile einen Marktanteil von 28 Prozent. Zu den Rahmenbedingungen gehören feste Arbeitsverträge, soziale und gesundheitliche Absicherung, Mutterschutz sowie Umweltstandards, darunter eine Liste verbotener Pestizide.
Es kann also sinnvoll sein, beim Geschenk zum Valentinstag auf Fairtrade-Siegel zu achten. Für ein perfektes Gewissen bleibt aber wohl nur, auf heimische Pflanzen wie Hyazinthen oder Narzissen umzusteigen, was im Februar schwierig werden dürfte.
Und selbst wenn man sich darauf einigen würde, den Valentinstag in den Frühling zu verschieben – keiner Blume ist es bisher gelungen, die Rose als Symbol der Liebe abzulösen. Vielleicht ist es doch so, wie es bei Saint-Exupéry der kleine Prinz sagt: «Die Zeit, die du für deine Rose gegeben hast, macht deine Rose so wichtig.» Auch wenn diese Rose eine lange Reise hinter sich hat.
Nelly Keusch, Eike Hoppmann, Joana Kelén, «Neue Zürcher Zeitung»