Parlament setzt Marken für den Weg zu Netto-Null bis 2050 Der Nationalrat stellt der Gletscher-Initiative Etappenziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen gegenüber. Hausbesitzer und Wirtschaft will er mit Förderprogrammen finanziell unterstützen.

Der Nationalrat stellt der Gletscher-Initiative Etappenziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen gegenüber. Hausbesitzer und Wirtschaft will er mit Förderprogrammen finanziell unterstützen.

 

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Der Nationalrat hiess am Mittwoch mit 134 zu 56 Stimmen bei 4 Enthaltungen das Gesetz über die Ziele im Klimaschutz gut. Die Nein-Stimmen kamen von der SVP und vereinzelt auch von der FDP.

Ausgearbeitet hatte die Vorlage die Umweltkommission des Nationalrates (Urek-N), als indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative. Der Rat hielt sich an die Kommission und lehnte alle Minderheitsanträge ab, jene der SVP für Streichungen und Abschwächungen, aber ebenso von Rot-Grün verlangte Verschärfungen.

Die Vorlage nehme wichtige Anliegen der Initianten auf. Mit ihr bestehe die Chance, dass die Initiative zurückgezogen werde, sagte Kurt Egger (Grüne/TG). «Wir sind in einer selbstgemachten Klimakrise», warnte Ursula Schneider Schüttel (SP/FR). Klare und ehrgeizige Ziele seien nötig.

SVP spricht von «Planwirtschaft»

Rasch zu handeln, heisse, ein Gesetz zu beschliessen, das den Rückzug der Initiative ermögliche, doppelte Barbara Schaffner (GLP/ZH) nach. Ein Antrag von SP, Grünen und GLP, das Netto-Null-Ziel auf das Jahr 2040 vorzuverlegen, scheiterte aber.

«Wir haben ein gemeinsames Ziel, nämlich das Netto-Null-Ziel bis 2050», sagte Priska Wismer-Felder (Mitte/LU). Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG) setzte hinzu, dass das Rahmengesetz nicht perfekt sei, aber pragmatisch und eine gute Grundlage.

Rundweg nichts wissen von der Vorlage wollte die SVP. Wiederholt sprachen ihre Exponenten von «Planwirtschaft» und plädierten für Freiwilligkeit. Die Menschen handelten ja bereits von sich aus, etwa beim Heizungsersatz.

Michael Graber (SVP/VS) kritisierte «undemokratisches Vorgehen». Das vom Volk abgelehnte CO2-Gesetz verfolge in etwa dieselben Ziele wie der neue Gesetzesentwurf. Mit diesem solle das Ständemehr umgangen werden, an dem die Gletscher-Initiative scheitern würde.

Etappenziele in Zahlen

Der Nationalrat will statt auf ein Verbot von fossilen Treib- und Brennstoffen auf ein Rahmengesetz mit konkreten Etappenzielen in Zahlen setzen. Bund und Kantone sollen als Beispiel vorangehen auf dem Weg zu Netto-Null bis 2050.

Als Verminderungsziel setzt der Nationalrat, dass bis 2040 die Emissionen gegenüber 1990 um 75 Prozent zurückgehen müssen. Erreicht werden soll dies so weit als möglich durch die Reduktion von Treibhausgasausstoss im Inland. Verbleibende Emissionen sollen in Form von negativen Emissionen der Atmosphäre entzogen werden.

Bund und Kantone müssen spätestens bis 2050 Speicher für Kohlestoff im In- und Ausland bereitstellen, damit das Netto-Null-Ziel erreicht werden kann. Der Bundesrat kann Richtwerte festlegen für den Einsatz von Negativemissionstechnologien.

Hausbesitzer in der Pflicht

Mit Zwischenzielen nimmt der Nationalrat die Hausbesitzer, den Verkehr und die Industrie in die Pflicht. Der Sektor Gebäude muss seine Emissionen bis 2040 gegenüber 1990 um 82 Prozent senken.

Die Industrie muss bis 2040 eine Senkung um 50 Prozent hinbekommen und der Verkehr eine solche um 57 Prozent. 2050 dürfen Gebäude und Verkehr dann gar kein Treibhausgas mehr ausscheiden. Die Industrie muss die Emissionen gegenüber 1990 um 90 Prozent senken.

Der Bund soll dafür sorgen, dass auch der Finanzplatz wirksam beiträgt zur Senkung der Emissionen und gegenüber dem Klimawandel widerstandsfähigen Entwicklung leistet. Er kann mit der Branche Vereinbarungen treffen zur klimaverträglichen Ausrichtung der Finanzflüsse, muss es aber nicht.

Etappenziele gibt der Nationalrat auch dem Bundesrat vor. Für die Zeiträume 2025 bis 2030, 2031 bis 2040 und 2041 bis 2050 muss er jeweils Vorschläge unterbreiten dazu, wie die Ziele erreicht werden sollen. Die geplante Revision des CO2-Gesetzes füge sich als erste Etappe in das Klimaschutz-Gesetz ein, schrieb der Bundesrat vorab.

Förderprogramme als Ergänzung

Ergänzen will der Nationalrat das Klimaschutz-Gesetz mit Förderprogrammen: 1,2 Milliarden Franken will er zur Förderung neuer Technologien in sechs Jahren bereitstellen und 2 Milliarden Franken für ein über zehn Jahre laufendes Heizungs-Ersatzprogramm.

Die beiden Programme hiess der Rat mit 135 zu 57 Stimmen bei zwei Enthaltungen respektive 122 zu 72 Stimmen gut. Auch hier stimmte die SVP Nein und erhielt Schützenhilfe aus der FDP- und der Mitte-Fraktion.

Auf die Förderung neuer Technologien wollte auch der Bundesrat verzichten. Er unterstütze die Idee, aber nicht die Finanzierung, sagte Umweltministerin Simonetta Sommaruga. Eine Umsetzung über das neue CO2-Gesetz und eine Finanzierung über eine Aufstockung der CO2-Abgabe für einen Technologiefonds sei der bessere Weg.

Initiativkomitee begrüsst Gegenvorschlag

Die Volksinitiative «Für ein gesundes Klima (Gletscher-Initiative)» selbst hat der Nationalrat bereits zur Ablehnung empfohlen. Sie verlangt eine klimaneutrale Schweiz ab 2050. Ab dann sollen auch keine fossilen Brenn- und Treibstoffe wie Öl, Gas, Benzin, Diesel und Kohle mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Ausnahmen soll es nur geben, wenn keine andere technische Variante zur Verfügung steht.

Das Initiativkomitee selbst hält den indirekten Gegenvorschlag grundsätzlich für den besseren, weil schnelleren Weg ans Ziel als die Verfassungsbestimmungen.

Die Vorlage geht an den Ständerat.

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