Bund fördert Firmen statt Arbeiter Auswertung zeigt: Gelder für die Weiterbildung kommen vor allem Unternehmen zugute.
Auswertung zeigt: Gelder für die Weiterbildung kommen vor allem Unternehmen zugute.
Eigentlich wollten die Politikerinnen und Politiker in Bern bloss für mehr Fairness sorgen: Fairness zwischen jenen jungen Frauen und Männern, die studieren, und jenen, die eine Berufslehre absolviert haben. Denn Letztere müssen ihre berufliche Weiterbildung meist selbst bezahlen – es sei denn, ihr Arbeitgeber unterstützt sie finanziell.
Der Preis ist hoch. Rund 10 000 Franken kostet allein die Vorbereitung auf eine höhere Berufsprüfung mit Fachausweis. Sogar rund 14 000 Franken muss für die Vorbereitung auf die höhere Fachprüfung mit Diplom gerechnet werden. Dazu kommen rund 4000 Franken für Zulassung, Prüfung, Material. Studierende hingegen erhalten die Ausbildung weitgehend gratis, da Universitäten und Fachhochschulen staatlich finanziert werden.
Um das auszugleichen, haben Bundesrat und Parlament vor ein paar Jahren beschlossen, dass der Bund die Hälfte solcher Kosten für die Vorbereitung auf Berufs- und Fachprüfungen übernimmt. Zuvor hatten die Kantone teilweise Kursanbieter subventioniert, aber längst nicht alle gleich stark.
Firmen kontern Vorwurf
Die neuen direkten Zahlungen an die Kursteilnehmer wurden ab 2018 schrittweise eingeführt. 2021 schüttete der Bund bereits insgesamt 98 Millionen Franken aus. Nun aber zeigt sich: Diese neuen Bundessubventionen entlasten vor allem die Firmen und viel weniger die Angestellten. Dies hat eine Auswertung des Bundesamts für Statistik ergeben.
«Der Anteil an den Gesamtkosten der vorbereitenden Kurse hat aufseiten der Arbeitgeber stärker abgenommen als bei den Kursteilnehmenden», bestätigt das Staatssekretariat für Bildung diesen Befund auf Anfrage.
Wie konnte es dazu kommen? Dazu muss man wissen, dass sich viele Firmen stark an der Weiterbildung ihres Personals beteiligt haben: Bis 2016 übernahmen sie im Durchschnitt 44 Prozent der Kurskosten für den Fachausweis. Nun, da der Staat mehr bezahlt, halbierte sich ihr Engagement auf 22 Prozent. Die Arbeitnehmer hingegen konnten ihre Beteiligung bloss von gut 50 auf 42 Prozent reduzieren. Ähnlich sieht es bei den Diplomen aus.
Linke Bildungspolitiker in Bern reiben sich aufgrund dieser Zahlen die Augen. «Noch immer sind einige Arbeitgeber zu knausrig, wenn es um die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht. Das ist schade», sagt SP-Bildungspolitiker Matthias Aebischer.
Der Präsident der Gewerkschaft Travailsuisse, Adrian Wüthrich, bezeichnet diese Effekte als unfair. Gelassen hingegen gibt sich der freisinnige Christian Wasserfallen. «Die Kostensenkung für beide Seiten ist eigentlich im Sinne der damaligen Konzeption.»
Bereichern sich die Firmen hier an Bundessubventionen? «Nein», sagt Nicole Meier, Bildungsverantwortliche beim Arbeitgeberverband. Sie erklärt den Rückgang der Arbeitgeberbeteiligung vor allem damit, dass einige zuvor mehr als 50 Prozent der Kosten übernommen hätten. So wurden beispielsweise in der Hotellerie aufgrund des Gesamtarbeitsvertrags praktisch die gesamten Kursgebühren bezahlt.
Da nun der Bund 50 Prozent der Kosten trage, sei es klar, dass die Unternehmen nicht mehr als die Hälfte beisteuern. «Es war zu erwarten, dass solche Unternehmen nun ihren Beitrag zurücknehmen.» Natürlich hätten einige Arbeitgeber diesen angesichts der Bundessubventionen auf unter 50 Prozent reduziert. Allerdings müsse man auch mit einberechnen, dass viele Firmen dem Personal Arbeitszeit für Kurse zur Verfügung stellen.
Experten haben gewarnt
Dass ein solcher Spareffekt für Unternehmen eintreten könnte, haben Experten schon während der Entwicklung der neuen Subvention in einer vom Bund bestellten Studie vorausgesehen. «Solche Verdrängungseffekte von staatlichen Finanzierungen, die private Finanzierungen ersetzen, sind auch aus anderen Politikbereichen bekannt», sagt Studienleiter Jürg Schweri, Professor an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung.
So aber werde die Erreichung des deklarierten Ziels der Unterstützung vermindert, nämlich die finanzielle Belastung der Kursteilnehmenden zu reduzieren und so die ungleiche Behandlung von Studierenden in Hochschulen und in der höheren Berufsbildung zu vermindern.
Jetzt bestätigen sich die Prognosen. Gewerkschafter Wüthrich fordert: «Es muss eine Evaluation der Reform durchgeführt werden.» Tatsächlich will nun zumindest ein Teil der Politik reagieren – indem noch mehr Geld investiert wird. «Wir sind daran, die Bundesgelder für die höhere Berufsbildung zu erhöhen, um die nach wie vor bestehende Ungerechtigkeit zu minimieren», sagt Aebischer.
Darüber seien sich die Bildungspolitiker vieler Parteien einig. Doch werde man dies an Bedingungen knüpfen. «Es kann nicht sein, dass der Bund nur das Budget der Arbeitgeber entlastet. Die Arbeitnehmerinnen müssen von zusätzlichen Geldern ebenfalls profitieren.»
Nicht alle werden allerdings damit einverstanden sein. «Das System kann sicher noch einfacher und schlanker werden. Es sollte möglichst wenig Aufwand entstehen», sagt der freisinnige Wasserfallen. «Grundlegend aber würde ich daran nichts ändern.»